Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Tand und Leute in Bulgarien.

28600000 (1880 bloß 8^, 1881 bloß 7610000) Piaster und war dem
Sultan im September dieses Jahres mehr als 32 Millionen schuldig. 1884
wurde wenig, nach der Revolution garnichts abgeführt, und so wird der Rück¬
stand jetzt mehr als 60 Millionen Piaster betragen, was sür ein Land von der
Größe und Einwohnerzahl dieses Teiles von Bulgarien eine geradezu riesenhafte
Schuld ausmacht.

Was die Verkehrsmittel anlangt, so hat das Fürstentum Bulgarien nur
eine Eisenbahn: die von Varna nach Nustschuk, welche 224 Kilometer lang ist,
wogegen die Provinz Ostrumelien zwei Schienenstränge besitzt, von denen der
eine Sarambej mit Mustafa-Pascha-Köprü verbindet, von wo eine Bahn über
Adrianopel nach Stambul führt, während der andre in der Zweiglinie Sejmcmli-
Jamboli besteht; jener hat eine Lange von 210, dieser eine solche von 106 Kilo¬
metern. Das gesamte Bahnnetz beider Teile Bulgariens im weiteren Sinne ist
also nur 540 Kilometer lang. Zwar sollte vom Fürstentume vertragsmäßig
auch die uur 118 Kilometer betragende Strecke Vakarel-Caribrvd und von Ost¬
rumelien das kurze Ergänzungsstück Sarambej-Vcckcirel, 45 Kilometer, wodurch
im Anschluß an die von Serbien zu bauende Bahn Belgrad-Risch-Caribrod
eine direkte Schienenstraße zwischen Konstantinopel und Wien hergestellt worden
wäre, jetzt vollendet sein und sich im Betriebe befinden, aber weder die Re¬
gierung in Sofia noch die in Philippopel hat in den letzten acht Jahren mit
diesen Arbeiten auch mir irgendwie begonnen. Die Hauptursache dieser Unter¬
lassungssünde!: liegt in den Ränken und Umtrieben der bulgarischen Partei¬
führer, welche die zu erteilenden Konzessionen entweder für sich selbst erstrebten
oder möglichst vorteilhaft für ihre Tasche fremden Spekulanten zu verschaffen
suchten. Es wäre gut, wenn die Mächte auf die künftige Regierung kräftig
einwirkten, daß wenigstens die Linie Caribrod-Sarambej bald vollendet würde,
welche für den Handel und Verkehr Österreich-Ungarns und Deutschlands mit
der Balkanhalbinsel von besondrer Wichtigkeit ist. Im Interesse Bulgariens
aber würde es sein, wenn dann auch rasch die Linien Jamboli-Burgas (etwa
100 Kilometer), Karuabad-Schumla (80 Kilometer), Philippopel-Tirnowo (170
Kilometer), Nikopoli-Plewna (45 Kilometer), eine Bahn zur Verbindung Sofias
mit Nustschuk (400 Kilometer) und eine Linie zwischen Sofia und Widdin
(180 Kilometer) möglichst bald in Angriff genommen würden. Allerdings würde
ein derartiges Schienennetz bei dem großenteils gebirgigen Charakter der Ge¬
genden, in denen es auszuführen wäre, sehr erhebliche Summen erfordern, aber
dem Lande einen Aufschwung bringen, der das aufgewendete Kapital genügend
verzinste. Die bulgarische Dampferverbiudung wird durch die österreichische
Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft, durch den Österreichischen Lloyd und dnrch
die Russische Dampfschifffahrts- und Handelsgesellschaft besorgt. Die beiden
letzteren fahren im Schwarzen Meere und legen regelmäßig in Varna und
Burgas an. Die zuerst genannte befährt die Donau von Negotin bis Silistria,


Grenzlwwi IV. 1886. 27
Tand und Leute in Bulgarien.

28600000 (1880 bloß 8^, 1881 bloß 7610000) Piaster und war dem
Sultan im September dieses Jahres mehr als 32 Millionen schuldig. 1884
wurde wenig, nach der Revolution garnichts abgeführt, und so wird der Rück¬
stand jetzt mehr als 60 Millionen Piaster betragen, was sür ein Land von der
Größe und Einwohnerzahl dieses Teiles von Bulgarien eine geradezu riesenhafte
Schuld ausmacht.

Was die Verkehrsmittel anlangt, so hat das Fürstentum Bulgarien nur
eine Eisenbahn: die von Varna nach Nustschuk, welche 224 Kilometer lang ist,
wogegen die Provinz Ostrumelien zwei Schienenstränge besitzt, von denen der
eine Sarambej mit Mustafa-Pascha-Köprü verbindet, von wo eine Bahn über
Adrianopel nach Stambul führt, während der andre in der Zweiglinie Sejmcmli-
Jamboli besteht; jener hat eine Lange von 210, dieser eine solche von 106 Kilo¬
metern. Das gesamte Bahnnetz beider Teile Bulgariens im weiteren Sinne ist
also nur 540 Kilometer lang. Zwar sollte vom Fürstentume vertragsmäßig
auch die uur 118 Kilometer betragende Strecke Vakarel-Caribrvd und von Ost¬
rumelien das kurze Ergänzungsstück Sarambej-Vcckcirel, 45 Kilometer, wodurch
im Anschluß an die von Serbien zu bauende Bahn Belgrad-Risch-Caribrod
eine direkte Schienenstraße zwischen Konstantinopel und Wien hergestellt worden
wäre, jetzt vollendet sein und sich im Betriebe befinden, aber weder die Re¬
gierung in Sofia noch die in Philippopel hat in den letzten acht Jahren mit
diesen Arbeiten auch mir irgendwie begonnen. Die Hauptursache dieser Unter¬
lassungssünde!: liegt in den Ränken und Umtrieben der bulgarischen Partei¬
führer, welche die zu erteilenden Konzessionen entweder für sich selbst erstrebten
oder möglichst vorteilhaft für ihre Tasche fremden Spekulanten zu verschaffen
suchten. Es wäre gut, wenn die Mächte auf die künftige Regierung kräftig
einwirkten, daß wenigstens die Linie Caribrod-Sarambej bald vollendet würde,
welche für den Handel und Verkehr Österreich-Ungarns und Deutschlands mit
der Balkanhalbinsel von besondrer Wichtigkeit ist. Im Interesse Bulgariens
aber würde es sein, wenn dann auch rasch die Linien Jamboli-Burgas (etwa
100 Kilometer), Karuabad-Schumla (80 Kilometer), Philippopel-Tirnowo (170
Kilometer), Nikopoli-Plewna (45 Kilometer), eine Bahn zur Verbindung Sofias
mit Nustschuk (400 Kilometer) und eine Linie zwischen Sofia und Widdin
(180 Kilometer) möglichst bald in Angriff genommen würden. Allerdings würde
ein derartiges Schienennetz bei dem großenteils gebirgigen Charakter der Ge¬
genden, in denen es auszuführen wäre, sehr erhebliche Summen erfordern, aber
dem Lande einen Aufschwung bringen, der das aufgewendete Kapital genügend
verzinste. Die bulgarische Dampferverbiudung wird durch die österreichische
Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft, durch den Österreichischen Lloyd und dnrch
die Russische Dampfschifffahrts- und Handelsgesellschaft besorgt. Die beiden
letzteren fahren im Schwarzen Meere und legen regelmäßig in Varna und
Burgas an. Die zuerst genannte befährt die Donau von Negotin bis Silistria,


Grenzlwwi IV. 1886. 27
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0217" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199571"/>
          <fw type="header" place="top"> Tand und Leute in Bulgarien.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_844" prev="#ID_843"> 28600000 (1880 bloß 8^, 1881 bloß 7610000) Piaster und war dem<lb/>
Sultan im September dieses Jahres mehr als 32 Millionen schuldig. 1884<lb/>
wurde wenig, nach der Revolution garnichts abgeführt, und so wird der Rück¬<lb/>
stand jetzt mehr als 60 Millionen Piaster betragen, was sür ein Land von der<lb/>
Größe und Einwohnerzahl dieses Teiles von Bulgarien eine geradezu riesenhafte<lb/>
Schuld ausmacht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_845" next="#ID_846"> Was die Verkehrsmittel anlangt, so hat das Fürstentum Bulgarien nur<lb/>
eine Eisenbahn: die von Varna nach Nustschuk, welche 224 Kilometer lang ist,<lb/>
wogegen die Provinz Ostrumelien zwei Schienenstränge besitzt, von denen der<lb/>
eine Sarambej mit Mustafa-Pascha-Köprü verbindet, von wo eine Bahn über<lb/>
Adrianopel nach Stambul führt, während der andre in der Zweiglinie Sejmcmli-<lb/>
Jamboli besteht; jener hat eine Lange von 210, dieser eine solche von 106 Kilo¬<lb/>
metern. Das gesamte Bahnnetz beider Teile Bulgariens im weiteren Sinne ist<lb/>
also nur 540 Kilometer lang. Zwar sollte vom Fürstentume vertragsmäßig<lb/>
auch die uur 118 Kilometer betragende Strecke Vakarel-Caribrvd und von Ost¬<lb/>
rumelien das kurze Ergänzungsstück Sarambej-Vcckcirel, 45 Kilometer, wodurch<lb/>
im Anschluß an die von Serbien zu bauende Bahn Belgrad-Risch-Caribrod<lb/>
eine direkte Schienenstraße zwischen Konstantinopel und Wien hergestellt worden<lb/>
wäre, jetzt vollendet sein und sich im Betriebe befinden, aber weder die Re¬<lb/>
gierung in Sofia noch die in Philippopel hat in den letzten acht Jahren mit<lb/>
diesen Arbeiten auch mir irgendwie begonnen. Die Hauptursache dieser Unter¬<lb/>
lassungssünde!: liegt in den Ränken und Umtrieben der bulgarischen Partei¬<lb/>
führer, welche die zu erteilenden Konzessionen entweder für sich selbst erstrebten<lb/>
oder möglichst vorteilhaft für ihre Tasche fremden Spekulanten zu verschaffen<lb/>
suchten. Es wäre gut, wenn die Mächte auf die künftige Regierung kräftig<lb/>
einwirkten, daß wenigstens die Linie Caribrod-Sarambej bald vollendet würde,<lb/>
welche für den Handel und Verkehr Österreich-Ungarns und Deutschlands mit<lb/>
der Balkanhalbinsel von besondrer Wichtigkeit ist. Im Interesse Bulgariens<lb/>
aber würde es sein, wenn dann auch rasch die Linien Jamboli-Burgas (etwa<lb/>
100 Kilometer), Karuabad-Schumla (80 Kilometer), Philippopel-Tirnowo (170<lb/>
Kilometer), Nikopoli-Plewna (45 Kilometer), eine Bahn zur Verbindung Sofias<lb/>
mit Nustschuk (400 Kilometer) und eine Linie zwischen Sofia und Widdin<lb/>
(180 Kilometer) möglichst bald in Angriff genommen würden. Allerdings würde<lb/>
ein derartiges Schienennetz bei dem großenteils gebirgigen Charakter der Ge¬<lb/>
genden, in denen es auszuführen wäre, sehr erhebliche Summen erfordern, aber<lb/>
dem Lande einen Aufschwung bringen, der das aufgewendete Kapital genügend<lb/>
verzinste. Die bulgarische Dampferverbiudung wird durch die österreichische<lb/>
Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft, durch den Österreichischen Lloyd und dnrch<lb/>
die Russische Dampfschifffahrts- und Handelsgesellschaft besorgt. Die beiden<lb/>
letzteren fahren im Schwarzen Meere und legen regelmäßig in Varna und<lb/>
Burgas an. Die zuerst genannte befährt die Donau von Negotin bis Silistria,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzlwwi IV. 1886. 27</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0217] Tand und Leute in Bulgarien. 28600000 (1880 bloß 8^, 1881 bloß 7610000) Piaster und war dem Sultan im September dieses Jahres mehr als 32 Millionen schuldig. 1884 wurde wenig, nach der Revolution garnichts abgeführt, und so wird der Rück¬ stand jetzt mehr als 60 Millionen Piaster betragen, was sür ein Land von der Größe und Einwohnerzahl dieses Teiles von Bulgarien eine geradezu riesenhafte Schuld ausmacht. Was die Verkehrsmittel anlangt, so hat das Fürstentum Bulgarien nur eine Eisenbahn: die von Varna nach Nustschuk, welche 224 Kilometer lang ist, wogegen die Provinz Ostrumelien zwei Schienenstränge besitzt, von denen der eine Sarambej mit Mustafa-Pascha-Köprü verbindet, von wo eine Bahn über Adrianopel nach Stambul führt, während der andre in der Zweiglinie Sejmcmli- Jamboli besteht; jener hat eine Lange von 210, dieser eine solche von 106 Kilo¬ metern. Das gesamte Bahnnetz beider Teile Bulgariens im weiteren Sinne ist also nur 540 Kilometer lang. Zwar sollte vom Fürstentume vertragsmäßig auch die uur 118 Kilometer betragende Strecke Vakarel-Caribrvd und von Ost¬ rumelien das kurze Ergänzungsstück Sarambej-Vcckcirel, 45 Kilometer, wodurch im Anschluß an die von Serbien zu bauende Bahn Belgrad-Risch-Caribrod eine direkte Schienenstraße zwischen Konstantinopel und Wien hergestellt worden wäre, jetzt vollendet sein und sich im Betriebe befinden, aber weder die Re¬ gierung in Sofia noch die in Philippopel hat in den letzten acht Jahren mit diesen Arbeiten auch mir irgendwie begonnen. Die Hauptursache dieser Unter¬ lassungssünde!: liegt in den Ränken und Umtrieben der bulgarischen Partei¬ führer, welche die zu erteilenden Konzessionen entweder für sich selbst erstrebten oder möglichst vorteilhaft für ihre Tasche fremden Spekulanten zu verschaffen suchten. Es wäre gut, wenn die Mächte auf die künftige Regierung kräftig einwirkten, daß wenigstens die Linie Caribrod-Sarambej bald vollendet würde, welche für den Handel und Verkehr Österreich-Ungarns und Deutschlands mit der Balkanhalbinsel von besondrer Wichtigkeit ist. Im Interesse Bulgariens aber würde es sein, wenn dann auch rasch die Linien Jamboli-Burgas (etwa 100 Kilometer), Karuabad-Schumla (80 Kilometer), Philippopel-Tirnowo (170 Kilometer), Nikopoli-Plewna (45 Kilometer), eine Bahn zur Verbindung Sofias mit Nustschuk (400 Kilometer) und eine Linie zwischen Sofia und Widdin (180 Kilometer) möglichst bald in Angriff genommen würden. Allerdings würde ein derartiges Schienennetz bei dem großenteils gebirgigen Charakter der Ge¬ genden, in denen es auszuführen wäre, sehr erhebliche Summen erfordern, aber dem Lande einen Aufschwung bringen, der das aufgewendete Kapital genügend verzinste. Die bulgarische Dampferverbiudung wird durch die österreichische Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft, durch den Österreichischen Lloyd und dnrch die Russische Dampfschifffahrts- und Handelsgesellschaft besorgt. Die beiden letzteren fahren im Schwarzen Meere und legen regelmäßig in Varna und Burgas an. Die zuerst genannte befährt die Donau von Negotin bis Silistria, Grenzlwwi IV. 1886. 27

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/217
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/217>, abgerufen am 19.10.2024.