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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Land und Leute in Bulgarien.

Unterricht 2 503 701, die Justiz 2 580 428 und das Heerwesen 11675161 in
Anspruch nahmen. Ob hier die 800 000 Rubel, die alljährlich an Nußland ab¬
geführt werden sollten, mitgerechnet waren, ist nicht ersichtlich. Gezählt wurden
sie unsers Wissens nicht. Sodann hat der Krieg mit Serbien ohne Zweifel viel
Geld gekostet, und so wird das Defizit des Voranschlags sich wahrscheinlich be¬
deutend höher stellen, als dieser annimmt.

Die Finanzlage Osttumeliens war nicht so gut wie die des Fürstentums,
als die Vereinigung mit letzterem versucht wurde. Das erste Finanzjahr,
1879--1880, schloß mit einem Defizit von 230000 türkischen Lire (4140 000
Mary, was nicht verwundern kann, wenn man bedenkt, daß der damalige Auf¬
stand der Pomaken viel Geld kostete, und daß die Verwaltung infolge der hohen
Gehalte der Beamten und der von Rußland abgeordneten Offiziere bedeutende
Summen verschlang. Bekam doch der Generalgouvemeur 100000 Franks
Gehalt und 23000 Franks Reprüsentationsgelder, und erhielt doch jeder der
sechs Direktoren (Minister) jährlich 21600 Franks für seine Person. Das im
Dezember 1881 von der Proviuzialversammlung votirte Budget für 1882 wies
eine Einnahme von 78800000 und eine Ausgabe von 81500000, also ein
Defizit von 2700000 Piastern (-1 18 Pfennige) auf, welches durch Ersparnisse
gedeckt werden sollte. Das Budget für 1883 sollte 70 Millionen an Ein¬
nahmen und 81 Millionen an Ausgaben betragen, und das Defizit von elf
Millionen mit einer Erhöhung der Hammelsteuer und einer Anleihe von
51/2 Millionen Piastern ausgeglichen werden. Im Dezember 1882 hatte jedoch
die Proviuzialversammlung die Jahreseinnahme für fünf Jahre vom 1. März
1883 an auf 60 Millionen Piaster und den an die Pforte zu entrichtenden
Tribut auf 18 Millionen, zahlbar in monatlichen Raten, festgesetzt und be¬
schlossen, daß nach Ablauf der fünf Jahre die Höhe jener Summe nach den in
dieser Zeit wirklich eingegangenen Einnahmen abgeändert werden solle. Dieser
Beschluß wurde der Pforte mitgeteilt und zur Annahme empfohlen, nachdem
die ostrumclische Regierung schon früher erklärt hatte, daß sie den anfangs fest¬
gestellten Tribut nicht abführen könne, da sie jährlich kaum 60 Millionen ein¬
nehme. Die Pforte ging jedoch auf dieses Ansinnen nicht ein, sondern erklärte
es für einen Versuch, ihre Rechte und die ihrer Gläubiger zu schmälern, und
als einen Verstoß gegen das Organische Statut, in welchem die Bevollmächtigten
der Großmächte die Einnahmen Ostrumeliens zu 80 Millionen Piaster ange¬
nommen und den Tribut auf 24 Millionen bemessen hatten. Für das Jahr
1884 schlug mau die Einnahmen der Provinz ans 74805500, die Ausgaben
auf 74108065 Piaster an. Das Budget vom vorigen Jahre muß infolge
der Revolution von Philippopel und der ihr folgenden Ereignisse einen sehr
bedeutenden Ausfall aufweisen, der sich indes jetzt noch nicht berechnen läßt.
Dazu tritt aber noch, daß die Provinz mit dem Tribut, den sie der Pforte zu
leisten hat, stark im Rückstände geblieben ist. Sie zahlte davon bis 1883 nur


Land und Leute in Bulgarien.

Unterricht 2 503 701, die Justiz 2 580 428 und das Heerwesen 11675161 in
Anspruch nahmen. Ob hier die 800 000 Rubel, die alljährlich an Nußland ab¬
geführt werden sollten, mitgerechnet waren, ist nicht ersichtlich. Gezählt wurden
sie unsers Wissens nicht. Sodann hat der Krieg mit Serbien ohne Zweifel viel
Geld gekostet, und so wird das Defizit des Voranschlags sich wahrscheinlich be¬
deutend höher stellen, als dieser annimmt.

Die Finanzlage Osttumeliens war nicht so gut wie die des Fürstentums,
als die Vereinigung mit letzterem versucht wurde. Das erste Finanzjahr,
1879—1880, schloß mit einem Defizit von 230000 türkischen Lire (4140 000
Mary, was nicht verwundern kann, wenn man bedenkt, daß der damalige Auf¬
stand der Pomaken viel Geld kostete, und daß die Verwaltung infolge der hohen
Gehalte der Beamten und der von Rußland abgeordneten Offiziere bedeutende
Summen verschlang. Bekam doch der Generalgouvemeur 100000 Franks
Gehalt und 23000 Franks Reprüsentationsgelder, und erhielt doch jeder der
sechs Direktoren (Minister) jährlich 21600 Franks für seine Person. Das im
Dezember 1881 von der Proviuzialversammlung votirte Budget für 1882 wies
eine Einnahme von 78800000 und eine Ausgabe von 81500000, also ein
Defizit von 2700000 Piastern (-1 18 Pfennige) auf, welches durch Ersparnisse
gedeckt werden sollte. Das Budget für 1883 sollte 70 Millionen an Ein¬
nahmen und 81 Millionen an Ausgaben betragen, und das Defizit von elf
Millionen mit einer Erhöhung der Hammelsteuer und einer Anleihe von
51/2 Millionen Piastern ausgeglichen werden. Im Dezember 1882 hatte jedoch
die Proviuzialversammlung die Jahreseinnahme für fünf Jahre vom 1. März
1883 an auf 60 Millionen Piaster und den an die Pforte zu entrichtenden
Tribut auf 18 Millionen, zahlbar in monatlichen Raten, festgesetzt und be¬
schlossen, daß nach Ablauf der fünf Jahre die Höhe jener Summe nach den in
dieser Zeit wirklich eingegangenen Einnahmen abgeändert werden solle. Dieser
Beschluß wurde der Pforte mitgeteilt und zur Annahme empfohlen, nachdem
die ostrumclische Regierung schon früher erklärt hatte, daß sie den anfangs fest¬
gestellten Tribut nicht abführen könne, da sie jährlich kaum 60 Millionen ein¬
nehme. Die Pforte ging jedoch auf dieses Ansinnen nicht ein, sondern erklärte
es für einen Versuch, ihre Rechte und die ihrer Gläubiger zu schmälern, und
als einen Verstoß gegen das Organische Statut, in welchem die Bevollmächtigten
der Großmächte die Einnahmen Ostrumeliens zu 80 Millionen Piaster ange¬
nommen und den Tribut auf 24 Millionen bemessen hatten. Für das Jahr
1884 schlug mau die Einnahmen der Provinz ans 74805500, die Ausgaben
auf 74108065 Piaster an. Das Budget vom vorigen Jahre muß infolge
der Revolution von Philippopel und der ihr folgenden Ereignisse einen sehr
bedeutenden Ausfall aufweisen, der sich indes jetzt noch nicht berechnen läßt.
Dazu tritt aber noch, daß die Provinz mit dem Tribut, den sie der Pforte zu
leisten hat, stark im Rückstände geblieben ist. Sie zahlte davon bis 1883 nur


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[0216] Land und Leute in Bulgarien. Unterricht 2 503 701, die Justiz 2 580 428 und das Heerwesen 11675161 in Anspruch nahmen. Ob hier die 800 000 Rubel, die alljährlich an Nußland ab¬ geführt werden sollten, mitgerechnet waren, ist nicht ersichtlich. Gezählt wurden sie unsers Wissens nicht. Sodann hat der Krieg mit Serbien ohne Zweifel viel Geld gekostet, und so wird das Defizit des Voranschlags sich wahrscheinlich be¬ deutend höher stellen, als dieser annimmt. Die Finanzlage Osttumeliens war nicht so gut wie die des Fürstentums, als die Vereinigung mit letzterem versucht wurde. Das erste Finanzjahr, 1879—1880, schloß mit einem Defizit von 230000 türkischen Lire (4140 000 Mary, was nicht verwundern kann, wenn man bedenkt, daß der damalige Auf¬ stand der Pomaken viel Geld kostete, und daß die Verwaltung infolge der hohen Gehalte der Beamten und der von Rußland abgeordneten Offiziere bedeutende Summen verschlang. Bekam doch der Generalgouvemeur 100000 Franks Gehalt und 23000 Franks Reprüsentationsgelder, und erhielt doch jeder der sechs Direktoren (Minister) jährlich 21600 Franks für seine Person. Das im Dezember 1881 von der Proviuzialversammlung votirte Budget für 1882 wies eine Einnahme von 78800000 und eine Ausgabe von 81500000, also ein Defizit von 2700000 Piastern (-1 18 Pfennige) auf, welches durch Ersparnisse gedeckt werden sollte. Das Budget für 1883 sollte 70 Millionen an Ein¬ nahmen und 81 Millionen an Ausgaben betragen, und das Defizit von elf Millionen mit einer Erhöhung der Hammelsteuer und einer Anleihe von 51/2 Millionen Piastern ausgeglichen werden. Im Dezember 1882 hatte jedoch die Proviuzialversammlung die Jahreseinnahme für fünf Jahre vom 1. März 1883 an auf 60 Millionen Piaster und den an die Pforte zu entrichtenden Tribut auf 18 Millionen, zahlbar in monatlichen Raten, festgesetzt und be¬ schlossen, daß nach Ablauf der fünf Jahre die Höhe jener Summe nach den in dieser Zeit wirklich eingegangenen Einnahmen abgeändert werden solle. Dieser Beschluß wurde der Pforte mitgeteilt und zur Annahme empfohlen, nachdem die ostrumclische Regierung schon früher erklärt hatte, daß sie den anfangs fest¬ gestellten Tribut nicht abführen könne, da sie jährlich kaum 60 Millionen ein¬ nehme. Die Pforte ging jedoch auf dieses Ansinnen nicht ein, sondern erklärte es für einen Versuch, ihre Rechte und die ihrer Gläubiger zu schmälern, und als einen Verstoß gegen das Organische Statut, in welchem die Bevollmächtigten der Großmächte die Einnahmen Ostrumeliens zu 80 Millionen Piaster ange¬ nommen und den Tribut auf 24 Millionen bemessen hatten. Für das Jahr 1884 schlug mau die Einnahmen der Provinz ans 74805500, die Ausgaben auf 74108065 Piaster an. Das Budget vom vorigen Jahre muß infolge der Revolution von Philippopel und der ihr folgenden Ereignisse einen sehr bedeutenden Ausfall aufweisen, der sich indes jetzt noch nicht berechnen läßt. Dazu tritt aber noch, daß die Provinz mit dem Tribut, den sie der Pforte zu leisten hat, stark im Rückstände geblieben ist. Sie zahlte davon bis 1883 nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/216>, abgerufen am 27.09.2024.