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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

wiesen, wie der Mann es soll, so wäre sie noch bei Euch, und Ihr wäret so
reich, als Ihr jetzt arm seid. So der Mann seinem Hause lehrt, nach Gottes
Wort zu leben, wird er gesegnet sein.

Des Pfarrers tiefernste Augen schienen bis in die Seele des Mannes zu
dringen, der vor ihm lag. Die Erinnerung an sein Weib preßte dem Un¬
glücklichen Thränen aus den Augen. Er langte mit der Hand nach der Flasche.

Es ist nun doch zu spät, murmelte er, selbst wenn es so ist, wie Sie
da sagen.

Richter hielt die Hand fest. Es ist nie zu spät, zu Gott zurückzukehren,
sagte er dringend. Seht mich an! Sehe ich aus, als ob ich löge? Nein?
Ihr wollt mir also glauben.

Wie gebannt sah der Kranke in die mächtigen Augen, aus denen ein
zwingender Wille sprach.

Wenn Sie einen so ansehen, da möchte man alles thun, was Sie wollen!

So hört: Ich werde Eurer Schwester in Trübensee sagen, Ihr bereutet
Eure Härte gegen sie."

Aber --

Still! Ihr müßt vergeben, wenn Ihr wollt, daß Euch vergeben wird. Eure
Schwester wird kommen und bei Euch bleiben, bis Ihr gesund seid. Sie wird
für Euch, für Eure Kinder und für Euer Haus sorgen.

Ach, das wird sie nicht thun! Sie ist mir gar zu böse.

Ihr irrt. Sie wünscht nichts mehr als Euch zu helfen, denn Gott hat
ihren Sinn gewendet.

In diesem Augenblick ertönte von der Küche her ein widerliches Schreien.
Der Kranke schauderte, und der Geistliche richtete sich horchend auf.

Ach, daß Gott! daß Gott! Der Vetter! jammerte Hegel.

Richter sprach ein paar beruhigende Worte und wandte sich nach der Küche;
er mußte sich sehr bücken, um durch die Thür zu kommen. Vou der Küche aus
führte eine Hinterthür in den kleinen Hof; sie stand weit auf, und das Abend¬
licht fiel voll in den kleinen Raum. Auf dem Herde stand ein Trog und davor
das Fräulein mit heraufgestreiften Ärmeln, im Begriff, mit ihren feinen Händen
das Geschirr des Arbeiterhauses zu waschen. Eine leichte Nöte bedeckte ihr
Gesicht. Sie sprach in entschiednen Tone zu einem angetrunkenen Menschen,
dessen gedunsenes Gesicht im Zorn erglüte.

Ihr müßt das Geld leihen, Christoph; sobald er arbeiten kaun, erhaltet
Ihr es wieder! Aber wie soll er gesund werden, wenn Ihr nicht das Essen
beschafft?

Der Trunkene schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die darauf gestellten
Schüsseln klirrten.

Sie wollen mir mein Geld aus der Tasche ziehen, damit er's versaufen
kann! Aber ich sehe nicht ein, warum ich mein mühsam erschundenes Tagelohn


Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

wiesen, wie der Mann es soll, so wäre sie noch bei Euch, und Ihr wäret so
reich, als Ihr jetzt arm seid. So der Mann seinem Hause lehrt, nach Gottes
Wort zu leben, wird er gesegnet sein.

Des Pfarrers tiefernste Augen schienen bis in die Seele des Mannes zu
dringen, der vor ihm lag. Die Erinnerung an sein Weib preßte dem Un¬
glücklichen Thränen aus den Augen. Er langte mit der Hand nach der Flasche.

Es ist nun doch zu spät, murmelte er, selbst wenn es so ist, wie Sie
da sagen.

Richter hielt die Hand fest. Es ist nie zu spät, zu Gott zurückzukehren,
sagte er dringend. Seht mich an! Sehe ich aus, als ob ich löge? Nein?
Ihr wollt mir also glauben.

Wie gebannt sah der Kranke in die mächtigen Augen, aus denen ein
zwingender Wille sprach.

Wenn Sie einen so ansehen, da möchte man alles thun, was Sie wollen!

So hört: Ich werde Eurer Schwester in Trübensee sagen, Ihr bereutet
Eure Härte gegen sie."

Aber —

Still! Ihr müßt vergeben, wenn Ihr wollt, daß Euch vergeben wird. Eure
Schwester wird kommen und bei Euch bleiben, bis Ihr gesund seid. Sie wird
für Euch, für Eure Kinder und für Euer Haus sorgen.

Ach, das wird sie nicht thun! Sie ist mir gar zu böse.

Ihr irrt. Sie wünscht nichts mehr als Euch zu helfen, denn Gott hat
ihren Sinn gewendet.

In diesem Augenblick ertönte von der Küche her ein widerliches Schreien.
Der Kranke schauderte, und der Geistliche richtete sich horchend auf.

Ach, daß Gott! daß Gott! Der Vetter! jammerte Hegel.

Richter sprach ein paar beruhigende Worte und wandte sich nach der Küche;
er mußte sich sehr bücken, um durch die Thür zu kommen. Vou der Küche aus
führte eine Hinterthür in den kleinen Hof; sie stand weit auf, und das Abend¬
licht fiel voll in den kleinen Raum. Auf dem Herde stand ein Trog und davor
das Fräulein mit heraufgestreiften Ärmeln, im Begriff, mit ihren feinen Händen
das Geschirr des Arbeiterhauses zu waschen. Eine leichte Nöte bedeckte ihr
Gesicht. Sie sprach in entschiednen Tone zu einem angetrunkenen Menschen,
dessen gedunsenes Gesicht im Zorn erglüte.

Ihr müßt das Geld leihen, Christoph; sobald er arbeiten kaun, erhaltet
Ihr es wieder! Aber wie soll er gesund werden, wenn Ihr nicht das Essen
beschafft?

Der Trunkene schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die darauf gestellten
Schüsseln klirrten.

Sie wollen mir mein Geld aus der Tasche ziehen, damit er's versaufen
kann! Aber ich sehe nicht ein, warum ich mein mühsam erschundenes Tagelohn


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[0204] Aus der Chronik derer von Riffelshausen. wiesen, wie der Mann es soll, so wäre sie noch bei Euch, und Ihr wäret so reich, als Ihr jetzt arm seid. So der Mann seinem Hause lehrt, nach Gottes Wort zu leben, wird er gesegnet sein. Des Pfarrers tiefernste Augen schienen bis in die Seele des Mannes zu dringen, der vor ihm lag. Die Erinnerung an sein Weib preßte dem Un¬ glücklichen Thränen aus den Augen. Er langte mit der Hand nach der Flasche. Es ist nun doch zu spät, murmelte er, selbst wenn es so ist, wie Sie da sagen. Richter hielt die Hand fest. Es ist nie zu spät, zu Gott zurückzukehren, sagte er dringend. Seht mich an! Sehe ich aus, als ob ich löge? Nein? Ihr wollt mir also glauben. Wie gebannt sah der Kranke in die mächtigen Augen, aus denen ein zwingender Wille sprach. Wenn Sie einen so ansehen, da möchte man alles thun, was Sie wollen! So hört: Ich werde Eurer Schwester in Trübensee sagen, Ihr bereutet Eure Härte gegen sie." Aber — Still! Ihr müßt vergeben, wenn Ihr wollt, daß Euch vergeben wird. Eure Schwester wird kommen und bei Euch bleiben, bis Ihr gesund seid. Sie wird für Euch, für Eure Kinder und für Euer Haus sorgen. Ach, das wird sie nicht thun! Sie ist mir gar zu böse. Ihr irrt. Sie wünscht nichts mehr als Euch zu helfen, denn Gott hat ihren Sinn gewendet. In diesem Augenblick ertönte von der Küche her ein widerliches Schreien. Der Kranke schauderte, und der Geistliche richtete sich horchend auf. Ach, daß Gott! daß Gott! Der Vetter! jammerte Hegel. Richter sprach ein paar beruhigende Worte und wandte sich nach der Küche; er mußte sich sehr bücken, um durch die Thür zu kommen. Vou der Küche aus führte eine Hinterthür in den kleinen Hof; sie stand weit auf, und das Abend¬ licht fiel voll in den kleinen Raum. Auf dem Herde stand ein Trog und davor das Fräulein mit heraufgestreiften Ärmeln, im Begriff, mit ihren feinen Händen das Geschirr des Arbeiterhauses zu waschen. Eine leichte Nöte bedeckte ihr Gesicht. Sie sprach in entschiednen Tone zu einem angetrunkenen Menschen, dessen gedunsenes Gesicht im Zorn erglüte. Ihr müßt das Geld leihen, Christoph; sobald er arbeiten kaun, erhaltet Ihr es wieder! Aber wie soll er gesund werden, wenn Ihr nicht das Essen beschafft? Der Trunkene schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die darauf gestellten Schüsseln klirrten. Sie wollen mir mein Geld aus der Tasche ziehen, damit er's versaufen kann! Aber ich sehe nicht ein, warum ich mein mühsam erschundenes Tagelohn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/204>, abgerufen am 27.09.2024.