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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

rascher nach der Stadt befördern, als Ihr Schimmel es vermöchte. Überdies
werde ich niemals ein Roß besteigen.

Nu, wie Sie das meinen, sagte der Bauer und zuckte die Achseln. Trcckel-
berg aber rannte mittels seiner langen Beine unglaublich schnell davon.

Gegen Mitternacht trat Petri in das Zimmer der Hofmarschallin. Die
Minna hatte bereits allerhand Hausmittel gebraucht, "was man da so macht,"
und wollte auch bemerkt haben, daß der Zustand der Kranken bereits besser sei.
Aber Petri schüttelte den Kopf und sagte nichts, was bei ihm ein sehr bedenk¬
liches Zeichen war. Er sandte sogleich ein Rezept nach Nummelshausen in die
Apotheke und befahl dem Boten, sich sehr zu beeilen.

Cäcilie war über diesen plötzlichen Krankheitsfall höchst betreten. Ab¬
wechselnd stand sie an dem Bette der stark fiebernden Schwägerin und lauschte
an der Thür vor des Hofmarschalls Zimmer. Der wanderte immer noch ruhelos
auf und nieder und versetzte sie durch sein hoffnungsloses Wesen wirklich in Angst.

Er ist doch sonst nicht so unvernünftig, dachte sie, man wird ja krank,
Gott sei's geklagt! wird aber doch auch wieder gesund. Und sie liegt wahr¬
haftig noch nicht am Tode!

Ganz besonders aber erregte es ihre Verwunderung, daß Bohemund sich
nicht zeigte, als der Doktor kam. Freilich sprach Petri sich in der Nacht noch
nicht aus, doch hätte Niffelshausen bei seiner übergroßen Besorgnis begierig
sein müssen, von ihm ein beruhigendes Wort zu hören.

Nach einigem Überlegen beschloß Cäcilie bei dem Bruder einzudringen.

Sie fand ihn am Schreibtisch sitzend, in die Betrachtung eines kleinen,
Georg vorstellenden Pastellbildes dermaßen vertieft, daß er ihren Eintritt nicht
bemerkte. Sie blieb einige Augenblicke hinter ihm stehen, dann fragte sie er¬
staunt: Was machst du denn da?

Er fuhr auf. Wie du einen erschrecken kannst, Cäcilie! Was giebt es denn?

Petri war da und ist bereits wieder fort. Er will gegen Morgen wiederkommen.

Schön. Wann geht doch der Frühzug?

Ich bitte dich! -- wohin denn?

Nach der Residenz. Ich sagte dir doch, daß Friedrichs Berechnungen nicht
zu brauchen sind. Da ist mir der Einfall gekommen, nach Hofe zu fahren und
zu sehen, ob mir Hoheit seinen Meier überlassen kann. Der würde uus die
Sache rasch ordnen.

Cäcilie konnte nicht umhin, trotz der Wichtigkeit, die sie selbst den Guts¬
angelegenheiten beimaß, sich zu wundern, daß der Bruder jetzt von diesen so
völlig eingenommen schien.

Da willst du jetzt reisen? sagte sie zweifelnd.

Sobald als möglich. Es thut mir leid, dich gerade jetzt, wo die Last des
Hauswesens auf dir allein liegt, verlassen zu müssen; doch wirst du an Trakel-
berg und der braven Minna wackere Stützen haben.


Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

rascher nach der Stadt befördern, als Ihr Schimmel es vermöchte. Überdies
werde ich niemals ein Roß besteigen.

Nu, wie Sie das meinen, sagte der Bauer und zuckte die Achseln. Trcckel-
berg aber rannte mittels seiner langen Beine unglaublich schnell davon.

Gegen Mitternacht trat Petri in das Zimmer der Hofmarschallin. Die
Minna hatte bereits allerhand Hausmittel gebraucht, „was man da so macht,"
und wollte auch bemerkt haben, daß der Zustand der Kranken bereits besser sei.
Aber Petri schüttelte den Kopf und sagte nichts, was bei ihm ein sehr bedenk¬
liches Zeichen war. Er sandte sogleich ein Rezept nach Nummelshausen in die
Apotheke und befahl dem Boten, sich sehr zu beeilen.

Cäcilie war über diesen plötzlichen Krankheitsfall höchst betreten. Ab¬
wechselnd stand sie an dem Bette der stark fiebernden Schwägerin und lauschte
an der Thür vor des Hofmarschalls Zimmer. Der wanderte immer noch ruhelos
auf und nieder und versetzte sie durch sein hoffnungsloses Wesen wirklich in Angst.

Er ist doch sonst nicht so unvernünftig, dachte sie, man wird ja krank,
Gott sei's geklagt! wird aber doch auch wieder gesund. Und sie liegt wahr¬
haftig noch nicht am Tode!

Ganz besonders aber erregte es ihre Verwunderung, daß Bohemund sich
nicht zeigte, als der Doktor kam. Freilich sprach Petri sich in der Nacht noch
nicht aus, doch hätte Niffelshausen bei seiner übergroßen Besorgnis begierig
sein müssen, von ihm ein beruhigendes Wort zu hören.

Nach einigem Überlegen beschloß Cäcilie bei dem Bruder einzudringen.

Sie fand ihn am Schreibtisch sitzend, in die Betrachtung eines kleinen,
Georg vorstellenden Pastellbildes dermaßen vertieft, daß er ihren Eintritt nicht
bemerkte. Sie blieb einige Augenblicke hinter ihm stehen, dann fragte sie er¬
staunt: Was machst du denn da?

Er fuhr auf. Wie du einen erschrecken kannst, Cäcilie! Was giebt es denn?

Petri war da und ist bereits wieder fort. Er will gegen Morgen wiederkommen.

Schön. Wann geht doch der Frühzug?

Ich bitte dich! — wohin denn?

Nach der Residenz. Ich sagte dir doch, daß Friedrichs Berechnungen nicht
zu brauchen sind. Da ist mir der Einfall gekommen, nach Hofe zu fahren und
zu sehen, ob mir Hoheit seinen Meier überlassen kann. Der würde uus die
Sache rasch ordnen.

Cäcilie konnte nicht umhin, trotz der Wichtigkeit, die sie selbst den Guts¬
angelegenheiten beimaß, sich zu wundern, daß der Bruder jetzt von diesen so
völlig eingenommen schien.

Da willst du jetzt reisen? sagte sie zweifelnd.

Sobald als möglich. Es thut mir leid, dich gerade jetzt, wo die Last des
Hauswesens auf dir allein liegt, verlassen zu müssen; doch wirst du an Trakel-
berg und der braven Minna wackere Stützen haben.


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[0147] Aus der Chronik derer von Riffelshausen. rascher nach der Stadt befördern, als Ihr Schimmel es vermöchte. Überdies werde ich niemals ein Roß besteigen. Nu, wie Sie das meinen, sagte der Bauer und zuckte die Achseln. Trcckel- berg aber rannte mittels seiner langen Beine unglaublich schnell davon. Gegen Mitternacht trat Petri in das Zimmer der Hofmarschallin. Die Minna hatte bereits allerhand Hausmittel gebraucht, „was man da so macht," und wollte auch bemerkt haben, daß der Zustand der Kranken bereits besser sei. Aber Petri schüttelte den Kopf und sagte nichts, was bei ihm ein sehr bedenk¬ liches Zeichen war. Er sandte sogleich ein Rezept nach Nummelshausen in die Apotheke und befahl dem Boten, sich sehr zu beeilen. Cäcilie war über diesen plötzlichen Krankheitsfall höchst betreten. Ab¬ wechselnd stand sie an dem Bette der stark fiebernden Schwägerin und lauschte an der Thür vor des Hofmarschalls Zimmer. Der wanderte immer noch ruhelos auf und nieder und versetzte sie durch sein hoffnungsloses Wesen wirklich in Angst. Er ist doch sonst nicht so unvernünftig, dachte sie, man wird ja krank, Gott sei's geklagt! wird aber doch auch wieder gesund. Und sie liegt wahr¬ haftig noch nicht am Tode! Ganz besonders aber erregte es ihre Verwunderung, daß Bohemund sich nicht zeigte, als der Doktor kam. Freilich sprach Petri sich in der Nacht noch nicht aus, doch hätte Niffelshausen bei seiner übergroßen Besorgnis begierig sein müssen, von ihm ein beruhigendes Wort zu hören. Nach einigem Überlegen beschloß Cäcilie bei dem Bruder einzudringen. Sie fand ihn am Schreibtisch sitzend, in die Betrachtung eines kleinen, Georg vorstellenden Pastellbildes dermaßen vertieft, daß er ihren Eintritt nicht bemerkte. Sie blieb einige Augenblicke hinter ihm stehen, dann fragte sie er¬ staunt: Was machst du denn da? Er fuhr auf. Wie du einen erschrecken kannst, Cäcilie! Was giebt es denn? Petri war da und ist bereits wieder fort. Er will gegen Morgen wiederkommen. Schön. Wann geht doch der Frühzug? Ich bitte dich! — wohin denn? Nach der Residenz. Ich sagte dir doch, daß Friedrichs Berechnungen nicht zu brauchen sind. Da ist mir der Einfall gekommen, nach Hofe zu fahren und zu sehen, ob mir Hoheit seinen Meier überlassen kann. Der würde uus die Sache rasch ordnen. Cäcilie konnte nicht umhin, trotz der Wichtigkeit, die sie selbst den Guts¬ angelegenheiten beimaß, sich zu wundern, daß der Bruder jetzt von diesen so völlig eingenommen schien. Da willst du jetzt reisen? sagte sie zweifelnd. Sobald als möglich. Es thut mir leid, dich gerade jetzt, wo die Last des Hauswesens auf dir allein liegt, verlassen zu müssen; doch wirst du an Trakel- berg und der braven Minna wackere Stützen haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/147>, abgerufen am 19.10.2024.