Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.Mario von Ebner > Lschenbach. Junggesellen, in allen Überzeugungen einander schnurstracks entgegengesetzt, der Mario von Ebner > Lschenbach. Junggesellen, in allen Überzeugungen einander schnurstracks entgegengesetzt, der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0087" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198807"/> <fw type="header" place="top"> Mario von Ebner > Lschenbach.</fw><lb/> <p xml:id="ID_237" prev="#ID_236" next="#ID_238"> Junggesellen, in allen Überzeugungen einander schnurstracks entgegengesetzt, der<lb/> eine als Militär, der andre als Philosoph erzogen, jener konservativ, dieser ra¬<lb/> dikal. In einemfort zanken sie miteinander und scheuen durchaus nicht vor Grob¬<lb/> heiten zurück; aber die gemeinsame Liebe zu dem ererbten Stammgute, das sie mit<lb/> hingebender Liebe bewirtschaften, verknüpft sie unlöslich. Daß sie sich in Wahr¬<lb/> heit lieben, den Zank nicht mehr missen können und sich unentbehrlich geworden<lb/> sind, lernen sie im Verlauf der heitern gemeinsamen Liebesgeschichte kennen, die<lb/> doch keinem zu der ersehnten Hausfrau verhilft. Auch die tragische Huude-<lb/> geschichte „Krambambnli" gehört hierher- Ein Hund, der im Zwiespalt der<lb/> Pflichten, der Liebe zu zwei Herren, die sich als Wilddieb und Forstwart feind¬<lb/> lich gegenüberstehen, jämmerlich krepirt; natürlich ist trotz der Hundetragödic<lb/> die Figur des passivnirten Hundefreundes, des Jägers, poetisch die Hauptsache.<lb/> Ein heiteres Gegenstück zu der bedeutsameren Hundegeschichte, die Ferdinand<lb/> von Saar in seiner besten Novelle, in „Tambi," geliefert hat. Die Gestalt des<lb/> gutmütigen Pvltrons Kamnitzki aus der Erzählung „Nach dem Tode" gehört<lb/> gleichfalls hierher. Eine ganze Reihe von humoristischen Originalen enthält<lb/> die neue Dorf- und Schloßgeschichte „Die Unverstandene auf dem Dorfe." Gleich<lb/> die Mutter der Heldin, die Waschfrau Josefa, die selbst eine trostlose Ehe ge¬<lb/> führt hat mit einem rohen Trunkenbolde von Gatten, vor Eifer jedoch brennt,<lb/> ihre Tochter Marie unter die Haube zu bringen, und sie richtig ins Unglück<lb/> führt, als sie sie dem Prahlhans Walter, dem llss-ä-M-oonr des Fürsten im<lb/> Schlosse, in die Ehe giebt, ist ein humoristisches Original. Und dann der<lb/> weinerliche Schuft Walter, der hinter Liebkosungen seine Brutalität verbirgt;<lb/> der alte Kanzleirat, der eine umfangreiche „Darstellung der Rechtsverhältnisse<lb/> des vormals reichsständischen Hnnses Herburg" schreibt und sich was darauf<lb/> zu Gute thut, „aktenmäßig festzustellen, daß Wilhelm Franz Johann, nicht wie<lb/> bisher ausgemacht schien, Anno 1483, sondern schon 1481 die allvdiale Graf¬<lb/> schaft Scheer, Kaiser und Reich' zu Lehen auftrug und solches in ein Kunkel-<lb/> Lehen verwandelte"; die Schulmcisterswitwe Judica, die, eine verschämte Armut,<lb/> immer in Seide herumgeht und deswegen aus dem kürzlich mit gleißenden<lb/> schwarzen Wachstuche überzognen Sofa der Wäscherin, das glatt und fest wie<lb/> das Fell einer Trommel gespannt ist, keinen festen Halt gewinnen kann; und<lb/> endlich die rätselhaft stolze Schönheit Marie, die Unverstandene selbst, die keinen<lb/> Mann heiraten will, den sie nicht auch respektiren muß, und dabei so traurige<lb/> Erlebnisse hat — lauter Originale! Auch die ganz in Wehmut ansklingendc<lb/> Humoreske „Der gute Mond" gehört in diese Gruppe. Das Meisterstück jedoch<lb/> in der Charakterzeichnung, eine Leistung, die bedeutend ist nach jeder Richtung,<lb/> im sittlichen Gehalt und in der künstlerischen Ausgestaltung, ist die Gestalt des<lb/> jüdischen Kreisphysikus Doktor Adolf Rosenzweig in der gleichnamigen Novelle,<lb/> die wir schon oben genannt haben. Es ist schwer, den Reichtum dieser poe¬<lb/> tischen Schöpfung in wenig Worten anzudeuten. Mit der tiefsten Einsicht in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
Mario von Ebner > Lschenbach.
Junggesellen, in allen Überzeugungen einander schnurstracks entgegengesetzt, der
eine als Militär, der andre als Philosoph erzogen, jener konservativ, dieser ra¬
dikal. In einemfort zanken sie miteinander und scheuen durchaus nicht vor Grob¬
heiten zurück; aber die gemeinsame Liebe zu dem ererbten Stammgute, das sie mit
hingebender Liebe bewirtschaften, verknüpft sie unlöslich. Daß sie sich in Wahr¬
heit lieben, den Zank nicht mehr missen können und sich unentbehrlich geworden
sind, lernen sie im Verlauf der heitern gemeinsamen Liebesgeschichte kennen, die
doch keinem zu der ersehnten Hausfrau verhilft. Auch die tragische Huude-
geschichte „Krambambnli" gehört hierher- Ein Hund, der im Zwiespalt der
Pflichten, der Liebe zu zwei Herren, die sich als Wilddieb und Forstwart feind¬
lich gegenüberstehen, jämmerlich krepirt; natürlich ist trotz der Hundetragödic
die Figur des passivnirten Hundefreundes, des Jägers, poetisch die Hauptsache.
Ein heiteres Gegenstück zu der bedeutsameren Hundegeschichte, die Ferdinand
von Saar in seiner besten Novelle, in „Tambi," geliefert hat. Die Gestalt des
gutmütigen Pvltrons Kamnitzki aus der Erzählung „Nach dem Tode" gehört
gleichfalls hierher. Eine ganze Reihe von humoristischen Originalen enthält
die neue Dorf- und Schloßgeschichte „Die Unverstandene auf dem Dorfe." Gleich
die Mutter der Heldin, die Waschfrau Josefa, die selbst eine trostlose Ehe ge¬
führt hat mit einem rohen Trunkenbolde von Gatten, vor Eifer jedoch brennt,
ihre Tochter Marie unter die Haube zu bringen, und sie richtig ins Unglück
führt, als sie sie dem Prahlhans Walter, dem llss-ä-M-oonr des Fürsten im
Schlosse, in die Ehe giebt, ist ein humoristisches Original. Und dann der
weinerliche Schuft Walter, der hinter Liebkosungen seine Brutalität verbirgt;
der alte Kanzleirat, der eine umfangreiche „Darstellung der Rechtsverhältnisse
des vormals reichsständischen Hnnses Herburg" schreibt und sich was darauf
zu Gute thut, „aktenmäßig festzustellen, daß Wilhelm Franz Johann, nicht wie
bisher ausgemacht schien, Anno 1483, sondern schon 1481 die allvdiale Graf¬
schaft Scheer, Kaiser und Reich' zu Lehen auftrug und solches in ein Kunkel-
Lehen verwandelte"; die Schulmcisterswitwe Judica, die, eine verschämte Armut,
immer in Seide herumgeht und deswegen aus dem kürzlich mit gleißenden
schwarzen Wachstuche überzognen Sofa der Wäscherin, das glatt und fest wie
das Fell einer Trommel gespannt ist, keinen festen Halt gewinnen kann; und
endlich die rätselhaft stolze Schönheit Marie, die Unverstandene selbst, die keinen
Mann heiraten will, den sie nicht auch respektiren muß, und dabei so traurige
Erlebnisse hat — lauter Originale! Auch die ganz in Wehmut ansklingendc
Humoreske „Der gute Mond" gehört in diese Gruppe. Das Meisterstück jedoch
in der Charakterzeichnung, eine Leistung, die bedeutend ist nach jeder Richtung,
im sittlichen Gehalt und in der künstlerischen Ausgestaltung, ist die Gestalt des
jüdischen Kreisphysikus Doktor Adolf Rosenzweig in der gleichnamigen Novelle,
die wir schon oben genannt haben. Es ist schwer, den Reichtum dieser poe¬
tischen Schöpfung in wenig Worten anzudeuten. Mit der tiefsten Einsicht in
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