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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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des Notenumlaufs ist, die den Rückgang der Valuta bewirkt, und daß also
auch eine Minderung dieser Ziffer zur Herstellung der Parität nicht genügt.
Bei der Ausdehnung des Reiches ist eine Notenmenge von 1046,4 Millionen
Rubel, wie sie die Bilanz der Reichsbank vom 31. März 1836 aufweist, im
Vergleich mit andern Ländern nicht zu hoch. Der Papierrubel muß dort teil¬
weise noch die Aufgabe erfüllen, welche bei uns der Giro- und Checkverkehr
bereits übernommen hat. Die Noten wandern von Hand zu Hand. Sie sind
im Kleinhandel der Provinzen unentbehrlich. Ja es ist sogar noch während des
Krimkrieges vorgekommen, daß man für größere Beträge Kreditbillets ein Agio
zahlte. Reisende Kaufleute zogen das Papier dem schwereren Silber vor. Eine
große Notcnmeuge ist demnach in Nußland ein lokales Bedürfnis.

Selbstverständlich muß auch die Vermehrung des Metallfouds mit der
Notenemission Schritt halten. Dies ist in Nußland nicht geschehen. Der Metall¬
schatz der Bank von 171,4 Millionen, der Ende März d. I. den obige"
1046,4 Millionen Kreditbillets gegenüberstand, kann sicher nicht als ausreichend
erachtet werden. Wie hoch er zu bemessen sein würde, um die Parität herzu¬
stellen, dies zu bestimmen dürfte indessen äußerst schwierig sein. Ein Normal¬
verhältnis giebt es nicht. Sicherlich wächst die Gefahr einer Kursentwertung
mit der absoluten Höhe der Umlaufsziffer. Bei einem Nvteuumlcinf von
400 Millionen z. B. wird bei friedlichen Verhältnissen ein Metallstock von
100 Millionen ausreichen, während eine Papiergeldmenge von zwei Milliarden
durch eine Deckung von ^ oder selbst ^ noch nicht immer genügend gesichert
ist. Entscheidend für diese Frage ist der Stand der Handelsbilanz, der Goldbesitz,
der sich in Privathandel: befindet, und das Kreditwesen des Landes. In letzterer
Hinsicht kann Nußland weit eher einer hohen Metallreserve entbehren, als Staaten
wie z. B. England und Frankreich. Eine Rückforderung von Einlagen wird
bei den großen Entfernungen schwierig und kann selbst in kritischen Zeiten nicht
gleichzeitig erfolgen. Die Gefahr eines entleerenden Kassensturzes ist dort geringer.
Alles dies findet seine Erklärung zum Teil in der eigentümlichen Trägheit des
Verkehrslebens, welche die Folge der ungeheuern Ausdehnung des Reiches ist.
Während im übrigen Europa entscheidende Ereignisse mit Blitzesschnelle von der
Geschäftswelt erfahren, empfunden und ausgebeutet werden, gehen dort politische
wie kommerzielle Krisen für den Geldmarkt der entlegnen Provinzen meistens
spurlos vorüber. Der Kapitalist in Sibirien, Astrachan oder Kaukasien hat sich
sicherlich weder durch die Handelskrisis von 1857 noch durch die Kriegsereignisse
von 1866 und 1870 verleiten lasse", seine Gelder von der Petersburger Baut
zurückzufordern, um darin g, 19. daissö zu spekuliren. Deun er weiß sehr wohl,
daß, bevor seine Reklamation die Bank erreicht, die Weltlage wieder eine neue
Gestalt angenommen haben muß. Bei den großem Entfernungen würden die
Ausgaben für Maklercourtage, Porto, Assekuranzgebühr, in Verbindung mit dem
Zinsvcrluste, während der laugen Wanderzeit des Geldes den erhofften Gewinn


des Notenumlaufs ist, die den Rückgang der Valuta bewirkt, und daß also
auch eine Minderung dieser Ziffer zur Herstellung der Parität nicht genügt.
Bei der Ausdehnung des Reiches ist eine Notenmenge von 1046,4 Millionen
Rubel, wie sie die Bilanz der Reichsbank vom 31. März 1836 aufweist, im
Vergleich mit andern Ländern nicht zu hoch. Der Papierrubel muß dort teil¬
weise noch die Aufgabe erfüllen, welche bei uns der Giro- und Checkverkehr
bereits übernommen hat. Die Noten wandern von Hand zu Hand. Sie sind
im Kleinhandel der Provinzen unentbehrlich. Ja es ist sogar noch während des
Krimkrieges vorgekommen, daß man für größere Beträge Kreditbillets ein Agio
zahlte. Reisende Kaufleute zogen das Papier dem schwereren Silber vor. Eine
große Notcnmeuge ist demnach in Nußland ein lokales Bedürfnis.

Selbstverständlich muß auch die Vermehrung des Metallfouds mit der
Notenemission Schritt halten. Dies ist in Nußland nicht geschehen. Der Metall¬
schatz der Bank von 171,4 Millionen, der Ende März d. I. den obige»
1046,4 Millionen Kreditbillets gegenüberstand, kann sicher nicht als ausreichend
erachtet werden. Wie hoch er zu bemessen sein würde, um die Parität herzu¬
stellen, dies zu bestimmen dürfte indessen äußerst schwierig sein. Ein Normal¬
verhältnis giebt es nicht. Sicherlich wächst die Gefahr einer Kursentwertung
mit der absoluten Höhe der Umlaufsziffer. Bei einem Nvteuumlcinf von
400 Millionen z. B. wird bei friedlichen Verhältnissen ein Metallstock von
100 Millionen ausreichen, während eine Papiergeldmenge von zwei Milliarden
durch eine Deckung von ^ oder selbst ^ noch nicht immer genügend gesichert
ist. Entscheidend für diese Frage ist der Stand der Handelsbilanz, der Goldbesitz,
der sich in Privathandel: befindet, und das Kreditwesen des Landes. In letzterer
Hinsicht kann Nußland weit eher einer hohen Metallreserve entbehren, als Staaten
wie z. B. England und Frankreich. Eine Rückforderung von Einlagen wird
bei den großen Entfernungen schwierig und kann selbst in kritischen Zeiten nicht
gleichzeitig erfolgen. Die Gefahr eines entleerenden Kassensturzes ist dort geringer.
Alles dies findet seine Erklärung zum Teil in der eigentümlichen Trägheit des
Verkehrslebens, welche die Folge der ungeheuern Ausdehnung des Reiches ist.
Während im übrigen Europa entscheidende Ereignisse mit Blitzesschnelle von der
Geschäftswelt erfahren, empfunden und ausgebeutet werden, gehen dort politische
wie kommerzielle Krisen für den Geldmarkt der entlegnen Provinzen meistens
spurlos vorüber. Der Kapitalist in Sibirien, Astrachan oder Kaukasien hat sich
sicherlich weder durch die Handelskrisis von 1857 noch durch die Kriegsereignisse
von 1866 und 1870 verleiten lasse», seine Gelder von der Petersburger Baut
zurückzufordern, um darin g, 19. daissö zu spekuliren. Deun er weiß sehr wohl,
daß, bevor seine Reklamation die Bank erreicht, die Weltlage wieder eine neue
Gestalt angenommen haben muß. Bei den großem Entfernungen würden die
Ausgaben für Maklercourtage, Porto, Assekuranzgebühr, in Verbindung mit dem
Zinsvcrluste, während der laugen Wanderzeit des Geldes den erhofften Gewinn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/74>, abgerufen am 03.07.2024.