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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Rußlands Finanzen und die Entwertung seiner Valuta.

außerdem noch beträchtlich schmälern. Der Russe in der Provinz ist demnach
kein Spekulant, die Ausbeutung günstiger Konjunkturen verbleibt höchstens den
Petersburger und Moskaner Gruppen, weit mehr wird sie im Auslande, namentlich
in Deutschland, betrieben. Die Berliner Börse hat für die Spekulation in
russischen Noten eine besondre Vorliebe, und ein beträchtlicher Teil von Kredit-
billets bildet die Unterlage dieser Operationen.

Daß der Goldvorrat in den Händen russischer Privaten nicht unbeträchtlich
ist, wird von Kennern des Landes versichert. Außerdem verfügt aber die Re¬
gierung noch über ansehnliche Goldvorräte oder doch in Gold zählbare Obli¬
gationen, welche sie teils im Auslande, teils bei der Reichsbank deponirt hat.
Dieser Tresor, der nicht in der Metallreserve der Bank inbegriffen ist, den aber
die Regierung doch für dies Staatsinstitut verwenden könnte, mag immerhin
als ein metallisches Gegengewicht der Nvtenmcnge betrachtet werden. Daß das
Streben besteht, die schwebende Schuld zu verringern und auch die provisorisch
ausgegebnen Noten allmählich wieder einzuziehen, kann nicht geleugnet werden.
Ein Ukas vom l. Januar 1881 bestimmte, daß die damalige Schuld des Staates
an die Bank von 4VV Millionen Rubeln durch Jahresteile von je 50 Millionen
abgetragen werden sollte, welche in den Etat der außerordentlichen Ausgaben
einzustellen seien. Diese Abzahlung ist erfolgt, und das Guthabe" der Bank
beträgt jetzt nur noch 150 Millionen. Der Zweck dieser Maßregel war, wie
jeuer Ukas ausdrücklich erklärte, der Bank die Mittel zu gewähren, ihren An¬
forderungen zu genügen, auch "ohne zu neuen Kreditbilletemissioncn ihre Zuflucht
nehmen zu müssen, sich vielmehr zu bestreben, soweit als möglich die Menge
der zirkulirendcn Scheine zu vermindern." Weiter heißt es: Wir verordnen, "die
Scheine nach Maßgabe ihrer Anhäufung in den Küssen der Bank zu vernichten,
sich jedoch nach den Bedürfnissen des Geldumlaufs zu richten." Obwohl dieser
letztere Vorbehalt dem Finanzministerium eine Freiheit des Handelns gewährt,
die der geplanten Einziehung von Kreditscheinen nicht gerade förderlich sein
konnte, auch thatsächlich in dieser Weise gewirkt hat, so war doch wenigstens
das Prinzip, die Notenemission nicht in der bisherigen regellosen Weise fort¬
zusetzen, deutlich ausgesprochen.

Diese Klarheit des Ausdrucks ist anerkennenswert, wie aber soll das
Prinzip den Verhältnissen angepaßt werden? Wo liegt die Grenze, bei der das
Handelsbedürfnis aufhört und die ungesunde Spekulation beginnt? Welche
Zeichen deuten in einem Lande, wo das Papiergeld in Masse umläuft, darauf
hin, daß die Erzeugung dem Verbrauche vorauseile? Dies zu erkennen ist die
schwierigste Aufgabe der Staatsleitung. Die Grundgesetze des Tnuschverkehrs
verlangen, daß, wenn eine Schädigung großer Handelszweige vermieden werden
soll, Verbrauch und Produktion ein gleichmäßiges Tempo einhalten, wie die
Räder eines Wagens. Ist der Verbrauch stärker, so entsteht ein Steigen der
Preise und eine Beeinträchtigung des Nationalmohlstandes. Anderseits sind


Rußlands Finanzen und die Entwertung seiner Valuta.

außerdem noch beträchtlich schmälern. Der Russe in der Provinz ist demnach
kein Spekulant, die Ausbeutung günstiger Konjunkturen verbleibt höchstens den
Petersburger und Moskaner Gruppen, weit mehr wird sie im Auslande, namentlich
in Deutschland, betrieben. Die Berliner Börse hat für die Spekulation in
russischen Noten eine besondre Vorliebe, und ein beträchtlicher Teil von Kredit-
billets bildet die Unterlage dieser Operationen.

Daß der Goldvorrat in den Händen russischer Privaten nicht unbeträchtlich
ist, wird von Kennern des Landes versichert. Außerdem verfügt aber die Re¬
gierung noch über ansehnliche Goldvorräte oder doch in Gold zählbare Obli¬
gationen, welche sie teils im Auslande, teils bei der Reichsbank deponirt hat.
Dieser Tresor, der nicht in der Metallreserve der Bank inbegriffen ist, den aber
die Regierung doch für dies Staatsinstitut verwenden könnte, mag immerhin
als ein metallisches Gegengewicht der Nvtenmcnge betrachtet werden. Daß das
Streben besteht, die schwebende Schuld zu verringern und auch die provisorisch
ausgegebnen Noten allmählich wieder einzuziehen, kann nicht geleugnet werden.
Ein Ukas vom l. Januar 1881 bestimmte, daß die damalige Schuld des Staates
an die Bank von 4VV Millionen Rubeln durch Jahresteile von je 50 Millionen
abgetragen werden sollte, welche in den Etat der außerordentlichen Ausgaben
einzustellen seien. Diese Abzahlung ist erfolgt, und das Guthabe» der Bank
beträgt jetzt nur noch 150 Millionen. Der Zweck dieser Maßregel war, wie
jeuer Ukas ausdrücklich erklärte, der Bank die Mittel zu gewähren, ihren An¬
forderungen zu genügen, auch „ohne zu neuen Kreditbilletemissioncn ihre Zuflucht
nehmen zu müssen, sich vielmehr zu bestreben, soweit als möglich die Menge
der zirkulirendcn Scheine zu vermindern." Weiter heißt es: Wir verordnen, „die
Scheine nach Maßgabe ihrer Anhäufung in den Küssen der Bank zu vernichten,
sich jedoch nach den Bedürfnissen des Geldumlaufs zu richten." Obwohl dieser
letztere Vorbehalt dem Finanzministerium eine Freiheit des Handelns gewährt,
die der geplanten Einziehung von Kreditscheinen nicht gerade förderlich sein
konnte, auch thatsächlich in dieser Weise gewirkt hat, so war doch wenigstens
das Prinzip, die Notenemission nicht in der bisherigen regellosen Weise fort¬
zusetzen, deutlich ausgesprochen.

Diese Klarheit des Ausdrucks ist anerkennenswert, wie aber soll das
Prinzip den Verhältnissen angepaßt werden? Wo liegt die Grenze, bei der das
Handelsbedürfnis aufhört und die ungesunde Spekulation beginnt? Welche
Zeichen deuten in einem Lande, wo das Papiergeld in Masse umläuft, darauf
hin, daß die Erzeugung dem Verbrauche vorauseile? Dies zu erkennen ist die
schwierigste Aufgabe der Staatsleitung. Die Grundgesetze des Tnuschverkehrs
verlangen, daß, wenn eine Schädigung großer Handelszweige vermieden werden
soll, Verbrauch und Produktion ein gleichmäßiges Tempo einhalten, wie die
Räder eines Wagens. Ist der Verbrauch stärker, so entsteht ein Steigen der
Preise und eine Beeinträchtigung des Nationalmohlstandes. Anderseits sind


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[0075] Rußlands Finanzen und die Entwertung seiner Valuta. außerdem noch beträchtlich schmälern. Der Russe in der Provinz ist demnach kein Spekulant, die Ausbeutung günstiger Konjunkturen verbleibt höchstens den Petersburger und Moskaner Gruppen, weit mehr wird sie im Auslande, namentlich in Deutschland, betrieben. Die Berliner Börse hat für die Spekulation in russischen Noten eine besondre Vorliebe, und ein beträchtlicher Teil von Kredit- billets bildet die Unterlage dieser Operationen. Daß der Goldvorrat in den Händen russischer Privaten nicht unbeträchtlich ist, wird von Kennern des Landes versichert. Außerdem verfügt aber die Re¬ gierung noch über ansehnliche Goldvorräte oder doch in Gold zählbare Obli¬ gationen, welche sie teils im Auslande, teils bei der Reichsbank deponirt hat. Dieser Tresor, der nicht in der Metallreserve der Bank inbegriffen ist, den aber die Regierung doch für dies Staatsinstitut verwenden könnte, mag immerhin als ein metallisches Gegengewicht der Nvtenmcnge betrachtet werden. Daß das Streben besteht, die schwebende Schuld zu verringern und auch die provisorisch ausgegebnen Noten allmählich wieder einzuziehen, kann nicht geleugnet werden. Ein Ukas vom l. Januar 1881 bestimmte, daß die damalige Schuld des Staates an die Bank von 4VV Millionen Rubeln durch Jahresteile von je 50 Millionen abgetragen werden sollte, welche in den Etat der außerordentlichen Ausgaben einzustellen seien. Diese Abzahlung ist erfolgt, und das Guthabe» der Bank beträgt jetzt nur noch 150 Millionen. Der Zweck dieser Maßregel war, wie jeuer Ukas ausdrücklich erklärte, der Bank die Mittel zu gewähren, ihren An¬ forderungen zu genügen, auch „ohne zu neuen Kreditbilletemissioncn ihre Zuflucht nehmen zu müssen, sich vielmehr zu bestreben, soweit als möglich die Menge der zirkulirendcn Scheine zu vermindern." Weiter heißt es: Wir verordnen, „die Scheine nach Maßgabe ihrer Anhäufung in den Küssen der Bank zu vernichten, sich jedoch nach den Bedürfnissen des Geldumlaufs zu richten." Obwohl dieser letztere Vorbehalt dem Finanzministerium eine Freiheit des Handelns gewährt, die der geplanten Einziehung von Kreditscheinen nicht gerade förderlich sein konnte, auch thatsächlich in dieser Weise gewirkt hat, so war doch wenigstens das Prinzip, die Notenemission nicht in der bisherigen regellosen Weise fort¬ zusetzen, deutlich ausgesprochen. Diese Klarheit des Ausdrucks ist anerkennenswert, wie aber soll das Prinzip den Verhältnissen angepaßt werden? Wo liegt die Grenze, bei der das Handelsbedürfnis aufhört und die ungesunde Spekulation beginnt? Welche Zeichen deuten in einem Lande, wo das Papiergeld in Masse umläuft, darauf hin, daß die Erzeugung dem Verbrauche vorauseile? Dies zu erkennen ist die schwierigste Aufgabe der Staatsleitung. Die Grundgesetze des Tnuschverkehrs verlangen, daß, wenn eine Schädigung großer Handelszweige vermieden werden soll, Verbrauch und Produktion ein gleichmäßiges Tempo einhalten, wie die Räder eines Wagens. Ist der Verbrauch stärker, so entsteht ein Steigen der Preise und eine Beeinträchtigung des Nationalmohlstandes. Anderseits sind

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/75>, abgerufen am 22.07.2024.