Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Papiere auf. Während der militärischen Operationen 1877 und 1878 fehlte es
dem Finanzminister nicht an Geld. Was die Anleihen nicht lieferten, wurde durch
Papiergeldemission geschaffen. Erst dem Nachfolger des Herrn von Reutern, dem
General Greig, fiel die schwere Aufgabe zu, die Lasten des Krieges auf die Be¬
völkerung zu verteilen und das Gleichgewicht im Staatshaushalte wiederherzu¬
stellen. Es galt, die Kosten der Okkupation und der Rücktransporte der Truppen
nach der Heimat zu bestreikn, das Kriegsmaterial wieder in Stand zu setzen
und die erhöhte Zinsenlast der auswärtigen Schuld zu decken. Außerdem er¬
forderten die Expedition gegen die Turkmenen und die Schutzmaßregeln gegen
China neue außerordentliche Ausgaben. Dazu kam, daß die Ernte von 1879
eine mittelmäßige, die von 1880 in vielen Provinzen eine sehr schlechte war,
sodaß Nußland sich zum erstenmale genötigt sah, Weizen und Mais aus Ame¬
rika einzuführen. Dieser Rückschlag kam der Landwirtschaft umso unerwarteter,
als noch während des Krieges und trotz der Blockade der Pvntnshäfen Nu߬
land im Jahre 1877 über 60 Millionen Hektoliter Getreide ausgeführt hatte.
Die Verteuerung der Lebensmittel und die Entwertung des Papiergeldes wirkten
naturgemäß sehr ungünstig auf die Finanzlage des Landes. Das Problem einer
gerechten Steuererhöhung war nicht leicht zu lösen. Schon Herr von Reutern
hatte eine Besteuerung des Imports ins Auge gefaßt. Nachdem die Eingangs¬
zölle schon in frühern Jahren mehrmals erhöht worden waren, verordnete ein
Ukas vom November 1876 die EinHebung derselben in Gold, wobei die Zoll¬
ämter ermächtigt wurden, auch nicht russische Goldmünzen bei der Zahlung an¬
zunehmen. Diese verschleierte Zvllerhöhung führte eine Menge klingender Münze
ins Land, die demi schwindenden Metallvorrat des Reiches sehr zu statten kam.
Später wurden die Zölle noch mehrmals durch Zuschlage oder neue Tarife er¬
höht, was teilweise deren Erträgnis hob, teilweise auch als Begünstigung in¬
ländischer Fabrikate wirksam war. Die Skala der Zolleinnahmen in diesen
Jahren war: 1876: 71 Mill., 1877: 52, 1878: 79, 1879: 91, 1880: 95,
1881: 84, 1882: 100, 1883: 101. Die Unterbrechung der aufsteigenden
Linie bei den Einkünften von 1877 und 1881 ist auf die jedesmalige Zollerhöhung
und die in den letzten Wochen des Vorjahres stattfindende antizipirte Einfuhr
zurückzuführen. An die Seite dieser Einnahmevermehrnng traten dann "och
1879 drei neue Steuern, und zwar auf: 1. Assekuranz, 2, Eisenbahufahrtaxcn,
3. rohe Baumwolle, sowie zwei Steuererhöhungcn: auf Spiritus und Wechsel¬
stempel.

Nachdem General Greig im November 1880 abgetreten war, führte Herr
Abaza, der bisherige Neichskvntroleur und neue Finanzminister, eine Erhöhung
der Patcntsteuern, der Lagergebühren in den Staatsentrepots und der Minen-
abgaben ein, welchen Mehreinnahmen allerdings die Aufhebung der Salzsteuer
gegenüberstand. Die Fümnzleitung Herrn Nbazas dauerte uur einige Monate.
Unter seinem Nachfolger, Herrn Bunge, der noch gegenwärtig das Finanz-


Papiere auf. Während der militärischen Operationen 1877 und 1878 fehlte es
dem Finanzminister nicht an Geld. Was die Anleihen nicht lieferten, wurde durch
Papiergeldemission geschaffen. Erst dem Nachfolger des Herrn von Reutern, dem
General Greig, fiel die schwere Aufgabe zu, die Lasten des Krieges auf die Be¬
völkerung zu verteilen und das Gleichgewicht im Staatshaushalte wiederherzu¬
stellen. Es galt, die Kosten der Okkupation und der Rücktransporte der Truppen
nach der Heimat zu bestreikn, das Kriegsmaterial wieder in Stand zu setzen
und die erhöhte Zinsenlast der auswärtigen Schuld zu decken. Außerdem er¬
forderten die Expedition gegen die Turkmenen und die Schutzmaßregeln gegen
China neue außerordentliche Ausgaben. Dazu kam, daß die Ernte von 1879
eine mittelmäßige, die von 1880 in vielen Provinzen eine sehr schlechte war,
sodaß Nußland sich zum erstenmale genötigt sah, Weizen und Mais aus Ame¬
rika einzuführen. Dieser Rückschlag kam der Landwirtschaft umso unerwarteter,
als noch während des Krieges und trotz der Blockade der Pvntnshäfen Nu߬
land im Jahre 1877 über 60 Millionen Hektoliter Getreide ausgeführt hatte.
Die Verteuerung der Lebensmittel und die Entwertung des Papiergeldes wirkten
naturgemäß sehr ungünstig auf die Finanzlage des Landes. Das Problem einer
gerechten Steuererhöhung war nicht leicht zu lösen. Schon Herr von Reutern
hatte eine Besteuerung des Imports ins Auge gefaßt. Nachdem die Eingangs¬
zölle schon in frühern Jahren mehrmals erhöht worden waren, verordnete ein
Ukas vom November 1876 die EinHebung derselben in Gold, wobei die Zoll¬
ämter ermächtigt wurden, auch nicht russische Goldmünzen bei der Zahlung an¬
zunehmen. Diese verschleierte Zvllerhöhung führte eine Menge klingender Münze
ins Land, die demi schwindenden Metallvorrat des Reiches sehr zu statten kam.
Später wurden die Zölle noch mehrmals durch Zuschlage oder neue Tarife er¬
höht, was teilweise deren Erträgnis hob, teilweise auch als Begünstigung in¬
ländischer Fabrikate wirksam war. Die Skala der Zolleinnahmen in diesen
Jahren war: 1876: 71 Mill., 1877: 52, 1878: 79, 1879: 91, 1880: 95,
1881: 84, 1882: 100, 1883: 101. Die Unterbrechung der aufsteigenden
Linie bei den Einkünften von 1877 und 1881 ist auf die jedesmalige Zollerhöhung
und die in den letzten Wochen des Vorjahres stattfindende antizipirte Einfuhr
zurückzuführen. An die Seite dieser Einnahmevermehrnng traten dann »och
1879 drei neue Steuern, und zwar auf: 1. Assekuranz, 2, Eisenbahufahrtaxcn,
3. rohe Baumwolle, sowie zwei Steuererhöhungcn: auf Spiritus und Wechsel¬
stempel.

Nachdem General Greig im November 1880 abgetreten war, führte Herr
Abaza, der bisherige Neichskvntroleur und neue Finanzminister, eine Erhöhung
der Patcntsteuern, der Lagergebühren in den Staatsentrepots und der Minen-
abgaben ein, welchen Mehreinnahmen allerdings die Aufhebung der Salzsteuer
gegenüberstand. Die Fümnzleitung Herrn Nbazas dauerte uur einige Monate.
Unter seinem Nachfolger, Herrn Bunge, der noch gegenwärtig das Finanz-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0070" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198790"/>
            <fw type="header" place="top"/><lb/>
            <p xml:id="ID_195" prev="#ID_194"> Papiere auf. Während der militärischen Operationen 1877 und 1878 fehlte es<lb/>
dem Finanzminister nicht an Geld. Was die Anleihen nicht lieferten, wurde durch<lb/>
Papiergeldemission geschaffen. Erst dem Nachfolger des Herrn von Reutern, dem<lb/>
General Greig, fiel die schwere Aufgabe zu, die Lasten des Krieges auf die Be¬<lb/>
völkerung zu verteilen und das Gleichgewicht im Staatshaushalte wiederherzu¬<lb/>
stellen. Es galt, die Kosten der Okkupation und der Rücktransporte der Truppen<lb/>
nach der Heimat zu bestreikn, das Kriegsmaterial wieder in Stand zu setzen<lb/>
und die erhöhte Zinsenlast der auswärtigen Schuld zu decken. Außerdem er¬<lb/>
forderten die Expedition gegen die Turkmenen und die Schutzmaßregeln gegen<lb/>
China neue außerordentliche Ausgaben. Dazu kam, daß die Ernte von 1879<lb/>
eine mittelmäßige, die von 1880 in vielen Provinzen eine sehr schlechte war,<lb/>
sodaß Nußland sich zum erstenmale genötigt sah, Weizen und Mais aus Ame¬<lb/>
rika einzuführen. Dieser Rückschlag kam der Landwirtschaft umso unerwarteter,<lb/>
als noch während des Krieges und trotz der Blockade der Pvntnshäfen Nu߬<lb/>
land im Jahre 1877 über 60 Millionen Hektoliter Getreide ausgeführt hatte.<lb/>
Die Verteuerung der Lebensmittel und die Entwertung des Papiergeldes wirkten<lb/>
naturgemäß sehr ungünstig auf die Finanzlage des Landes. Das Problem einer<lb/>
gerechten Steuererhöhung war nicht leicht zu lösen. Schon Herr von Reutern<lb/>
hatte eine Besteuerung des Imports ins Auge gefaßt. Nachdem die Eingangs¬<lb/>
zölle schon in frühern Jahren mehrmals erhöht worden waren, verordnete ein<lb/>
Ukas vom November 1876 die EinHebung derselben in Gold, wobei die Zoll¬<lb/>
ämter ermächtigt wurden, auch nicht russische Goldmünzen bei der Zahlung an¬<lb/>
zunehmen. Diese verschleierte Zvllerhöhung führte eine Menge klingender Münze<lb/>
ins Land, die demi schwindenden Metallvorrat des Reiches sehr zu statten kam.<lb/>
Später wurden die Zölle noch mehrmals durch Zuschlage oder neue Tarife er¬<lb/>
höht, was teilweise deren Erträgnis hob, teilweise auch als Begünstigung in¬<lb/>
ländischer Fabrikate wirksam war. Die Skala der Zolleinnahmen in diesen<lb/>
Jahren war: 1876: 71 Mill., 1877: 52, 1878: 79, 1879: 91, 1880: 95,<lb/>
1881: 84, 1882: 100, 1883: 101. Die Unterbrechung der aufsteigenden<lb/>
Linie bei den Einkünften von 1877 und 1881 ist auf die jedesmalige Zollerhöhung<lb/>
und die in den letzten Wochen des Vorjahres stattfindende antizipirte Einfuhr<lb/>
zurückzuführen. An die Seite dieser Einnahmevermehrnng traten dann »och<lb/>
1879 drei neue Steuern, und zwar auf: 1. Assekuranz, 2, Eisenbahufahrtaxcn,<lb/>
3. rohe Baumwolle, sowie zwei Steuererhöhungcn: auf Spiritus und Wechsel¬<lb/>
stempel.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_196" next="#ID_197"> Nachdem General Greig im November 1880 abgetreten war, führte Herr<lb/>
Abaza, der bisherige Neichskvntroleur und neue Finanzminister, eine Erhöhung<lb/>
der Patcntsteuern, der Lagergebühren in den Staatsentrepots und der Minen-<lb/>
abgaben ein, welchen Mehreinnahmen allerdings die Aufhebung der Salzsteuer<lb/>
gegenüberstand. Die Fümnzleitung Herrn Nbazas dauerte uur einige Monate.<lb/>
Unter seinem Nachfolger, Herrn Bunge, der noch gegenwärtig das Finanz-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0070] Papiere auf. Während der militärischen Operationen 1877 und 1878 fehlte es dem Finanzminister nicht an Geld. Was die Anleihen nicht lieferten, wurde durch Papiergeldemission geschaffen. Erst dem Nachfolger des Herrn von Reutern, dem General Greig, fiel die schwere Aufgabe zu, die Lasten des Krieges auf die Be¬ völkerung zu verteilen und das Gleichgewicht im Staatshaushalte wiederherzu¬ stellen. Es galt, die Kosten der Okkupation und der Rücktransporte der Truppen nach der Heimat zu bestreikn, das Kriegsmaterial wieder in Stand zu setzen und die erhöhte Zinsenlast der auswärtigen Schuld zu decken. Außerdem er¬ forderten die Expedition gegen die Turkmenen und die Schutzmaßregeln gegen China neue außerordentliche Ausgaben. Dazu kam, daß die Ernte von 1879 eine mittelmäßige, die von 1880 in vielen Provinzen eine sehr schlechte war, sodaß Nußland sich zum erstenmale genötigt sah, Weizen und Mais aus Ame¬ rika einzuführen. Dieser Rückschlag kam der Landwirtschaft umso unerwarteter, als noch während des Krieges und trotz der Blockade der Pvntnshäfen Nu߬ land im Jahre 1877 über 60 Millionen Hektoliter Getreide ausgeführt hatte. Die Verteuerung der Lebensmittel und die Entwertung des Papiergeldes wirkten naturgemäß sehr ungünstig auf die Finanzlage des Landes. Das Problem einer gerechten Steuererhöhung war nicht leicht zu lösen. Schon Herr von Reutern hatte eine Besteuerung des Imports ins Auge gefaßt. Nachdem die Eingangs¬ zölle schon in frühern Jahren mehrmals erhöht worden waren, verordnete ein Ukas vom November 1876 die EinHebung derselben in Gold, wobei die Zoll¬ ämter ermächtigt wurden, auch nicht russische Goldmünzen bei der Zahlung an¬ zunehmen. Diese verschleierte Zvllerhöhung führte eine Menge klingender Münze ins Land, die demi schwindenden Metallvorrat des Reiches sehr zu statten kam. Später wurden die Zölle noch mehrmals durch Zuschlage oder neue Tarife er¬ höht, was teilweise deren Erträgnis hob, teilweise auch als Begünstigung in¬ ländischer Fabrikate wirksam war. Die Skala der Zolleinnahmen in diesen Jahren war: 1876: 71 Mill., 1877: 52, 1878: 79, 1879: 91, 1880: 95, 1881: 84, 1882: 100, 1883: 101. Die Unterbrechung der aufsteigenden Linie bei den Einkünften von 1877 und 1881 ist auf die jedesmalige Zollerhöhung und die in den letzten Wochen des Vorjahres stattfindende antizipirte Einfuhr zurückzuführen. An die Seite dieser Einnahmevermehrnng traten dann »och 1879 drei neue Steuern, und zwar auf: 1. Assekuranz, 2, Eisenbahufahrtaxcn, 3. rohe Baumwolle, sowie zwei Steuererhöhungcn: auf Spiritus und Wechsel¬ stempel. Nachdem General Greig im November 1880 abgetreten war, führte Herr Abaza, der bisherige Neichskvntroleur und neue Finanzminister, eine Erhöhung der Patcntsteuern, der Lagergebühren in den Staatsentrepots und der Minen- abgaben ein, welchen Mehreinnahmen allerdings die Aufhebung der Salzsteuer gegenüberstand. Die Fümnzleitung Herrn Nbazas dauerte uur einige Monate. Unter seinem Nachfolger, Herrn Bunge, der noch gegenwärtig das Finanz-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/70
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/70>, abgerufen am 03.07.2024.