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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Portefeuille inne hat, wurde die Aufhebung der Kopfsteuer angebahnt. Es war
dies ein Lieblingsgedankc Kaiser Alexanders II, gewesen und stand mit dessen
bürgerlichem Reformwerk in engem Zusammenhang. Der regierende Zar hat
die Durchführung dieses Planes wieder aufgenommen und eine Verminderung
der Nücktaufsgelder, sowie die Umwandlung der Kopfsteuer in eine den Grund¬
besitz treffende Anlage angeordnet. Die Aufhebung der Kopfsteuer, welche
1880 noch einen Ertrag von 57 Mill. ergab, erforderte die Ausschließung neuer
Steuerquclleu, deren Durchführung noch nicht vollendet ist.

Alle diese Maßnahmen der Steuerpolitik haben nicht ohne eine neue Ver¬
mehrung des Papiergeldbestandes ins Leben gerufen werden können; dieselbe
belief sich am I. Januar 1880 auf 1162 Mill. und beträgt gegenwärtig etwa
1046 Mill. Die gesamte Staatsschuld war unter den Ansprüchen an den äußern
Kredit bedeutend angewachsen. Von 1876 bis 1878 betrug ihre Vermehrung
durch die Anleihen 1 Milliarde Rubel und 16 Mill. Pfund Sterling. Am
1. Januar 1881 erwies der Stand der fundirten Schuld 1753 Mill. Rubel
Papier, 82,4 Mill. holl. Gulden und 44,4 Mill. Pfd. Se. Der letzte Finanz-
cmsweis vom 1. Januar 1885 ergiebt 1938 Mill. Rubel P., 73 Mill. holl. Gulden
und 41 Mill. Pfd. Se. Rechnet man zu diesen Beträgen noch die Summe
der ungedeckte" Kreditbillete mit 546 Mill. Rubel P., die unverzinsliche Schuld
des Schatzes an die Reichsbank mit 210 Mill. Rubel P. und die Eisenbahn¬
schuld mit 1314 Mill. Rubel P., so erhält man eine Gesamtschuldeulast vou
4483 Mill. Rubel P. oder (zum Kurse von 2 Mark für den Rubel) 8966 Mill.
Mark.


5.

Kehren wir nach diefem flüchtigen Umblick auf dem Gebiete des Staats¬
schuldenwesens zu dem eigentlichen Thema unsrer Abhandlung, den Valuten-
Verhältnissen, zurück. Die innern Ursachen des tiefen Standes glaube ich eingehend
genug erörtert zu haben. Auf die Erkenntnis dieser Ursachen muß jeder Plau
einer Sanirung der gegenwärtigen Zustünde begründet werden. Wir wollen im
nachstehenden nur den Weg skizziren, der allein zum Ziele führt. Zunächst
aber muß man sich darüber klar sein, daß der russische Kredit weit weniger von
dem niedrigen Stande des Wechselkurses als von den Schwankungen der Valuta
zu leiden hat. Nicht der tiefe Stand der Valuta an sich, sondern die Unsicher¬
heit des Tauschwertes ist es, welche lähmend und beengend auf dem Außenhandel
lastet und damit das wirksamste Mittel zur Mctalleinführung abschwächt.

Der Wert jedes Papiergeldes, dessen Einlösung unterbrochen ist, beruht auf
den drei Elementen der Umlaufsmeuge, der Metalldecknng und der Hoffnung auf
bevorstehende Einlösung. Daß die Begrenzung der Umlaufsmenge schwer zu
definiren ist, habe ich schon oben dargelegt. Auch der Deckungsbedarf ist kein für
alle Staaten und Zeiten gleichmüßiger. Wesentlich bleibt bei den verschiedenartigsten
Umständen allein der Grad von Hoffnung, welche die Besitzer des Papiergeldes


Portefeuille inne hat, wurde die Aufhebung der Kopfsteuer angebahnt. Es war
dies ein Lieblingsgedankc Kaiser Alexanders II, gewesen und stand mit dessen
bürgerlichem Reformwerk in engem Zusammenhang. Der regierende Zar hat
die Durchführung dieses Planes wieder aufgenommen und eine Verminderung
der Nücktaufsgelder, sowie die Umwandlung der Kopfsteuer in eine den Grund¬
besitz treffende Anlage angeordnet. Die Aufhebung der Kopfsteuer, welche
1880 noch einen Ertrag von 57 Mill. ergab, erforderte die Ausschließung neuer
Steuerquclleu, deren Durchführung noch nicht vollendet ist.

Alle diese Maßnahmen der Steuerpolitik haben nicht ohne eine neue Ver¬
mehrung des Papiergeldbestandes ins Leben gerufen werden können; dieselbe
belief sich am I. Januar 1880 auf 1162 Mill. und beträgt gegenwärtig etwa
1046 Mill. Die gesamte Staatsschuld war unter den Ansprüchen an den äußern
Kredit bedeutend angewachsen. Von 1876 bis 1878 betrug ihre Vermehrung
durch die Anleihen 1 Milliarde Rubel und 16 Mill. Pfund Sterling. Am
1. Januar 1881 erwies der Stand der fundirten Schuld 1753 Mill. Rubel
Papier, 82,4 Mill. holl. Gulden und 44,4 Mill. Pfd. Se. Der letzte Finanz-
cmsweis vom 1. Januar 1885 ergiebt 1938 Mill. Rubel P., 73 Mill. holl. Gulden
und 41 Mill. Pfd. Se. Rechnet man zu diesen Beträgen noch die Summe
der ungedeckte» Kreditbillete mit 546 Mill. Rubel P., die unverzinsliche Schuld
des Schatzes an die Reichsbank mit 210 Mill. Rubel P. und die Eisenbahn¬
schuld mit 1314 Mill. Rubel P., so erhält man eine Gesamtschuldeulast vou
4483 Mill. Rubel P. oder (zum Kurse von 2 Mark für den Rubel) 8966 Mill.
Mark.


5.

Kehren wir nach diefem flüchtigen Umblick auf dem Gebiete des Staats¬
schuldenwesens zu dem eigentlichen Thema unsrer Abhandlung, den Valuten-
Verhältnissen, zurück. Die innern Ursachen des tiefen Standes glaube ich eingehend
genug erörtert zu haben. Auf die Erkenntnis dieser Ursachen muß jeder Plau
einer Sanirung der gegenwärtigen Zustünde begründet werden. Wir wollen im
nachstehenden nur den Weg skizziren, der allein zum Ziele führt. Zunächst
aber muß man sich darüber klar sein, daß der russische Kredit weit weniger von
dem niedrigen Stande des Wechselkurses als von den Schwankungen der Valuta
zu leiden hat. Nicht der tiefe Stand der Valuta an sich, sondern die Unsicher¬
heit des Tauschwertes ist es, welche lähmend und beengend auf dem Außenhandel
lastet und damit das wirksamste Mittel zur Mctalleinführung abschwächt.

Der Wert jedes Papiergeldes, dessen Einlösung unterbrochen ist, beruht auf
den drei Elementen der Umlaufsmeuge, der Metalldecknng und der Hoffnung auf
bevorstehende Einlösung. Daß die Begrenzung der Umlaufsmenge schwer zu
definiren ist, habe ich schon oben dargelegt. Auch der Deckungsbedarf ist kein für
alle Staaten und Zeiten gleichmüßiger. Wesentlich bleibt bei den verschiedenartigsten
Umständen allein der Grad von Hoffnung, welche die Besitzer des Papiergeldes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/71>, abgerufen am 03.07.2024.