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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Lhroni? derer von Riffelshauson.

Der allsgesandte Wagen kam auch pünktlich zurück, aber ohne den Arzt.
Doktor Petri war, wie gewöhnlich, nicht zu Hause gewesen.

Seine Leute wollen ihn schicken, sobald er kommt, meldete der Ignaz.

Der unausstehliche Mensch! schalt die Haushälterin, wozu ist er Doktor,
wenn man ihn nicht zu rechter Zeit erlangen kann!

Danda lachte sie aus. Er fühlte sich jetzt wohler und hatte Lust, zu
schlafen, doch dürfe sie ihn nicht allein lassen.

So nahm Fräulein Flora ihren Platz geduldig wieder ein.

Daida schlief unruhig und nur auf Minuten. Es dunkelte bereits, und
Doktor Petri kam noch nicht. Endlich, es mochte gegen neun Uhr sein, rollte ein
Wagen in den Hof. Ignaz erschien in der Thür und meldete mit gedämpfter
Stimme: Der Herr --

Nur herein! herein! unterbrach ihn Fräulein Flora, es ist hohe Zeit.

Der Ignaz ging, und sie beugte sich über den Kranken, um zu sehen, ob
er schliefe. Es schien nicht so. Er bewegte die Hand. Als sie wieder aufsah,
entfuhr ihr ein leiser Schrei; denn vor ihr stand nicht Doktor Petri, sondern
Freiherr von Riffelshciuscn.

Ich habe ein paar Worte mit dem Grafen zu reden, sagte er mit einer
höflichen Verbeugung, darum muß ich Sie bitte", mich zu entschuldigen.

Aber mein Herr Baron, das ist unmöglich! Sehen Sie denn nicht, in
welchem Zustande der Graf sich befindet?

Danda, der bei des Hofmarschalls Stimme zusammengefahren war, hatte
sich aufgerichtet und sagte jetzt ruhig: Gehe" Sie, Fräulein Flora, ich wünsche
es ebenfalls.

Sie schlang die Enden ihres schwarzen Kopftuchs in einander und ging;
allerdings nur bis in das Nebenzimmer.

Der Hofmarschcill setzte sich auf den Stuhl, der neben dem Bett stand,
und kreuzte die Arme auf der Lehne. Ich bringe Ihnen etwas, das Sie in
Siebcnhofcn haben liegen lassen, sagte er mit Ruhe, uuter der man den Zorn
kochen fühlte. Er warf den Handschuh auf das Bett.

Der Graf beachtete den verräterischen Gegenstand wenig. Bei diesem schreck¬
lichen Wetter! sagte er, wahrlich zu viel Güte und eine ganz unnötige Mühe.

Nicht unnötig, da Sie sonst vielleicht auf den Gedanken gekommen wären,
ihn selbst zu holen, und ich nicht wünsche -- der Hofmarschall erhob die
Stimme --, daß Sie je wieder mein Haus betreten. Ja, Danda, gegen
dieses Haus, das Sie mit Freundschaft und Vertrauen aufnahm, haben Sie
gehandelt wie ein Schurke!

Wozu der Lärm? Da Sie sich einen Gegenbesuch verbitten, werde ich
mir erlauben, einen Freund zu schicken.

Diese Gelassenheit brachte Niffelshauseu um den Nest seiner Fassung.
Er sprang auf; seine Augen flammten, seine Hände ballten sich krampfhaft.


Aus der Lhroni? derer von Riffelshauson.

Der allsgesandte Wagen kam auch pünktlich zurück, aber ohne den Arzt.
Doktor Petri war, wie gewöhnlich, nicht zu Hause gewesen.

Seine Leute wollen ihn schicken, sobald er kommt, meldete der Ignaz.

Der unausstehliche Mensch! schalt die Haushälterin, wozu ist er Doktor,
wenn man ihn nicht zu rechter Zeit erlangen kann!

Danda lachte sie aus. Er fühlte sich jetzt wohler und hatte Lust, zu
schlafen, doch dürfe sie ihn nicht allein lassen.

So nahm Fräulein Flora ihren Platz geduldig wieder ein.

Daida schlief unruhig und nur auf Minuten. Es dunkelte bereits, und
Doktor Petri kam noch nicht. Endlich, es mochte gegen neun Uhr sein, rollte ein
Wagen in den Hof. Ignaz erschien in der Thür und meldete mit gedämpfter
Stimme: Der Herr —

Nur herein! herein! unterbrach ihn Fräulein Flora, es ist hohe Zeit.

Der Ignaz ging, und sie beugte sich über den Kranken, um zu sehen, ob
er schliefe. Es schien nicht so. Er bewegte die Hand. Als sie wieder aufsah,
entfuhr ihr ein leiser Schrei; denn vor ihr stand nicht Doktor Petri, sondern
Freiherr von Riffelshciuscn.

Ich habe ein paar Worte mit dem Grafen zu reden, sagte er mit einer
höflichen Verbeugung, darum muß ich Sie bitte», mich zu entschuldigen.

Aber mein Herr Baron, das ist unmöglich! Sehen Sie denn nicht, in
welchem Zustande der Graf sich befindet?

Danda, der bei des Hofmarschalls Stimme zusammengefahren war, hatte
sich aufgerichtet und sagte jetzt ruhig: Gehe« Sie, Fräulein Flora, ich wünsche
es ebenfalls.

Sie schlang die Enden ihres schwarzen Kopftuchs in einander und ging;
allerdings nur bis in das Nebenzimmer.

Der Hofmarschcill setzte sich auf den Stuhl, der neben dem Bett stand,
und kreuzte die Arme auf der Lehne. Ich bringe Ihnen etwas, das Sie in
Siebcnhofcn haben liegen lassen, sagte er mit Ruhe, uuter der man den Zorn
kochen fühlte. Er warf den Handschuh auf das Bett.

Der Graf beachtete den verräterischen Gegenstand wenig. Bei diesem schreck¬
lichen Wetter! sagte er, wahrlich zu viel Güte und eine ganz unnötige Mühe.

Nicht unnötig, da Sie sonst vielleicht auf den Gedanken gekommen wären,
ihn selbst zu holen, und ich nicht wünsche — der Hofmarschall erhob die
Stimme —, daß Sie je wieder mein Haus betreten. Ja, Danda, gegen
dieses Haus, das Sie mit Freundschaft und Vertrauen aufnahm, haben Sie
gehandelt wie ein Schurke!

Wozu der Lärm? Da Sie sich einen Gegenbesuch verbitten, werde ich
mir erlauben, einen Freund zu schicken.

Diese Gelassenheit brachte Niffelshauseu um den Nest seiner Fassung.
Er sprang auf; seine Augen flammten, seine Hände ballten sich krampfhaft.


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[0622] Aus der Lhroni? derer von Riffelshauson. Der allsgesandte Wagen kam auch pünktlich zurück, aber ohne den Arzt. Doktor Petri war, wie gewöhnlich, nicht zu Hause gewesen. Seine Leute wollen ihn schicken, sobald er kommt, meldete der Ignaz. Der unausstehliche Mensch! schalt die Haushälterin, wozu ist er Doktor, wenn man ihn nicht zu rechter Zeit erlangen kann! Danda lachte sie aus. Er fühlte sich jetzt wohler und hatte Lust, zu schlafen, doch dürfe sie ihn nicht allein lassen. So nahm Fräulein Flora ihren Platz geduldig wieder ein. Daida schlief unruhig und nur auf Minuten. Es dunkelte bereits, und Doktor Petri kam noch nicht. Endlich, es mochte gegen neun Uhr sein, rollte ein Wagen in den Hof. Ignaz erschien in der Thür und meldete mit gedämpfter Stimme: Der Herr — Nur herein! herein! unterbrach ihn Fräulein Flora, es ist hohe Zeit. Der Ignaz ging, und sie beugte sich über den Kranken, um zu sehen, ob er schliefe. Es schien nicht so. Er bewegte die Hand. Als sie wieder aufsah, entfuhr ihr ein leiser Schrei; denn vor ihr stand nicht Doktor Petri, sondern Freiherr von Riffelshciuscn. Ich habe ein paar Worte mit dem Grafen zu reden, sagte er mit einer höflichen Verbeugung, darum muß ich Sie bitte», mich zu entschuldigen. Aber mein Herr Baron, das ist unmöglich! Sehen Sie denn nicht, in welchem Zustande der Graf sich befindet? Danda, der bei des Hofmarschalls Stimme zusammengefahren war, hatte sich aufgerichtet und sagte jetzt ruhig: Gehe« Sie, Fräulein Flora, ich wünsche es ebenfalls. Sie schlang die Enden ihres schwarzen Kopftuchs in einander und ging; allerdings nur bis in das Nebenzimmer. Der Hofmarschcill setzte sich auf den Stuhl, der neben dem Bett stand, und kreuzte die Arme auf der Lehne. Ich bringe Ihnen etwas, das Sie in Siebcnhofcn haben liegen lassen, sagte er mit Ruhe, uuter der man den Zorn kochen fühlte. Er warf den Handschuh auf das Bett. Der Graf beachtete den verräterischen Gegenstand wenig. Bei diesem schreck¬ lichen Wetter! sagte er, wahrlich zu viel Güte und eine ganz unnötige Mühe. Nicht unnötig, da Sie sonst vielleicht auf den Gedanken gekommen wären, ihn selbst zu holen, und ich nicht wünsche — der Hofmarschall erhob die Stimme —, daß Sie je wieder mein Haus betreten. Ja, Danda, gegen dieses Haus, das Sie mit Freundschaft und Vertrauen aufnahm, haben Sie gehandelt wie ein Schurke! Wozu der Lärm? Da Sie sich einen Gegenbesuch verbitten, werde ich mir erlauben, einen Freund zu schicken. Diese Gelassenheit brachte Niffelshauseu um den Nest seiner Fassung. Er sprang auf; seine Augen flammten, seine Hände ballten sich krampfhaft.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/622>, abgerufen am 22.07.2024.