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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Zukunft dos Zentrums.

Volksmann und Obertribuualsrat, und die katholische Abteilung im Kultus¬
ministerium, die sich gern zum Besten der "Kirche" mit Aktenstücken und Rat¬
schlägen behilflich zeigte. Dazu kam noch später ein Agent, welcher ultra-
montane, welfische und französische Ziele in seiner Thätigkeit hübsch verband.
Genug, von 1848 an steckte man in kirchlich-politischer Thätigkeit durch Be¬
nutzung der Wahlen und der Parlamente. "Katholische Partei" oder "Partei
Reichensperger" waren die damals gebräuchlichen Namen. Der Reichskanzler
hat einmal bemerkt, daß sich diese Partei damals, wenn sie auch nicht mit solchem
Schwergewicht eingriff, fast noch unangenehmer der reinen Negation hingab als
die Partei Windthorst. Die Ereignisse von 1866 und 1870 ließen sich dem
gewöhnlichen Katholiken leicht so deuten, daß eine verstärkte politische Aktion
ver Kirche notwendiger sei als je. Denn die gewohnten Stützen des Katholi¬
zismus verloren mit dem Unglück Österreichs und des Papstes und dem un¬
erhörten Machtzuwachs einer protestantischen Dynastie sehr an Bedeutung. Da
war eine Verstärkung der Kirche in den gesetzgebenden Versammlungen, auf der
privilegirten Rednertribüne, durchaus geboten. Das Wort "Mobilmachung"
paßt ganz genau auf diese Zusammenfassung des politischen Katholizismus. Die
Unfehlbarkeit des Papstes hatte dem Shstem innerhalb der Kirche selbst einen
förderlichen Zusammenschluß gegeben, jetzt mußte man politisch nachhelfen, be¬
sonders in dem von dem protestantische" Glauben und dem Protestantischen
Staatspriuzip korrumpirten Preußen.

Die ersten kühnen Schritte mißlangen zwar. Weder konnte man in die
Reichsverfassung die Paragraphen bringen, die in Preußen durch die Klugheit
Waldecks eine tumultuarische Freiheit der Kirche, genauer der katholischen Bi¬
schöfe, hineingetragen hatten, noch konnte man dem Papste durch Einmischung
Deutschlands seine weltliche Herrschaft wieder verschaffen.

Aber es liegt nicht in der Gewohnheit der Herren, sich von ihren Mi߬
erfolgen entmutigen zu lassen. Sie verdoppelten die politischen Anstrengungen
für die Wahlen. Katholische Männer wie Küuzer, die zwischen den religiösen
und politischen Zielen einen Unterschied machten und die der königlichen Regie¬
rung Vertrauen schenkten, wurden beseitigt, die Partei wurde immer geschlossener,
disziplinarischer geleitet. Die Maigesetzc wurden durch Hunderte von Kaplänen
in einheitlicher Weise in den kleinen und großen Blättern zur Verhetzung des
Volkes benutzt. Die Tribüne gab stets klare Anweisung dazu. Kurz, die Sache
zeigte immer mehr Erfolg. Seit 1880 war der Sieg des Zentrums ziemlich
entschieden. Die letzten Gesetze stellen einen Kompromiß mit dem Papste dar, den
man früher als eine Demütigung des Staates angesehen haben würde. Er ist
es vielleicht uicht, aber selbst wenn er es wäre, der Kompromiß war gegenüber
einer so starken, nach Millionen zählenden versetzten katholischen Minorität eine
Herzenssache unsers Kaisers und auch der Wunsch vieler kampfcsmüden Evan¬
gelischen, von denen die meisten nicht einmal ein Verständnis von der Bedeutung


Die Zukunft dos Zentrums.

Volksmann und Obertribuualsrat, und die katholische Abteilung im Kultus¬
ministerium, die sich gern zum Besten der „Kirche" mit Aktenstücken und Rat¬
schlägen behilflich zeigte. Dazu kam noch später ein Agent, welcher ultra-
montane, welfische und französische Ziele in seiner Thätigkeit hübsch verband.
Genug, von 1848 an steckte man in kirchlich-politischer Thätigkeit durch Be¬
nutzung der Wahlen und der Parlamente. „Katholische Partei" oder „Partei
Reichensperger" waren die damals gebräuchlichen Namen. Der Reichskanzler
hat einmal bemerkt, daß sich diese Partei damals, wenn sie auch nicht mit solchem
Schwergewicht eingriff, fast noch unangenehmer der reinen Negation hingab als
die Partei Windthorst. Die Ereignisse von 1866 und 1870 ließen sich dem
gewöhnlichen Katholiken leicht so deuten, daß eine verstärkte politische Aktion
ver Kirche notwendiger sei als je. Denn die gewohnten Stützen des Katholi¬
zismus verloren mit dem Unglück Österreichs und des Papstes und dem un¬
erhörten Machtzuwachs einer protestantischen Dynastie sehr an Bedeutung. Da
war eine Verstärkung der Kirche in den gesetzgebenden Versammlungen, auf der
privilegirten Rednertribüne, durchaus geboten. Das Wort „Mobilmachung"
paßt ganz genau auf diese Zusammenfassung des politischen Katholizismus. Die
Unfehlbarkeit des Papstes hatte dem Shstem innerhalb der Kirche selbst einen
förderlichen Zusammenschluß gegeben, jetzt mußte man politisch nachhelfen, be¬
sonders in dem von dem protestantische» Glauben und dem Protestantischen
Staatspriuzip korrumpirten Preußen.

Die ersten kühnen Schritte mißlangen zwar. Weder konnte man in die
Reichsverfassung die Paragraphen bringen, die in Preußen durch die Klugheit
Waldecks eine tumultuarische Freiheit der Kirche, genauer der katholischen Bi¬
schöfe, hineingetragen hatten, noch konnte man dem Papste durch Einmischung
Deutschlands seine weltliche Herrschaft wieder verschaffen.

Aber es liegt nicht in der Gewohnheit der Herren, sich von ihren Mi߬
erfolgen entmutigen zu lassen. Sie verdoppelten die politischen Anstrengungen
für die Wahlen. Katholische Männer wie Küuzer, die zwischen den religiösen
und politischen Zielen einen Unterschied machten und die der königlichen Regie¬
rung Vertrauen schenkten, wurden beseitigt, die Partei wurde immer geschlossener,
disziplinarischer geleitet. Die Maigesetzc wurden durch Hunderte von Kaplänen
in einheitlicher Weise in den kleinen und großen Blättern zur Verhetzung des
Volkes benutzt. Die Tribüne gab stets klare Anweisung dazu. Kurz, die Sache
zeigte immer mehr Erfolg. Seit 1880 war der Sieg des Zentrums ziemlich
entschieden. Die letzten Gesetze stellen einen Kompromiß mit dem Papste dar, den
man früher als eine Demütigung des Staates angesehen haben würde. Er ist
es vielleicht uicht, aber selbst wenn er es wäre, der Kompromiß war gegenüber
einer so starken, nach Millionen zählenden versetzten katholischen Minorität eine
Herzenssache unsers Kaisers und auch der Wunsch vieler kampfcsmüden Evan¬
gelischen, von denen die meisten nicht einmal ein Verständnis von der Bedeutung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/60>, abgerufen am 22.07.2024.