Bulgaren ihre Sympathien bewahren. Mit dem Fürsten und seiner Regierung aber sei er durchaus unzufrieden, und so könne er nichts für sie thun. Bei dieser Antipathie gegen Alexander I. ist er verblieben, obwohl dieser wiederholt Versuche machte, ihn zur Versöhnung mit sich zu bewegen. Auch die sehr tiefe Demütigung, die er sich in seinem letzten Briefe an den Kaiser auferlegte, um sich seine Stellung zu erhalten, war vergeblich.
Schwur- und Schöffengerichte. von Karl Meisel.
er am 8. September in Wiesbaden eröffnete achtzehnte deutsche Juristentag hat sich in seiner Abteilung für Strafrecht wieder einmal mit der Frage der Zweckmäßigkeit der Schwur- und Schöffengerichte befaßt, und wie nicht anders zu erwarten war, sind die Meinungen geteilt geblieben. Es wird zunächst -- vor Besprechung der Frage -- geboten sein, die Vorschläge, die dem Juristentage gemacht worden sind, und die Beschlüsse, die er gefaßt hat, zusammenzustellen und dann in eine Kritik derselben einzutreten. Ich glaube mich zu der letzter" umsomehr für berechtigt und befugt halten zu dürfen, als ich seit der Einführung der Schöffengerichte durch die Strafprozeßordnung mit kurzen Unterbrechungen teils als Staats-(Amts-) Anwalt, teils als Vorsitzender mit Schöffengerichten in Stadt und Land gearbeitet und in ersterer Eigenschaft anch die Schwur¬ gerichte, wenn auch uicht so gründlich, aus eigner Erfahrung kennen gelernt habe.
Der Referent des Juriftentages, Oberamtsrichtcr Süpfle in Heidelberg, ein alter Praktiker -- in Baden waren die Schöffengerichte schon vor 1879 eingeführt --, schlug folgende Thesen vor: "1. Die Schöffengerichte haben sich im allgemeinen in der Praxis bewährt. 2. Eine Verbesserung der Strafrechts- pflege ist durch Aufhebung der Schwurgerichte und Ersatz derselben durch große Schöffengerichte zu erwarten. 3. Bei einem völligen Geständnisse des Ange¬ klagten kann mit Zustimmung desselben, beziehentlich seines Verteidigers und der Staatsanwaltschaft, die Zuziehung von Schöffen bei der Aburteilung unter¬ bleiben." Dagegen schlug der Rcichscmwalt Stenglein, der seinem eignen Ge¬ ständnisse nach niemals Schöffcnrichter gewesen ist, folgende Beschlüsse vor: "Der deutsche Juristentag spricht seine Ansicht dahin aus: 1. die Mitwirkung von Laien bei der Aburteilung von Strafsachen vor den Gerichten niederster
Bulgaren ihre Sympathien bewahren. Mit dem Fürsten und seiner Regierung aber sei er durchaus unzufrieden, und so könne er nichts für sie thun. Bei dieser Antipathie gegen Alexander I. ist er verblieben, obwohl dieser wiederholt Versuche machte, ihn zur Versöhnung mit sich zu bewegen. Auch die sehr tiefe Demütigung, die er sich in seinem letzten Briefe an den Kaiser auferlegte, um sich seine Stellung zu erhalten, war vergeblich.
Schwur- und Schöffengerichte. von Karl Meisel.
er am 8. September in Wiesbaden eröffnete achtzehnte deutsche Juristentag hat sich in seiner Abteilung für Strafrecht wieder einmal mit der Frage der Zweckmäßigkeit der Schwur- und Schöffengerichte befaßt, und wie nicht anders zu erwarten war, sind die Meinungen geteilt geblieben. Es wird zunächst — vor Besprechung der Frage — geboten sein, die Vorschläge, die dem Juristentage gemacht worden sind, und die Beschlüsse, die er gefaßt hat, zusammenzustellen und dann in eine Kritik derselben einzutreten. Ich glaube mich zu der letzter» umsomehr für berechtigt und befugt halten zu dürfen, als ich seit der Einführung der Schöffengerichte durch die Strafprozeßordnung mit kurzen Unterbrechungen teils als Staats-(Amts-) Anwalt, teils als Vorsitzender mit Schöffengerichten in Stadt und Land gearbeitet und in ersterer Eigenschaft anch die Schwur¬ gerichte, wenn auch uicht so gründlich, aus eigner Erfahrung kennen gelernt habe.
Der Referent des Juriftentages, Oberamtsrichtcr Süpfle in Heidelberg, ein alter Praktiker — in Baden waren die Schöffengerichte schon vor 1879 eingeführt —, schlug folgende Thesen vor: „1. Die Schöffengerichte haben sich im allgemeinen in der Praxis bewährt. 2. Eine Verbesserung der Strafrechts- pflege ist durch Aufhebung der Schwurgerichte und Ersatz derselben durch große Schöffengerichte zu erwarten. 3. Bei einem völligen Geständnisse des Ange¬ klagten kann mit Zustimmung desselben, beziehentlich seines Verteidigers und der Staatsanwaltschaft, die Zuziehung von Schöffen bei der Aburteilung unter¬ bleiben." Dagegen schlug der Rcichscmwalt Stenglein, der seinem eignen Ge¬ ständnisse nach niemals Schöffcnrichter gewesen ist, folgende Beschlüsse vor: „Der deutsche Juristentag spricht seine Ansicht dahin aus: 1. die Mitwirkung von Laien bei der Aburteilung von Strafsachen vor den Gerichten niederster
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Bulgaren ihre Sympathien bewahren. Mit dem Fürsten und seiner Regierung
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dieser Antipathie gegen Alexander I. ist er verblieben, obwohl dieser wiederholt
Versuche machte, ihn zur Versöhnung mit sich zu bewegen. Auch die sehr tiefe
Demütigung, die er sich in seinem letzten Briefe an den Kaiser auferlegte, um
sich seine Stellung zu erhalten, war vergeblich.
Schwur- und Schöffengerichte.
von Karl Meisel.
er am 8. September in Wiesbaden eröffnete achtzehnte deutsche
Juristentag hat sich in seiner Abteilung für Strafrecht wieder
einmal mit der Frage der Zweckmäßigkeit der Schwur- und
Schöffengerichte befaßt, und wie nicht anders zu erwarten war,
sind die Meinungen geteilt geblieben. Es wird zunächst — vor
Besprechung der Frage — geboten sein, die Vorschläge, die dem Juristentage
gemacht worden sind, und die Beschlüsse, die er gefaßt hat, zusammenzustellen
und dann in eine Kritik derselben einzutreten. Ich glaube mich zu der letzter»
umsomehr für berechtigt und befugt halten zu dürfen, als ich seit der Einführung
der Schöffengerichte durch die Strafprozeßordnung mit kurzen Unterbrechungen
teils als Staats-(Amts-) Anwalt, teils als Vorsitzender mit Schöffengerichten
in Stadt und Land gearbeitet und in ersterer Eigenschaft anch die Schwur¬
gerichte, wenn auch uicht so gründlich, aus eigner Erfahrung kennen gelernt habe.
Der Referent des Juriftentages, Oberamtsrichtcr Süpfle in Heidelberg,
ein alter Praktiker — in Baden waren die Schöffengerichte schon vor 1879
eingeführt —, schlug folgende Thesen vor: „1. Die Schöffengerichte haben sich
im allgemeinen in der Praxis bewährt. 2. Eine Verbesserung der Strafrechts-
pflege ist durch Aufhebung der Schwurgerichte und Ersatz derselben durch große
Schöffengerichte zu erwarten. 3. Bei einem völligen Geständnisse des Ange¬
klagten kann mit Zustimmung desselben, beziehentlich seines Verteidigers und
der Staatsanwaltschaft, die Zuziehung von Schöffen bei der Aburteilung unter¬
bleiben." Dagegen schlug der Rcichscmwalt Stenglein, der seinem eignen Ge¬
ständnisse nach niemals Schöffcnrichter gewesen ist, folgende Beschlüsse vor:
„Der deutsche Juristentag spricht seine Ansicht dahin aus: 1. die Mitwirkung
von Laien bei der Aburteilung von Strafsachen vor den Gerichten niederster
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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/592>, abgerufen am 24.01.2025.
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