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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Bulgarien und sein Fürst.

Von dem Sultan, von Nußlnud, von den übrigen Mächten, welche die
Stellung Ostrumeliens in Berlin geregelt hatten, war in allen diesen Erlassen
nicht mit einem Worte die Rede. Es schien, als ob nur der Fürst und die
Bulgaren zu bestimmen hätten, es war mir das Recht der Revolution, welches
gelten sollte. Der Fürst und seine in- und ausländischen Berater sollten bald
darüber aufgeklärt werden, daß er sich damit einem verhängnisvollen Irrtum
hingegeben habe. Namentlich der Kaiser von Nußland war empört, daß sein
Schützling hinter seinem Rücken gehandelt und ihm zu seinem eignen Vorteil
das vorweggenommen hatte, was er zu Rußlands Nutzen den Bulgaren einmal
als Gabe bieten zu können gehofft hatte; daß England den Fürsten bei
seinem Vorgehen geraten hatte und ihn später unterstützte, war uicht geeignet,
den Zaren zu milderer Auffassung der Sache zu stimmen. Sie erschien ihm
nach wie vor als verräterische Undankbarkeit, und er gab dies in einer Weise
zu erkennen, die an Deutlichkeit und Schroffheit fortwährend sich steigerte. Seine
erste Äußerung war nicht geradezu ablehnend. Am 22. September reiste eine
Deputation bulgarischer Notabeln, an deren Spitze der Metropolit Kummt das
Wort führen sollte, nach Kopenhagen, wo Alexander III. sich gerade zum Besuche
seines Schwiegervaters befand, und erwirkte sich Audienz beim Zaren, um ihm
Vorstellungen wegen des Staatsstreiches zu machen. Kummt bat ihn im Namen
des bulgarische" Volkes, er möge Verzeihung für denselben gewähren und dem
Volke das gleiche Wohlwollen, wie sein hochseliger Vater, der Befreier, bewahren
und Bulgariens gnädiger Schutzherr bleiben. Die Antwort des Kaisers, in
welcher des Fürsten nicht gedacht wurde, lautete kühl, aber uicht der Art, daß
sie keine Hoffnung gelassen Hütte. Er erwiederte wörtlich: "Ich bedaure lebhast
die Ereignisse vom 18. September. Ich werde im Einvernehmen mit den
Mächten vorgehen, welche den Berliner Frieden unterzeichnet haben. Indes
hoffe ich, daß diese das in Bulgarien geschaffene kalt. avooinM in irgendeiner
Weise anerkennen werden. Ich rate euch aber ernstlich, euch jedweder Agitation,
namentlich in Macedonien, zu enthalten." Bald nachher berief der Kaiser die
w der bulgarischen Armee dienenden ^Offiziere seines Heeres ab und strich den
Namen des Fürsten ans den Listen der Generale des letztern, indem er damit
seiner Meinung über das Verhalten Alexanders gegen Rußland den denkbar
schärfsten Ausdruck gab. Das Sobraujc sandte am 23. September eine De¬
putation an ihn ab, die um Rücknahme der Abberufung der russische" Offiziere
u"d des gleichzeitig ergangnen Verbotes des Abganges russischer Freiwilligen
bat und den Kaiser beschwor, den Bulgaren seine mächtige Hand uicht zu ent¬
ziehen. Die Antwort desselben zählte zunächst die Wohlthaten ans, welche
Nußland jenen erwiesen, bemerkte dann, daß er nach solchen Diensten habe er¬
warten dürfen, von der beabsichtigten Vereinigung vor ihrer Ausführung Kunde
erhalten, und daß er aus der Unterlassung dieses Altes schließen müsse, man
glaube seiner nicht mehr zu bedürfen. Er nud das russische Volk würden den


Bulgarien und sein Fürst.

Von dem Sultan, von Nußlnud, von den übrigen Mächten, welche die
Stellung Ostrumeliens in Berlin geregelt hatten, war in allen diesen Erlassen
nicht mit einem Worte die Rede. Es schien, als ob nur der Fürst und die
Bulgaren zu bestimmen hätten, es war mir das Recht der Revolution, welches
gelten sollte. Der Fürst und seine in- und ausländischen Berater sollten bald
darüber aufgeklärt werden, daß er sich damit einem verhängnisvollen Irrtum
hingegeben habe. Namentlich der Kaiser von Nußland war empört, daß sein
Schützling hinter seinem Rücken gehandelt und ihm zu seinem eignen Vorteil
das vorweggenommen hatte, was er zu Rußlands Nutzen den Bulgaren einmal
als Gabe bieten zu können gehofft hatte; daß England den Fürsten bei
seinem Vorgehen geraten hatte und ihn später unterstützte, war uicht geeignet,
den Zaren zu milderer Auffassung der Sache zu stimmen. Sie erschien ihm
nach wie vor als verräterische Undankbarkeit, und er gab dies in einer Weise
zu erkennen, die an Deutlichkeit und Schroffheit fortwährend sich steigerte. Seine
erste Äußerung war nicht geradezu ablehnend. Am 22. September reiste eine
Deputation bulgarischer Notabeln, an deren Spitze der Metropolit Kummt das
Wort führen sollte, nach Kopenhagen, wo Alexander III. sich gerade zum Besuche
seines Schwiegervaters befand, und erwirkte sich Audienz beim Zaren, um ihm
Vorstellungen wegen des Staatsstreiches zu machen. Kummt bat ihn im Namen
des bulgarische» Volkes, er möge Verzeihung für denselben gewähren und dem
Volke das gleiche Wohlwollen, wie sein hochseliger Vater, der Befreier, bewahren
und Bulgariens gnädiger Schutzherr bleiben. Die Antwort des Kaisers, in
welcher des Fürsten nicht gedacht wurde, lautete kühl, aber uicht der Art, daß
sie keine Hoffnung gelassen Hütte. Er erwiederte wörtlich: „Ich bedaure lebhast
die Ereignisse vom 18. September. Ich werde im Einvernehmen mit den
Mächten vorgehen, welche den Berliner Frieden unterzeichnet haben. Indes
hoffe ich, daß diese das in Bulgarien geschaffene kalt. avooinM in irgendeiner
Weise anerkennen werden. Ich rate euch aber ernstlich, euch jedweder Agitation,
namentlich in Macedonien, zu enthalten." Bald nachher berief der Kaiser die
w der bulgarischen Armee dienenden ^Offiziere seines Heeres ab und strich den
Namen des Fürsten ans den Listen der Generale des letztern, indem er damit
seiner Meinung über das Verhalten Alexanders gegen Rußland den denkbar
schärfsten Ausdruck gab. Das Sobraujc sandte am 23. September eine De¬
putation an ihn ab, die um Rücknahme der Abberufung der russische» Offiziere
u»d des gleichzeitig ergangnen Verbotes des Abganges russischer Freiwilligen
bat und den Kaiser beschwor, den Bulgaren seine mächtige Hand uicht zu ent¬
ziehen. Die Antwort desselben zählte zunächst die Wohlthaten ans, welche
Nußland jenen erwiesen, bemerkte dann, daß er nach solchen Diensten habe er¬
warten dürfen, von der beabsichtigten Vereinigung vor ihrer Ausführung Kunde
erhalten, und daß er aus der Unterlassung dieses Altes schließen müsse, man
glaube seiner nicht mehr zu bedürfen. Er nud das russische Volk würden den


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[0591] Bulgarien und sein Fürst. Von dem Sultan, von Nußlnud, von den übrigen Mächten, welche die Stellung Ostrumeliens in Berlin geregelt hatten, war in allen diesen Erlassen nicht mit einem Worte die Rede. Es schien, als ob nur der Fürst und die Bulgaren zu bestimmen hätten, es war mir das Recht der Revolution, welches gelten sollte. Der Fürst und seine in- und ausländischen Berater sollten bald darüber aufgeklärt werden, daß er sich damit einem verhängnisvollen Irrtum hingegeben habe. Namentlich der Kaiser von Nußland war empört, daß sein Schützling hinter seinem Rücken gehandelt und ihm zu seinem eignen Vorteil das vorweggenommen hatte, was er zu Rußlands Nutzen den Bulgaren einmal als Gabe bieten zu können gehofft hatte; daß England den Fürsten bei seinem Vorgehen geraten hatte und ihn später unterstützte, war uicht geeignet, den Zaren zu milderer Auffassung der Sache zu stimmen. Sie erschien ihm nach wie vor als verräterische Undankbarkeit, und er gab dies in einer Weise zu erkennen, die an Deutlichkeit und Schroffheit fortwährend sich steigerte. Seine erste Äußerung war nicht geradezu ablehnend. Am 22. September reiste eine Deputation bulgarischer Notabeln, an deren Spitze der Metropolit Kummt das Wort führen sollte, nach Kopenhagen, wo Alexander III. sich gerade zum Besuche seines Schwiegervaters befand, und erwirkte sich Audienz beim Zaren, um ihm Vorstellungen wegen des Staatsstreiches zu machen. Kummt bat ihn im Namen des bulgarische» Volkes, er möge Verzeihung für denselben gewähren und dem Volke das gleiche Wohlwollen, wie sein hochseliger Vater, der Befreier, bewahren und Bulgariens gnädiger Schutzherr bleiben. Die Antwort des Kaisers, in welcher des Fürsten nicht gedacht wurde, lautete kühl, aber uicht der Art, daß sie keine Hoffnung gelassen Hütte. Er erwiederte wörtlich: „Ich bedaure lebhast die Ereignisse vom 18. September. Ich werde im Einvernehmen mit den Mächten vorgehen, welche den Berliner Frieden unterzeichnet haben. Indes hoffe ich, daß diese das in Bulgarien geschaffene kalt. avooinM in irgendeiner Weise anerkennen werden. Ich rate euch aber ernstlich, euch jedweder Agitation, namentlich in Macedonien, zu enthalten." Bald nachher berief der Kaiser die w der bulgarischen Armee dienenden ^Offiziere seines Heeres ab und strich den Namen des Fürsten ans den Listen der Generale des letztern, indem er damit seiner Meinung über das Verhalten Alexanders gegen Rußland den denkbar schärfsten Ausdruck gab. Das Sobraujc sandte am 23. September eine De¬ putation an ihn ab, die um Rücknahme der Abberufung der russische» Offiziere u»d des gleichzeitig ergangnen Verbotes des Abganges russischer Freiwilligen bat und den Kaiser beschwor, den Bulgaren seine mächtige Hand uicht zu ent¬ ziehen. Die Antwort desselben zählte zunächst die Wohlthaten ans, welche Nußland jenen erwiesen, bemerkte dann, daß er nach solchen Diensten habe er¬ warten dürfen, von der beabsichtigten Vereinigung vor ihrer Ausführung Kunde erhalten, und daß er aus der Unterlassung dieses Altes schließen müsse, man glaube seiner nicht mehr zu bedürfen. Er nud das russische Volk würden den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/591>, abgerufen am 22.07.2024.