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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Bulgarien und sein Fürst.

Slaweilvw und die Militärs, welche die Miliz der Verschwörung zugeführt hatten,
die Hauptrollen spielten, und die den Fürsten Alexander zum Souverän der
beiden Bnlgarenländer ausrief. Stransli hatte dnrch geeignete Maßregeln
dafür gesorgt, daß mau erst am 20. in Konstantin opel sowie in Petersburg,
Wien und Berlin Kunde von dem Staatsstreiche erhielt. Da man fürchtete,
die Pforte werde sofort Truppen ins Land senden, um das Geschehene rück¬
gängig zu machen, so rief man die gesamte ostrumelische Miliz unter die
Waffen und ließ eine große Anzahl Freiwillige -- beiläufig meist Haidukeu,
d. h. Räuber -- aus Macedonien nach Philippvpcl kommen, um jenen bei
der Abwehr des Einmarsches der Türken beizustehen.

Der Fürst Alexander ließ sich von der Revolution "überraschen." Er
hatte unter dem Vorwande von Manövern die bulgarische Armee zusammen¬
gezogen und dann einige Tage vor dem 18. September entlassen, sodaß er vor
Europa unschuldig erschien, aber Zeit behielt, die Truppen rasch wieder zu
sammeln. Er befand sich jetzt in Warna. Am 19. reiste er, nachdem er Tags
vorher die Wahl der Ostrnmelicr angenommen, über Rnslschnk nach Tirnowo
ab, wo er am 20. folgendes Manifest erließ:

"Wir, Alexander I., dnrch den Willen des allmächtigen Gottes und des
Volkes Fürst von Nord- und Südbulgaricn, thun unserm Volke kund und zu
wissen, daß die Bevölkerung Ostrumelicus am 18. d. M, nachdem sie die Re¬
gierung gestürzt, eine provisorische Verwaltung errichtet und uns einstimmig zum
Fürsten dieser Provinz ausgerufen hat. Indem wir dem Wunsche des Volkes
nach Vereinigung beider bulgarischen Lander entsprechen, um auf diese Weise
sein Ideal zu verwirklichen, erkennen wir die Union als vollendete Thatsache
an und legen uns den Titel eiues Fürsten von Nord- und Sndbnlgarien bei.
Wir übernehmen die Regierung der letztere" Provinz und erklären, daß Leben,
Freiheit und Eigentum aller friedlichen Einwohner derselben ohne Unterschied
des Glaubens und der Nationalität geschützt sein werden. Alle Maßregeln sind
getroffen, um die Ruhe des Landes zu sichern, und die, welche dieselbe stören,
werden streng bestraft werden. Ich hoffe, daß mein geliebtes Volk in beiden
Ballanländcrn, welches dieses große Ereignis mit Begeisterung begrüßt, der
Konsolidirung des heutigen Aktes, der Vereinigung beider Bulgarien, seine
Unterstützung leihen und bereit sein wird, alle Opfer zu bringen und alle An-
strengungen zu machen, welche die Verteidigung der Union und der Unab¬
hängigkeit des teuern Vaterlandes fordert. Gott stehe uus bei in diesem
schwierigen Unternehmen!"

Am 21. traf der Fürst in Begleitung Karawelows und Kaltschows in
Philippopel ein, wo er durch Ukas Stranski, Slaweikow und Grncw als seine
Bevollmächtigten zur Verwaltung Südbulgarieus einsetzte und die bisherigen
Beamten desselben (mit Ausnahme Krestewitschs natürlich) bis ans weiteres in
ihren Stellen bestätigte.


Bulgarien und sein Fürst.

Slaweilvw und die Militärs, welche die Miliz der Verschwörung zugeführt hatten,
die Hauptrollen spielten, und die den Fürsten Alexander zum Souverän der
beiden Bnlgarenländer ausrief. Stransli hatte dnrch geeignete Maßregeln
dafür gesorgt, daß mau erst am 20. in Konstantin opel sowie in Petersburg,
Wien und Berlin Kunde von dem Staatsstreiche erhielt. Da man fürchtete,
die Pforte werde sofort Truppen ins Land senden, um das Geschehene rück¬
gängig zu machen, so rief man die gesamte ostrumelische Miliz unter die
Waffen und ließ eine große Anzahl Freiwillige — beiläufig meist Haidukeu,
d. h. Räuber — aus Macedonien nach Philippvpcl kommen, um jenen bei
der Abwehr des Einmarsches der Türken beizustehen.

Der Fürst Alexander ließ sich von der Revolution „überraschen." Er
hatte unter dem Vorwande von Manövern die bulgarische Armee zusammen¬
gezogen und dann einige Tage vor dem 18. September entlassen, sodaß er vor
Europa unschuldig erschien, aber Zeit behielt, die Truppen rasch wieder zu
sammeln. Er befand sich jetzt in Warna. Am 19. reiste er, nachdem er Tags
vorher die Wahl der Ostrnmelicr angenommen, über Rnslschnk nach Tirnowo
ab, wo er am 20. folgendes Manifest erließ:

„Wir, Alexander I., dnrch den Willen des allmächtigen Gottes und des
Volkes Fürst von Nord- und Südbulgaricn, thun unserm Volke kund und zu
wissen, daß die Bevölkerung Ostrumelicus am 18. d. M, nachdem sie die Re¬
gierung gestürzt, eine provisorische Verwaltung errichtet und uns einstimmig zum
Fürsten dieser Provinz ausgerufen hat. Indem wir dem Wunsche des Volkes
nach Vereinigung beider bulgarischen Lander entsprechen, um auf diese Weise
sein Ideal zu verwirklichen, erkennen wir die Union als vollendete Thatsache
an und legen uns den Titel eiues Fürsten von Nord- und Sndbnlgarien bei.
Wir übernehmen die Regierung der letztere» Provinz und erklären, daß Leben,
Freiheit und Eigentum aller friedlichen Einwohner derselben ohne Unterschied
des Glaubens und der Nationalität geschützt sein werden. Alle Maßregeln sind
getroffen, um die Ruhe des Landes zu sichern, und die, welche dieselbe stören,
werden streng bestraft werden. Ich hoffe, daß mein geliebtes Volk in beiden
Ballanländcrn, welches dieses große Ereignis mit Begeisterung begrüßt, der
Konsolidirung des heutigen Aktes, der Vereinigung beider Bulgarien, seine
Unterstützung leihen und bereit sein wird, alle Opfer zu bringen und alle An-
strengungen zu machen, welche die Verteidigung der Union und der Unab¬
hängigkeit des teuern Vaterlandes fordert. Gott stehe uus bei in diesem
schwierigen Unternehmen!"

Am 21. traf der Fürst in Begleitung Karawelows und Kaltschows in
Philippopel ein, wo er durch Ukas Stranski, Slaweikow und Grncw als seine
Bevollmächtigten zur Verwaltung Südbulgarieus einsetzte und die bisherigen
Beamten desselben (mit Ausnahme Krestewitschs natürlich) bis ans weiteres in
ihren Stellen bestätigte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/590>, abgerufen am 22.07.2024.