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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

Auch Italien krankt, wie allbekannt ist, schon seit zweitausend Jahren an
der Latifuudienwirtschaft. Selbst bei der intensivsten Kultur, wie sie in der
Lombardei verbreitet ist, und bei alleu Vorzügen seines Klimas und seiner be-
wundernswerter Bewässerungsanlagen verhungern die ländlichen Arbeiter und
werden zu Aufständen getrieben, während die meisten Grundbesitzer einen wenig
aussichtsvollen Kampf gegen den Bankerott zu führen haben.

Man sagt gewöhnlich, die Bodenverhältnisse in Deutschland seien gesünder,
indem sie zwischen England, wo der Boden nur wenigen Personen gehört, und
Frankreich, wo die Parzellirung am weitesten vorgeschritten sei, also zwischen
zwei Extremen in der gedeihlichen Mitte stünden. Allein diese, wenn auch noch
so häusig ausgesprochene Behauptung kann nur mit Vorbehalt als zutreffend
anerkannt werden. England ist allerdings das eine Extrem, aber Frankreich
ist nicht das andre. Der französische Boden verteilt sich wie folgt:

Zcchl der PlN'Man in Proz.
Flüche in Proz,
Hckwrcn
Pnrzcllcn
MchcugclMt
0-- 18 5S5 3232 574 58961,02 Prozent5,19 Prozent
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5-103 735 173
892 8878 647 714 ^
6 542 142 132,9030,17
10--50733 67214 496 2006,22 "29,21
50--10073 503S 059 3170,6210,25
mehr als 10049 24312 355 7820,34 "
'^25,00 _^'
MoPrözcüI 100 Prozents

Man sieht also, daß nur etwas mehr als ein Drittel des Landes (genau
5,19 -j- 30,17 ^ 35,36 Prozent) aus kleinern Stellen bis zu zehn Hektaren be¬
steht, daß aber ein volles Viertel von Fraukreich durch große Güter vou über
hundert Hektaren (im Durchschnitt 231 Hektaren oder mehr als 5000 Morgen)
gebildet wird. Zählt man die Güter vou fünfzig bis hundert Hektaren, welche
eine durchschnittliche Größe von fast 70 Hektaren oder etwa 1500 Morgen haben,
"och zu dem Grvßbesitze, so nimmt derselbe 35,25 Prozent des Gesamtbvdeus
in Anspruch. Groß- und Kleinbesitz halten sich demnach (mit je 35 Prozent)
die Wage. ^


der Pachtgütcr zu erlassen, das von sämtlichen Vereinsmitgliedern unterzeichnet werden und
die Bitte um Pachtcrlaß enthalten soll. Man führte in jener Versammlung aus, daß die meisten
Pachtkoutrakte unter ganz andern Zeitvcrhnltuissen, als sie heute bestehen, abgeschlossen worden
sind, daß damals die Preise der Produkte höher waren und die Erträgnisse der GutSbewirt-
schastung daher weit höher taxirt wurde", als sie jetzt schon jahrelang zu erzielen sind. Seit
sieben Jahren, heißt es in der betreffenden Resolution, seien Mißernten einander gefolgt;
dazu komme der andauernde Preisrückgang der landwirtschaftlichen Produkte; so sei unter
den Gntspcichtcrn eine Notlage geschaffen, die auf längere Dauer nicht zu ertragen sei. Die
Berpttchtcr werden unter Hinweis auf jene Umstände ersucht, deu geänderten Zeiwerhält-
nissen billige Rechnung zu tragen und durch Gewährung mehrjährigen Pachtnachlasses die Lage
der Pächter etwas erleichtern zu wollen."
Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

Auch Italien krankt, wie allbekannt ist, schon seit zweitausend Jahren an
der Latifuudienwirtschaft. Selbst bei der intensivsten Kultur, wie sie in der
Lombardei verbreitet ist, und bei alleu Vorzügen seines Klimas und seiner be-
wundernswerter Bewässerungsanlagen verhungern die ländlichen Arbeiter und
werden zu Aufständen getrieben, während die meisten Grundbesitzer einen wenig
aussichtsvollen Kampf gegen den Bankerott zu führen haben.

Man sagt gewöhnlich, die Bodenverhältnisse in Deutschland seien gesünder,
indem sie zwischen England, wo der Boden nur wenigen Personen gehört, und
Frankreich, wo die Parzellirung am weitesten vorgeschritten sei, also zwischen
zwei Extremen in der gedeihlichen Mitte stünden. Allein diese, wenn auch noch
so häusig ausgesprochene Behauptung kann nur mit Vorbehalt als zutreffend
anerkannt werden. England ist allerdings das eine Extrem, aber Frankreich
ist nicht das andre. Der französische Boden verteilt sich wie folgt:

Zcchl der PlN'Man in Proz.
Flüche in Proz,
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Man sieht also, daß nur etwas mehr als ein Drittel des Landes (genau
5,19 -j- 30,17 ^ 35,36 Prozent) aus kleinern Stellen bis zu zehn Hektaren be¬
steht, daß aber ein volles Viertel von Fraukreich durch große Güter vou über
hundert Hektaren (im Durchschnitt 231 Hektaren oder mehr als 5000 Morgen)
gebildet wird. Zählt man die Güter vou fünfzig bis hundert Hektaren, welche
eine durchschnittliche Größe von fast 70 Hektaren oder etwa 1500 Morgen haben,
"och zu dem Grvßbesitze, so nimmt derselbe 35,25 Prozent des Gesamtbvdeus
in Anspruch. Groß- und Kleinbesitz halten sich demnach (mit je 35 Prozent)
die Wage. ^


der Pachtgütcr zu erlassen, das von sämtlichen Vereinsmitgliedern unterzeichnet werden und
die Bitte um Pachtcrlaß enthalten soll. Man führte in jener Versammlung aus, daß die meisten
Pachtkoutrakte unter ganz andern Zeitvcrhnltuissen, als sie heute bestehen, abgeschlossen worden
sind, daß damals die Preise der Produkte höher waren und die Erträgnisse der GutSbewirt-
schastung daher weit höher taxirt wurde», als sie jetzt schon jahrelang zu erzielen sind. Seit
sieben Jahren, heißt es in der betreffenden Resolution, seien Mißernten einander gefolgt;
dazu komme der andauernde Preisrückgang der landwirtschaftlichen Produkte; so sei unter
den Gntspcichtcrn eine Notlage geschaffen, die auf längere Dauer nicht zu ertragen sei. Die
Berpttchtcr werden unter Hinweis auf jene Umstände ersucht, deu geänderten Zeiwerhält-
nissen billige Rechnung zu tragen und durch Gewährung mehrjährigen Pachtnachlasses die Lage
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[0549] Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen. Auch Italien krankt, wie allbekannt ist, schon seit zweitausend Jahren an der Latifuudienwirtschaft. Selbst bei der intensivsten Kultur, wie sie in der Lombardei verbreitet ist, und bei alleu Vorzügen seines Klimas und seiner be- wundernswerter Bewässerungsanlagen verhungern die ländlichen Arbeiter und werden zu Aufständen getrieben, während die meisten Grundbesitzer einen wenig aussichtsvollen Kampf gegen den Bankerott zu führen haben. Man sagt gewöhnlich, die Bodenverhältnisse in Deutschland seien gesünder, indem sie zwischen England, wo der Boden nur wenigen Personen gehört, und Frankreich, wo die Parzellirung am weitesten vorgeschritten sei, also zwischen zwei Extremen in der gedeihlichen Mitte stünden. Allein diese, wenn auch noch so häusig ausgesprochene Behauptung kann nur mit Vorbehalt als zutreffend anerkannt werden. England ist allerdings das eine Extrem, aber Frankreich ist nicht das andre. Der französische Boden verteilt sich wie folgt: Zcchl der PlN'Man in Proz. Flüche in Proz, Hckwrcn Pnrzcllcn MchcugclMt 0— 18 5S5 3232 574 58961,02 Prozent5,19 Prozent 1— s 5-103 735 173 892 8878 647 714 ^ 6 542 142 132,9030,17 10—50733 67214 496 2006,22 »29,21 50—10073 503S 059 3170,6210,25 mehr als 10049 24312 355 7820,34 » '^25,00 _^' MoPrözcüI 100 Prozents Man sieht also, daß nur etwas mehr als ein Drittel des Landes (genau 5,19 -j- 30,17 ^ 35,36 Prozent) aus kleinern Stellen bis zu zehn Hektaren be¬ steht, daß aber ein volles Viertel von Fraukreich durch große Güter vou über hundert Hektaren (im Durchschnitt 231 Hektaren oder mehr als 5000 Morgen) gebildet wird. Zählt man die Güter vou fünfzig bis hundert Hektaren, welche eine durchschnittliche Größe von fast 70 Hektaren oder etwa 1500 Morgen haben, "och zu dem Grvßbesitze, so nimmt derselbe 35,25 Prozent des Gesamtbvdeus in Anspruch. Groß- und Kleinbesitz halten sich demnach (mit je 35 Prozent) die Wage. ^ der Pachtgütcr zu erlassen, das von sämtlichen Vereinsmitgliedern unterzeichnet werden und die Bitte um Pachtcrlaß enthalten soll. Man führte in jener Versammlung aus, daß die meisten Pachtkoutrakte unter ganz andern Zeitvcrhnltuissen, als sie heute bestehen, abgeschlossen worden sind, daß damals die Preise der Produkte höher waren und die Erträgnisse der GutSbewirt- schastung daher weit höher taxirt wurde», als sie jetzt schon jahrelang zu erzielen sind. Seit sieben Jahren, heißt es in der betreffenden Resolution, seien Mißernten einander gefolgt; dazu komme der andauernde Preisrückgang der landwirtschaftlichen Produkte; so sei unter den Gntspcichtcrn eine Notlage geschaffen, die auf längere Dauer nicht zu ertragen sei. Die Berpttchtcr werden unter Hinweis auf jene Umstände ersucht, deu geänderten Zeiwerhält- nissen billige Rechnung zu tragen und durch Gewährung mehrjährigen Pachtnachlasses die Lage der Pächter etwas erleichtern zu wollen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/549>, abgerufen am 22.07.2024.