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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Bulgarien und sein Fürst.

sammir ugsrecht beschränkten und den Beamten bei schwerer Strafe die Teilnahme
an der politischen Agitation untersagten, die Deputationen aber, welche mit Zu-
stimmuugsadresseu an die liberalen Führer uach Sofia abgehen sollten, schreckte
man dadurch ab, daß man die erste derselben, die in der Hauptstadt eintraf,
von Gensdarmen durchprügeln ließ. Die Aufregung wuchs. Vergebens zogen
drei Minister und zwei Staatsräte durch das Land, um sie zu beschwichtigen.
Natschowitsch wurde jetzt besorgt und ließ die Opposition durch den Exarchen
Jvsif wegen einer Verständigung ausholen. Auch der Fürst erklärte, den Be¬
siegten mit einem neuen Programm entgegenkommen zu Wollen. Desgleichen
ließ man durchblicken, daß einige Ministerftellen mit Liberalen besetzt werden
könnten. Die Führer der Liberalen antworteten, außerhalb des Vvlkswillens
könne nichts Dauerhaftes geschaffen werden, auch sei bei einer Änderung der
Verfassung ein neuer Eid des Fürsten erforderlich. Dies führte dahin, daß
Natschowitsch Zankow, die Seele der Oppositionspartei, am 17. Februar 1882
verhaften und nach der Stadt Wrcitza abführen ließ, wo derselbe achtzehn
Monate eingesperrt blieb. Selbst in Sofia protestirten angesehene Leute beim
Staatsrate dagegen und forderten Bürgschaften gegen ähnliche Maßregeln.
Böses Blut machte hier auch die Ernennung Hadschieuvws, der dem Fürsten
unentbehrlich geworden war und stark von ihm begünstigt wurde, zum Bürger¬
meister der Stadt, und uoch mehr dessen Ausbeutung der Hilfsquellen der
Gemeinde für seine Privatkassc, die er auch durch den ihm übertragenen Bau
einer Straße von Sofia nach Lompalcmka aus dem Staatssäckel bestens zu
füllen verstand.

Zu dieser Verlegenheit gegenüber der liberalen Partei, welche umso größer
wurde, je mehr die Wahlen für das Sobranje herannahten, kam ein Zerwürfnis
mit dem Kriegsminister Krhlow und mit Hitrowo, der schon längst mit den
Liberalen demonstrativ geliebäugelt hatte. Im April erschien der russische Oberst
Stepcmow-Popow aus Moskau in Sofia, um hier gegen den Fürsten zu
wühlen. Dieser ordnete seine Abreise an. Die Liberalen gaben Popow ein
Abschiedsessen, und bei diesem beteiligten sich auch Hitrowo und verschiedne
russische Offiziere. Der Fürst verlangte hierauf von Krylow, er solle seinen
Offizieren verbiete", an solchen Demonstrationen teilzunehmen. Krylow weigerte
sich und erhielt selbstverständlich seine Entlassung. Auf Natschowitschs Anraten
hatte der Fürst bereits im Februar sich beim Kaiser von Rußland zwei seiner
Generale erbeten, welche Minister werden und als solche die Wahlen kräftig be¬
einflussen sollten, und zugleich die Abberufung Hitrvwvs verlangt, "der die
wahren Interessen Rußlands verrate." Zar Alexander III. entsprach diesem
Wunsche seines Vetters und sandte ihm die Generale Svbolew und Kaulbars
zu, von denen jener für die Präsidentschaft und das Innere, dieser zum Kriegs¬
minister bestimmt war. Hitrowo bekam einen Urlaub und wurde vorläufig
durch einen Geschäftsträger ersetzt. Die beiden Generale wurden vom Fürsten


Bulgarien und sein Fürst.

sammir ugsrecht beschränkten und den Beamten bei schwerer Strafe die Teilnahme
an der politischen Agitation untersagten, die Deputationen aber, welche mit Zu-
stimmuugsadresseu an die liberalen Führer uach Sofia abgehen sollten, schreckte
man dadurch ab, daß man die erste derselben, die in der Hauptstadt eintraf,
von Gensdarmen durchprügeln ließ. Die Aufregung wuchs. Vergebens zogen
drei Minister und zwei Staatsräte durch das Land, um sie zu beschwichtigen.
Natschowitsch wurde jetzt besorgt und ließ die Opposition durch den Exarchen
Jvsif wegen einer Verständigung ausholen. Auch der Fürst erklärte, den Be¬
siegten mit einem neuen Programm entgegenkommen zu Wollen. Desgleichen
ließ man durchblicken, daß einige Ministerftellen mit Liberalen besetzt werden
könnten. Die Führer der Liberalen antworteten, außerhalb des Vvlkswillens
könne nichts Dauerhaftes geschaffen werden, auch sei bei einer Änderung der
Verfassung ein neuer Eid des Fürsten erforderlich. Dies führte dahin, daß
Natschowitsch Zankow, die Seele der Oppositionspartei, am 17. Februar 1882
verhaften und nach der Stadt Wrcitza abführen ließ, wo derselbe achtzehn
Monate eingesperrt blieb. Selbst in Sofia protestirten angesehene Leute beim
Staatsrate dagegen und forderten Bürgschaften gegen ähnliche Maßregeln.
Böses Blut machte hier auch die Ernennung Hadschieuvws, der dem Fürsten
unentbehrlich geworden war und stark von ihm begünstigt wurde, zum Bürger¬
meister der Stadt, und uoch mehr dessen Ausbeutung der Hilfsquellen der
Gemeinde für seine Privatkassc, die er auch durch den ihm übertragenen Bau
einer Straße von Sofia nach Lompalcmka aus dem Staatssäckel bestens zu
füllen verstand.

Zu dieser Verlegenheit gegenüber der liberalen Partei, welche umso größer
wurde, je mehr die Wahlen für das Sobranje herannahten, kam ein Zerwürfnis
mit dem Kriegsminister Krhlow und mit Hitrowo, der schon längst mit den
Liberalen demonstrativ geliebäugelt hatte. Im April erschien der russische Oberst
Stepcmow-Popow aus Moskau in Sofia, um hier gegen den Fürsten zu
wühlen. Dieser ordnete seine Abreise an. Die Liberalen gaben Popow ein
Abschiedsessen, und bei diesem beteiligten sich auch Hitrowo und verschiedne
russische Offiziere. Der Fürst verlangte hierauf von Krylow, er solle seinen
Offizieren verbiete», an solchen Demonstrationen teilzunehmen. Krylow weigerte
sich und erhielt selbstverständlich seine Entlassung. Auf Natschowitschs Anraten
hatte der Fürst bereits im Februar sich beim Kaiser von Rußland zwei seiner
Generale erbeten, welche Minister werden und als solche die Wahlen kräftig be¬
einflussen sollten, und zugleich die Abberufung Hitrvwvs verlangt, „der die
wahren Interessen Rußlands verrate." Zar Alexander III. entsprach diesem
Wunsche seines Vetters und sandte ihm die Generale Svbolew und Kaulbars
zu, von denen jener für die Präsidentschaft und das Innere, dieser zum Kriegs¬
minister bestimmt war. Hitrowo bekam einen Urlaub und wurde vorläufig
durch einen Geschäftsträger ersetzt. Die beiden Generale wurden vom Fürsten


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[0539] Bulgarien und sein Fürst. sammir ugsrecht beschränkten und den Beamten bei schwerer Strafe die Teilnahme an der politischen Agitation untersagten, die Deputationen aber, welche mit Zu- stimmuugsadresseu an die liberalen Führer uach Sofia abgehen sollten, schreckte man dadurch ab, daß man die erste derselben, die in der Hauptstadt eintraf, von Gensdarmen durchprügeln ließ. Die Aufregung wuchs. Vergebens zogen drei Minister und zwei Staatsräte durch das Land, um sie zu beschwichtigen. Natschowitsch wurde jetzt besorgt und ließ die Opposition durch den Exarchen Jvsif wegen einer Verständigung ausholen. Auch der Fürst erklärte, den Be¬ siegten mit einem neuen Programm entgegenkommen zu Wollen. Desgleichen ließ man durchblicken, daß einige Ministerftellen mit Liberalen besetzt werden könnten. Die Führer der Liberalen antworteten, außerhalb des Vvlkswillens könne nichts Dauerhaftes geschaffen werden, auch sei bei einer Änderung der Verfassung ein neuer Eid des Fürsten erforderlich. Dies führte dahin, daß Natschowitsch Zankow, die Seele der Oppositionspartei, am 17. Februar 1882 verhaften und nach der Stadt Wrcitza abführen ließ, wo derselbe achtzehn Monate eingesperrt blieb. Selbst in Sofia protestirten angesehene Leute beim Staatsrate dagegen und forderten Bürgschaften gegen ähnliche Maßregeln. Böses Blut machte hier auch die Ernennung Hadschieuvws, der dem Fürsten unentbehrlich geworden war und stark von ihm begünstigt wurde, zum Bürger¬ meister der Stadt, und uoch mehr dessen Ausbeutung der Hilfsquellen der Gemeinde für seine Privatkassc, die er auch durch den ihm übertragenen Bau einer Straße von Sofia nach Lompalcmka aus dem Staatssäckel bestens zu füllen verstand. Zu dieser Verlegenheit gegenüber der liberalen Partei, welche umso größer wurde, je mehr die Wahlen für das Sobranje herannahten, kam ein Zerwürfnis mit dem Kriegsminister Krhlow und mit Hitrowo, der schon längst mit den Liberalen demonstrativ geliebäugelt hatte. Im April erschien der russische Oberst Stepcmow-Popow aus Moskau in Sofia, um hier gegen den Fürsten zu wühlen. Dieser ordnete seine Abreise an. Die Liberalen gaben Popow ein Abschiedsessen, und bei diesem beteiligten sich auch Hitrowo und verschiedne russische Offiziere. Der Fürst verlangte hierauf von Krylow, er solle seinen Offizieren verbiete», an solchen Demonstrationen teilzunehmen. Krylow weigerte sich und erhielt selbstverständlich seine Entlassung. Auf Natschowitschs Anraten hatte der Fürst bereits im Februar sich beim Kaiser von Rußland zwei seiner Generale erbeten, welche Minister werden und als solche die Wahlen kräftig be¬ einflussen sollten, und zugleich die Abberufung Hitrvwvs verlangt, „der die wahren Interessen Rußlands verrate." Zar Alexander III. entsprach diesem Wunsche seines Vetters und sandte ihm die Generale Svbolew und Kaulbars zu, von denen jener für die Präsidentschaft und das Innere, dieser zum Kriegs¬ minister bestimmt war. Hitrowo bekam einen Urlaub und wurde vorläufig durch einen Geschäftsträger ersetzt. Die beiden Generale wurden vom Fürsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/539>, abgerufen am 25.08.2024.