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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Bulgarien und sein Fürst.

sehr liebenswürdig empfangen, und eine Zeit lang schien das hierdurch ange¬
bahnte Verhältnis Bestand haben zu sollen. Am 5. Juli erschien das Dekret,
welches ihre Ernennung zu bulgarischen Ministern enthielt. Natschowitsch
übernahm wieder die Finanzen, Wnlkowitsch das Äußere, Grekvw die Justiz
und Tescharvw den Unterricht. Svbvlew sah sich sofort nach seinem Amts¬
antritte von beiden Parteien lebhaft umworben, ließ ihnen jedoch bald merken,
er sei weder zur Unterstützung der Liberalen, noch zur Forderung der Konser¬
vativen gekommen, sondern um zu vermitteln und zu versöhnen, wozu dann
seine rücksichtslose Behandlung der Liberalen bei den Wahlen freilich wenig
stimmte. Der Staatsrat hatte inzwischen von den Reformen der Verfassung,
die 1881 angekündigt worden waren, das Wahlgesetz erledigt, welches statt der
direkten Wahlen indirekte einführte und die Zahl der Abgeordneten auf achtzig
beschränkte. Die Neuwahlen, welche für den 10. Dezember anbefohlen worden
waren, wurden wie die letzten von der Regierung mit allen Mitteln beeinflußt:
man schüchterte die Liberalen ein, ließ vielfach nur abstimmen, wen und wie
man wollte, und erklärte die Wahlergebnisse in fünf oder sechs Bezirken, wo
trotzdem liberale Kandidaten durchgegangen waren, für nngiltig, weil erzwungen
oder sonst unregelmäßig erzielt. Dadurch erreichte man, daß im Sobranje aus¬
schließlich Konservative und Türken saßen, von denen die letzteren sämtlich entschie¬
dene Anhänger des Fürsten waren, weil er sich ihrer wiederholt gegen die Liberalen
angenommen hatte, die sie am liebsten aus dem Lande Vertrieben hätten. Mit
der Eröffnung des Sobranje am 22. Dezember, bei welcher Sobolew finanzielle,
wirtschaftliche und gerichtliche Reformvorschläge ankündigte, endigte die absolute
Herrschaft des Fürsten nur der Form nach; denn thatsächlich bestand sie bei
dein Charakter dieser Versammlung zunächst fort.

Sobolew behandelte die bulgarischen Minister von oben herab und fand
bald Ursache, ihnen nicht zu trauen. Wulkowitsch hielt sogar ein Telegramm
auf, das dem Präsidenten des Kabinets einen wichtigen Vorgang meldete. Er
bekam deshalb am 26. Januar 1883 seine Entlassung. Wenn Sobolew ihn durch
Stoilow ersetzte, so geschah es, weil dieser, der gleichfalls verdächtig erschien, sich
als Minister besser überwachen ließ als in der Stellung eines privaten Ratgebers
des Fürsten. Kaulbars beantragte ein Gesetz, nach welchem kein Offizier der
bulgarischen Armee befördert werden konnte, bevor er nicht zwei Jahre in der
russischen gedient hatte, und zwang den Fürsten, es zu unterzeichnen. Im
Sobranje machte man nur deu beiden russischen Mitgliedern des Kabinets
Opposition, welche dies mit geringschätzigen Auftreten gegen die Versammlung
vergalten. Sobolew hatte den Fürsten Hyllow, einen Russen, zum Direktor
der öffentlichen Arbeiten ernannt, die Umgebung des Fürsten ließ den Minister¬
präsidenten durch eine Deputation von Abgeordneten bitten, den Posten einem
Bulgaren zu übertragen. Sobolew gab ihn Natschowitsch, war aber sehr un-
gehalten über diesen Akt des Mißtrauens. Die Synode von Konstantinopel


Bulgarien und sein Fürst.

sehr liebenswürdig empfangen, und eine Zeit lang schien das hierdurch ange¬
bahnte Verhältnis Bestand haben zu sollen. Am 5. Juli erschien das Dekret,
welches ihre Ernennung zu bulgarischen Ministern enthielt. Natschowitsch
übernahm wieder die Finanzen, Wnlkowitsch das Äußere, Grekvw die Justiz
und Tescharvw den Unterricht. Svbvlew sah sich sofort nach seinem Amts¬
antritte von beiden Parteien lebhaft umworben, ließ ihnen jedoch bald merken,
er sei weder zur Unterstützung der Liberalen, noch zur Forderung der Konser¬
vativen gekommen, sondern um zu vermitteln und zu versöhnen, wozu dann
seine rücksichtslose Behandlung der Liberalen bei den Wahlen freilich wenig
stimmte. Der Staatsrat hatte inzwischen von den Reformen der Verfassung,
die 1881 angekündigt worden waren, das Wahlgesetz erledigt, welches statt der
direkten Wahlen indirekte einführte und die Zahl der Abgeordneten auf achtzig
beschränkte. Die Neuwahlen, welche für den 10. Dezember anbefohlen worden
waren, wurden wie die letzten von der Regierung mit allen Mitteln beeinflußt:
man schüchterte die Liberalen ein, ließ vielfach nur abstimmen, wen und wie
man wollte, und erklärte die Wahlergebnisse in fünf oder sechs Bezirken, wo
trotzdem liberale Kandidaten durchgegangen waren, für nngiltig, weil erzwungen
oder sonst unregelmäßig erzielt. Dadurch erreichte man, daß im Sobranje aus¬
schließlich Konservative und Türken saßen, von denen die letzteren sämtlich entschie¬
dene Anhänger des Fürsten waren, weil er sich ihrer wiederholt gegen die Liberalen
angenommen hatte, die sie am liebsten aus dem Lande Vertrieben hätten. Mit
der Eröffnung des Sobranje am 22. Dezember, bei welcher Sobolew finanzielle,
wirtschaftliche und gerichtliche Reformvorschläge ankündigte, endigte die absolute
Herrschaft des Fürsten nur der Form nach; denn thatsächlich bestand sie bei
dein Charakter dieser Versammlung zunächst fort.

Sobolew behandelte die bulgarischen Minister von oben herab und fand
bald Ursache, ihnen nicht zu trauen. Wulkowitsch hielt sogar ein Telegramm
auf, das dem Präsidenten des Kabinets einen wichtigen Vorgang meldete. Er
bekam deshalb am 26. Januar 1883 seine Entlassung. Wenn Sobolew ihn durch
Stoilow ersetzte, so geschah es, weil dieser, der gleichfalls verdächtig erschien, sich
als Minister besser überwachen ließ als in der Stellung eines privaten Ratgebers
des Fürsten. Kaulbars beantragte ein Gesetz, nach welchem kein Offizier der
bulgarischen Armee befördert werden konnte, bevor er nicht zwei Jahre in der
russischen gedient hatte, und zwang den Fürsten, es zu unterzeichnen. Im
Sobranje machte man nur deu beiden russischen Mitgliedern des Kabinets
Opposition, welche dies mit geringschätzigen Auftreten gegen die Versammlung
vergalten. Sobolew hatte den Fürsten Hyllow, einen Russen, zum Direktor
der öffentlichen Arbeiten ernannt, die Umgebung des Fürsten ließ den Minister¬
präsidenten durch eine Deputation von Abgeordneten bitten, den Posten einem
Bulgaren zu übertragen. Sobolew gab ihn Natschowitsch, war aber sehr un-
gehalten über diesen Akt des Mißtrauens. Die Synode von Konstantinopel


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[0540] Bulgarien und sein Fürst. sehr liebenswürdig empfangen, und eine Zeit lang schien das hierdurch ange¬ bahnte Verhältnis Bestand haben zu sollen. Am 5. Juli erschien das Dekret, welches ihre Ernennung zu bulgarischen Ministern enthielt. Natschowitsch übernahm wieder die Finanzen, Wnlkowitsch das Äußere, Grekvw die Justiz und Tescharvw den Unterricht. Svbvlew sah sich sofort nach seinem Amts¬ antritte von beiden Parteien lebhaft umworben, ließ ihnen jedoch bald merken, er sei weder zur Unterstützung der Liberalen, noch zur Forderung der Konser¬ vativen gekommen, sondern um zu vermitteln und zu versöhnen, wozu dann seine rücksichtslose Behandlung der Liberalen bei den Wahlen freilich wenig stimmte. Der Staatsrat hatte inzwischen von den Reformen der Verfassung, die 1881 angekündigt worden waren, das Wahlgesetz erledigt, welches statt der direkten Wahlen indirekte einführte und die Zahl der Abgeordneten auf achtzig beschränkte. Die Neuwahlen, welche für den 10. Dezember anbefohlen worden waren, wurden wie die letzten von der Regierung mit allen Mitteln beeinflußt: man schüchterte die Liberalen ein, ließ vielfach nur abstimmen, wen und wie man wollte, und erklärte die Wahlergebnisse in fünf oder sechs Bezirken, wo trotzdem liberale Kandidaten durchgegangen waren, für nngiltig, weil erzwungen oder sonst unregelmäßig erzielt. Dadurch erreichte man, daß im Sobranje aus¬ schließlich Konservative und Türken saßen, von denen die letzteren sämtlich entschie¬ dene Anhänger des Fürsten waren, weil er sich ihrer wiederholt gegen die Liberalen angenommen hatte, die sie am liebsten aus dem Lande Vertrieben hätten. Mit der Eröffnung des Sobranje am 22. Dezember, bei welcher Sobolew finanzielle, wirtschaftliche und gerichtliche Reformvorschläge ankündigte, endigte die absolute Herrschaft des Fürsten nur der Form nach; denn thatsächlich bestand sie bei dein Charakter dieser Versammlung zunächst fort. Sobolew behandelte die bulgarischen Minister von oben herab und fand bald Ursache, ihnen nicht zu trauen. Wulkowitsch hielt sogar ein Telegramm auf, das dem Präsidenten des Kabinets einen wichtigen Vorgang meldete. Er bekam deshalb am 26. Januar 1883 seine Entlassung. Wenn Sobolew ihn durch Stoilow ersetzte, so geschah es, weil dieser, der gleichfalls verdächtig erschien, sich als Minister besser überwachen ließ als in der Stellung eines privaten Ratgebers des Fürsten. Kaulbars beantragte ein Gesetz, nach welchem kein Offizier der bulgarischen Armee befördert werden konnte, bevor er nicht zwei Jahre in der russischen gedient hatte, und zwang den Fürsten, es zu unterzeichnen. Im Sobranje machte man nur deu beiden russischen Mitgliedern des Kabinets Opposition, welche dies mit geringschätzigen Auftreten gegen die Versammlung vergalten. Sobolew hatte den Fürsten Hyllow, einen Russen, zum Direktor der öffentlichen Arbeiten ernannt, die Umgebung des Fürsten ließ den Minister¬ präsidenten durch eine Deputation von Abgeordneten bitten, den Posten einem Bulgaren zu übertragen. Sobolew gab ihn Natschowitsch, war aber sehr un- gehalten über diesen Akt des Mißtrauens. Die Synode von Konstantinopel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/540>, abgerufen am 25.08.2024.