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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Lhronik derer von Riffclshausen.

trocknete sie die im Krautfaß beschäftigten Hände an der Schürze und knixte
mehrere male, denn sie hatte "Bildung."

Sie wollen zur Mutter? Die gnädige Frau sind doch gar so zuvorkommend!

Ist sie zu Hause? Was machen Sie da, Hegeln?

Kumpes, Frau Hofmarschall'n. Das werden Sie wohl nicht kennen; es
ist ein Bauerngericht. Wenn es aber die gnädige Frau nicht für ungut nehmen,
werd' ich mir erlauben, 'ne Schüssel voll hinübcrzuschicken. Ich weiß doch nie,
wie ich das alles wieder gut machen soll, was Sie an der Mutter thun.

Therese verstand diese Redensart nicht ganz, hielt sich jedoch nicht länger
in der Küche auf, sondern erklomm die schmale Treppe, die in das obere Stock¬
werk hinaufführte. Dort hauste in einem freundlichen Stübchen die alte Hegeln.

Diese würdige Matrone war halb erblindet. Sie spann den ganzen Tag
oder hechelte etwas Werg für die Nachbarinnen. Sonntags ging sie zweimal
zur Kirche. Sie besaß auch ein Gesangbuch mit großem Druck; das lag neben
ihr auf der geschweiften Kommode. Die Buchstaben konnte sie zwar trotz ihrer
Deutlichkeit nicht mehr erkennen, doch las sie die Lieder, die sie auswendig wußte.
Früher, als der alte Pfarrer noch imstande war Treppen zu steigen, hatte er
sie öfters besucht, nun that es die Hofmarschallin.

Sobald Therese irgendwo wirklich glaubte von Nutzen zu sein, war all
ihre Schüchternheit verschwunden, und so war es ihr selbst Herzensbedürfnis
geworden, die Alte aufzusuchen. Sie pflegte dann in ihrem Korbe außer einigen
kräftigenden Nahrungsmitteln erbauliche Schriftchen mitzubringen, die sie mit
angenehmer Stimme vorlas.

Himmeltausenddnnnerwetter! rief der Hegel, indem er den Schnee, der an
seinen Stiefeln festsaß, in der Küche abstumpfte.

Still, du alter Tölpel du, die Gnädige ist oben.

Das Fräulein?

Nein, die Hofmarschalln. Die hat ja keine Ruh, bis sie sich einmal wieder
von der Alten hat was vorträtschen lassen. Doch was soll das, schmutziger
Klotz! Kannst nicht lieber gleich die Wirtschaft in der Stube machen? Der
Mensch vergißt wohl, wer sein Haus reine hält? Denkst du vielleicht, Hegel,
du hättst dir ein Scheuerweib ins Haus geholt?

Nu, nu, du könntst wohl dem Geschrei ein Ende machen, Frau.

Meinst? Lisette stampfte tapfer auf das Kraut, dann fuhr sie etwas milder
fort: Hast das Kleine gut verkauft?

Der Lumpenkerl wollte nicht mehr als fünfundzwanzig geben, 's that
mir von Herzen weh, wie ers forttrieb. Einen Strick hat er ihm ums Bein
gewürgt; doch Not wirds ihm schon machen. So ein Vieh hat dir doch anch --

Nun, ich dächt'! So 'nen Esel, wie du, hätt' ich doch balde noch nicht
gesehn! Verkauft's Schwein ums halbe Geld und freut sich noch obenein.
Nicht einmal dazu bist du gut!


Aus der Lhronik derer von Riffclshausen.

trocknete sie die im Krautfaß beschäftigten Hände an der Schürze und knixte
mehrere male, denn sie hatte „Bildung."

Sie wollen zur Mutter? Die gnädige Frau sind doch gar so zuvorkommend!

Ist sie zu Hause? Was machen Sie da, Hegeln?

Kumpes, Frau Hofmarschall'n. Das werden Sie wohl nicht kennen; es
ist ein Bauerngericht. Wenn es aber die gnädige Frau nicht für ungut nehmen,
werd' ich mir erlauben, 'ne Schüssel voll hinübcrzuschicken. Ich weiß doch nie,
wie ich das alles wieder gut machen soll, was Sie an der Mutter thun.

Therese verstand diese Redensart nicht ganz, hielt sich jedoch nicht länger
in der Küche auf, sondern erklomm die schmale Treppe, die in das obere Stock¬
werk hinaufführte. Dort hauste in einem freundlichen Stübchen die alte Hegeln.

Diese würdige Matrone war halb erblindet. Sie spann den ganzen Tag
oder hechelte etwas Werg für die Nachbarinnen. Sonntags ging sie zweimal
zur Kirche. Sie besaß auch ein Gesangbuch mit großem Druck; das lag neben
ihr auf der geschweiften Kommode. Die Buchstaben konnte sie zwar trotz ihrer
Deutlichkeit nicht mehr erkennen, doch las sie die Lieder, die sie auswendig wußte.
Früher, als der alte Pfarrer noch imstande war Treppen zu steigen, hatte er
sie öfters besucht, nun that es die Hofmarschallin.

Sobald Therese irgendwo wirklich glaubte von Nutzen zu sein, war all
ihre Schüchternheit verschwunden, und so war es ihr selbst Herzensbedürfnis
geworden, die Alte aufzusuchen. Sie pflegte dann in ihrem Korbe außer einigen
kräftigenden Nahrungsmitteln erbauliche Schriftchen mitzubringen, die sie mit
angenehmer Stimme vorlas.

Himmeltausenddnnnerwetter! rief der Hegel, indem er den Schnee, der an
seinen Stiefeln festsaß, in der Küche abstumpfte.

Still, du alter Tölpel du, die Gnädige ist oben.

Das Fräulein?

Nein, die Hofmarschalln. Die hat ja keine Ruh, bis sie sich einmal wieder
von der Alten hat was vorträtschen lassen. Doch was soll das, schmutziger
Klotz! Kannst nicht lieber gleich die Wirtschaft in der Stube machen? Der
Mensch vergißt wohl, wer sein Haus reine hält? Denkst du vielleicht, Hegel,
du hättst dir ein Scheuerweib ins Haus geholt?

Nu, nu, du könntst wohl dem Geschrei ein Ende machen, Frau.

Meinst? Lisette stampfte tapfer auf das Kraut, dann fuhr sie etwas milder
fort: Hast das Kleine gut verkauft?

Der Lumpenkerl wollte nicht mehr als fünfundzwanzig geben, 's that
mir von Herzen weh, wie ers forttrieb. Einen Strick hat er ihm ums Bein
gewürgt; doch Not wirds ihm schon machen. So ein Vieh hat dir doch anch —

Nun, ich dächt'! So 'nen Esel, wie du, hätt' ich doch balde noch nicht
gesehn! Verkauft's Schwein ums halbe Geld und freut sich noch obenein.
Nicht einmal dazu bist du gut!


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[0530] Aus der Lhronik derer von Riffclshausen. trocknete sie die im Krautfaß beschäftigten Hände an der Schürze und knixte mehrere male, denn sie hatte „Bildung." Sie wollen zur Mutter? Die gnädige Frau sind doch gar so zuvorkommend! Ist sie zu Hause? Was machen Sie da, Hegeln? Kumpes, Frau Hofmarschall'n. Das werden Sie wohl nicht kennen; es ist ein Bauerngericht. Wenn es aber die gnädige Frau nicht für ungut nehmen, werd' ich mir erlauben, 'ne Schüssel voll hinübcrzuschicken. Ich weiß doch nie, wie ich das alles wieder gut machen soll, was Sie an der Mutter thun. Therese verstand diese Redensart nicht ganz, hielt sich jedoch nicht länger in der Küche auf, sondern erklomm die schmale Treppe, die in das obere Stock¬ werk hinaufführte. Dort hauste in einem freundlichen Stübchen die alte Hegeln. Diese würdige Matrone war halb erblindet. Sie spann den ganzen Tag oder hechelte etwas Werg für die Nachbarinnen. Sonntags ging sie zweimal zur Kirche. Sie besaß auch ein Gesangbuch mit großem Druck; das lag neben ihr auf der geschweiften Kommode. Die Buchstaben konnte sie zwar trotz ihrer Deutlichkeit nicht mehr erkennen, doch las sie die Lieder, die sie auswendig wußte. Früher, als der alte Pfarrer noch imstande war Treppen zu steigen, hatte er sie öfters besucht, nun that es die Hofmarschallin. Sobald Therese irgendwo wirklich glaubte von Nutzen zu sein, war all ihre Schüchternheit verschwunden, und so war es ihr selbst Herzensbedürfnis geworden, die Alte aufzusuchen. Sie pflegte dann in ihrem Korbe außer einigen kräftigenden Nahrungsmitteln erbauliche Schriftchen mitzubringen, die sie mit angenehmer Stimme vorlas. Himmeltausenddnnnerwetter! rief der Hegel, indem er den Schnee, der an seinen Stiefeln festsaß, in der Küche abstumpfte. Still, du alter Tölpel du, die Gnädige ist oben. Das Fräulein? Nein, die Hofmarschalln. Die hat ja keine Ruh, bis sie sich einmal wieder von der Alten hat was vorträtschen lassen. Doch was soll das, schmutziger Klotz! Kannst nicht lieber gleich die Wirtschaft in der Stube machen? Der Mensch vergißt wohl, wer sein Haus reine hält? Denkst du vielleicht, Hegel, du hättst dir ein Scheuerweib ins Haus geholt? Nu, nu, du könntst wohl dem Geschrei ein Ende machen, Frau. Meinst? Lisette stampfte tapfer auf das Kraut, dann fuhr sie etwas milder fort: Hast das Kleine gut verkauft? Der Lumpenkerl wollte nicht mehr als fünfundzwanzig geben, 's that mir von Herzen weh, wie ers forttrieb. Einen Strick hat er ihm ums Bein gewürgt; doch Not wirds ihm schon machen. So ein Vieh hat dir doch anch — Nun, ich dächt'! So 'nen Esel, wie du, hätt' ich doch balde noch nicht gesehn! Verkauft's Schwein ums halbe Geld und freut sich noch obenein. Nicht einmal dazu bist du gut!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/530>, abgerufen am 24.08.2024.