Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.Porträt, Genre und Landschaft auf der Berliner Jubiläums-Runstansstellung. der Schilderung weidenden Viehes auf feuchten Triften bereits überholt hatte. Wenn man in Deutschland von der Genremalerei zu reden beginnt, Pflegt Porträt, Genre und Landschaft auf der Berliner Jubiläums-Runstansstellung. der Schilderung weidenden Viehes auf feuchten Triften bereits überholt hatte. Wenn man in Deutschland von der Genremalerei zu reden beginnt, Pflegt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0520" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199240"/> <fw type="header" place="top"> Porträt, Genre und Landschaft auf der Berliner Jubiläums-Runstansstellung.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1723" prev="#ID_1722"> der Schilderung weidenden Viehes auf feuchten Triften bereits überholt hatte.<lb/> Otto Gehler hat den nordischen Schafmaler Brendel, der nur mit einem nicht<lb/> gerade hervorragenden „Pferdemarkte" auf der Ausstellung vertreten ist, voll¬<lb/> kommen in den Hintergrund gedrängt. Sein Stallinterienr, in welchem der<lb/> junge Hirt mit einem verwundete» Lamme zur Seite, von alten und jungen<lb/> Schafen umgeben ruht, ist ein koloristisches Meisterstück in der feinen Licht¬<lb/> führung und in der Abstufung der Schatten, welche das Dämmerlicht des<lb/> Raumes wirft. Zügel, Brand und Wcishaupt gehen in ihren Darstellungen<lb/> von pflügendem, weidenden und ausgelassen dahiuspringendem Rindvieh auf<lb/> breite, malerische, hie und da fast dekorative Wirkung aus, während Hermine<lb/> Biedermann-Ahrendts in einem zusammengekoppelten Teckelpaare, welches, im<lb/> tiefen Schnee auf doppelter Führte begriffen, von einander loszukommen strebt,<lb/> Feinheit der Beobachtung und der Charakteristik mit sorgsamer Durchführung<lb/> verbindet. Arthur Thiele endlich, der Maler des Hochwilds, bleibt nicht weit<lb/> hinter dem trefflichsten Vertreter dieses Spezialfaches, hinter dem Düsseldorfer<lb/> Christian Kröner zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_1724" next="#ID_1725"> Wenn man in Deutschland von der Genremalerei zu reden beginnt, Pflegt<lb/> die erste Frage nach Kraus und Vciutier zu lauten. Obwohl Düsseldorf längst<lb/> in Chr. Ludwig Volckmann einen Künstler von starker Individualität und bahn¬<lb/> brechender Bedeutung ius Feld geführt und in München die Schule von Diez<lb/> ein hervorragendes Talent über das andre an den Tag gebracht hat, sieht man<lb/> in jenen beiden Meistern immer noch die Häupter der deutschen Genremalerei.<lb/> Wer dagegen den Entwicklungsgang dieser Künstler während der letzten zehn<lb/> Jahre genauer verfolgt hat, der nennt sie längst nicht mehr zusammen. Es<lb/> scheint, daß der Aufenthalt in Berlin ans Kraus uicht sehr förderlich eingewirkt<lb/> hat. In dem Grade, als sich seine malerische Technik zu einer ungewöhnlichen<lb/> Virtuosität entfaltete, nahm die Naivität seines Schaffens unter den „über¬<lb/> witzigen Leuten" Berlins ab, wurde seine Phantasie lahmer und schwerfälliger.<lb/> Unsre Ausstellung hat eine sogenannte „historische Abteilung." ein willkürliches<lb/> Gemisch von Werken solcher deutschen, meist Berlinischen Künstler, deren Tod<lb/> in das seit 1786 verflossene Jahrhundert füllt, und von Schöpfungen noch le¬<lb/> bender Künstler, die nach der Meinung der Arrangeure dieser Abteilung bereits<lb/> der Geschichte angehören. Hier werden wir durch das „Leichenbegängnis in<lb/> einem hessischen Dorfe" und durch das „Gänsemädchen" an den „historischen"<lb/> Kraus erinnert, an den tiefen Kenner unsrer Volksseele wie an den liebens¬<lb/> würdigen Humoristen, welche Eigenschaften ihm für immer einen Ehrenplatz in der<lb/> modernen Kunstgeschichte sichern werden. Der raffinirte Techniker, welcher über<lb/> der Lösung koloristischer Probleme Mannigfaltigkeit der Erfindung und Feinheit<lb/> und Tiefe der Charakteristik ganz beiseite läßt, zeigt sich dagegen in vier neuerdings<lb/> gemalten Bildern, die in der allgemeinen Abteilung der Ausstellung zu sehen sind.<lb/> Die Zigeunerin, welche auf der Flucht vor Verfolgern in einem Busche ihr Kind<lb/> säugt, das Knüblein, welches, auf dem Fußboden kauernd, mit einem Stiefel<lb/> spielt, der Förster in seinem Heim am warmen Ofen und der in einem Korridor<lb/> wartende Kolporteur — diese vier Bilder mögen wohl koloristischen Feinschmeckern<lb/> einen Augenschmaus gewähren. Wer sich aber an den Kunststücken von Pinsel<lb/> und Palette nicht genügen läßt, sondern von einem Kunstwerke mich geistige<lb/> Interessen befriedigt sehen will, der wird an diesen inhaltlosen Schildereien, die<lb/> nicht einmal sonderlich tief in der Charakteristik der Einzelfiguren sind, eine<lb/> weit geringere Freude haben, als an dem liebenswürdigen, humorvollen, toto-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0520]
Porträt, Genre und Landschaft auf der Berliner Jubiläums-Runstansstellung.
der Schilderung weidenden Viehes auf feuchten Triften bereits überholt hatte.
Otto Gehler hat den nordischen Schafmaler Brendel, der nur mit einem nicht
gerade hervorragenden „Pferdemarkte" auf der Ausstellung vertreten ist, voll¬
kommen in den Hintergrund gedrängt. Sein Stallinterienr, in welchem der
junge Hirt mit einem verwundete» Lamme zur Seite, von alten und jungen
Schafen umgeben ruht, ist ein koloristisches Meisterstück in der feinen Licht¬
führung und in der Abstufung der Schatten, welche das Dämmerlicht des
Raumes wirft. Zügel, Brand und Wcishaupt gehen in ihren Darstellungen
von pflügendem, weidenden und ausgelassen dahiuspringendem Rindvieh auf
breite, malerische, hie und da fast dekorative Wirkung aus, während Hermine
Biedermann-Ahrendts in einem zusammengekoppelten Teckelpaare, welches, im
tiefen Schnee auf doppelter Führte begriffen, von einander loszukommen strebt,
Feinheit der Beobachtung und der Charakteristik mit sorgsamer Durchführung
verbindet. Arthur Thiele endlich, der Maler des Hochwilds, bleibt nicht weit
hinter dem trefflichsten Vertreter dieses Spezialfaches, hinter dem Düsseldorfer
Christian Kröner zurück.
Wenn man in Deutschland von der Genremalerei zu reden beginnt, Pflegt
die erste Frage nach Kraus und Vciutier zu lauten. Obwohl Düsseldorf längst
in Chr. Ludwig Volckmann einen Künstler von starker Individualität und bahn¬
brechender Bedeutung ius Feld geführt und in München die Schule von Diez
ein hervorragendes Talent über das andre an den Tag gebracht hat, sieht man
in jenen beiden Meistern immer noch die Häupter der deutschen Genremalerei.
Wer dagegen den Entwicklungsgang dieser Künstler während der letzten zehn
Jahre genauer verfolgt hat, der nennt sie längst nicht mehr zusammen. Es
scheint, daß der Aufenthalt in Berlin ans Kraus uicht sehr förderlich eingewirkt
hat. In dem Grade, als sich seine malerische Technik zu einer ungewöhnlichen
Virtuosität entfaltete, nahm die Naivität seines Schaffens unter den „über¬
witzigen Leuten" Berlins ab, wurde seine Phantasie lahmer und schwerfälliger.
Unsre Ausstellung hat eine sogenannte „historische Abteilung." ein willkürliches
Gemisch von Werken solcher deutschen, meist Berlinischen Künstler, deren Tod
in das seit 1786 verflossene Jahrhundert füllt, und von Schöpfungen noch le¬
bender Künstler, die nach der Meinung der Arrangeure dieser Abteilung bereits
der Geschichte angehören. Hier werden wir durch das „Leichenbegängnis in
einem hessischen Dorfe" und durch das „Gänsemädchen" an den „historischen"
Kraus erinnert, an den tiefen Kenner unsrer Volksseele wie an den liebens¬
würdigen Humoristen, welche Eigenschaften ihm für immer einen Ehrenplatz in der
modernen Kunstgeschichte sichern werden. Der raffinirte Techniker, welcher über
der Lösung koloristischer Probleme Mannigfaltigkeit der Erfindung und Feinheit
und Tiefe der Charakteristik ganz beiseite läßt, zeigt sich dagegen in vier neuerdings
gemalten Bildern, die in der allgemeinen Abteilung der Ausstellung zu sehen sind.
Die Zigeunerin, welche auf der Flucht vor Verfolgern in einem Busche ihr Kind
säugt, das Knüblein, welches, auf dem Fußboden kauernd, mit einem Stiefel
spielt, der Förster in seinem Heim am warmen Ofen und der in einem Korridor
wartende Kolporteur — diese vier Bilder mögen wohl koloristischen Feinschmeckern
einen Augenschmaus gewähren. Wer sich aber an den Kunststücken von Pinsel
und Palette nicht genügen läßt, sondern von einem Kunstwerke mich geistige
Interessen befriedigt sehen will, der wird an diesen inhaltlosen Schildereien, die
nicht einmal sonderlich tief in der Charakteristik der Einzelfiguren sind, eine
weit geringere Freude haben, als an dem liebenswürdigen, humorvollen, toto-
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