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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Porträt, Genre und Landschaft ans der Berliner Jul'nanus-Runstansstellung,

dabei so durch und durch modern, d, h. den Geist unsrer Zeit und die Uni¬
versalität ihres technischen Könnens widerspiegelnd.

Außer Österreich-Ungarn sind, wie wir sogleich hinzufügen wollen, die
Briten die einzigen an der Ausstellung beteiligten Ausländer, welche für eine
angemessene Vertretung ihrer Kunst gesorgt haben. In der italienischen,
spanischen und belgischen Abteilung findet man wohl einige hervorragende Werke.
Aber das Ganze hat der Zufall zusammengewürfelt. Rußland, Dänemark, die
skandinavischen Länder und Holland sind so mittelmäßig vertreten, daß mau
nach diesen spärlichen Proben weder die Kunstthätigkeit jener Nationen beur¬
teilen, noch für die Berliner Ausstellung den Titel einer internationalen bean¬
spruchen kann. Die Ausstellung ist im wesentlichen eine rein deutsche, sodaß
wir nur selten Gelegenheit haben, auf ein ausländisches Werk hinzuweisen oder
ein solches zum Vergleich heranzuziehen. Nur soviel wollen wir noch beiläufig
bemerken, daß die englische Ausstellung auch außer dem Herkomerschen Bildnis
noch eine Anzahl hervorragender Porträts aufzuweisen hat. Seit den Tagen
Holbeins ist England ein der Blüte der Porträtmalerei sehr zuträglicher Boden.
Der Glanz, welchen im siebzehnten Jahrhundert van Dhck und Peter Lely über
England gebreitet und den dann Gainsborvugh und Reynolds erhalten haben,
ist heute noch nicht erblichen. An die beiden zuerst genannten Meister des
Bildnisses wird man durch die Porträts von John Everett Millais erinnert,
namentlich durch das einer Dame in geblümter, auch im Schnitt archaisirender Robe,
während desselben Künstlers rvtröckigcr greiser Towerwächter eine selbständigere,
breitere und energievvllcrcr Mache bei derb zugreifender Charakteristik zeigt.
Noch unabhängiger, fast naturalistisch gestimmt, soweit bei einem Engländer von
Naturalismus die Rede sein kann, ist W. W. Ouleß. Seine Pinselführung
hat eine fast burschikose Ungebundenheit, ganz im Gegensatz zu dem weichlichen,
sentimentalen William Blake Richmond, der seine Bildnisse so glatt und mit
so deutlicher Kalligraphie niederschreibe wie Denner, aber dabei sehr vornehm
ist und namentlich in der Wiedergabe und der Beseelung des Auges aus¬
gezeichnetes leistet. James WlMler verleugnet in dein pikanten Arrangement
seiner Porträts auch heute noch nicht seine französische Lehrzeit, die er bei
Glehre durchgemacht hat. Ju der kapriziösen Farbenzusammeiistellung ist er
dagegen ganz Engländer. So setzt er z. V. die lebensgroße, ganze Figur
einer Dame auf einen tiefdunkeln, fast schwarzen Hintergrund und stumpft noch
dazu alle Lokalfarbcn bis zu völliger Neutralität ab.

Ebensowenig wie die deutschen Porträtmaler hat auch einer der Spezialisten
des Tierbildcs, des Architektlirstücks und des Stilllebens neue Saiten auf¬
gezogen, was übrigens bei der hohen Vortrefflichkeit, zu welcher gerade diese
Zweige der Malerei in Deutschland ausgebildet sind, seine Schwierigkeiten haben
mag. Den ausgezeichnetsten Stilllebenmaler, einen wahre" Tausendkünstler in
der Wiedergabe auch der zierlichsten Erzeugnisse der Kleinkunst, finden wir in


Porträt, Genre und Landschaft ans der Berliner Jul'nanus-Runstansstellung,

dabei so durch und durch modern, d, h. den Geist unsrer Zeit und die Uni¬
versalität ihres technischen Könnens widerspiegelnd.

Außer Österreich-Ungarn sind, wie wir sogleich hinzufügen wollen, die
Briten die einzigen an der Ausstellung beteiligten Ausländer, welche für eine
angemessene Vertretung ihrer Kunst gesorgt haben. In der italienischen,
spanischen und belgischen Abteilung findet man wohl einige hervorragende Werke.
Aber das Ganze hat der Zufall zusammengewürfelt. Rußland, Dänemark, die
skandinavischen Länder und Holland sind so mittelmäßig vertreten, daß mau
nach diesen spärlichen Proben weder die Kunstthätigkeit jener Nationen beur¬
teilen, noch für die Berliner Ausstellung den Titel einer internationalen bean¬
spruchen kann. Die Ausstellung ist im wesentlichen eine rein deutsche, sodaß
wir nur selten Gelegenheit haben, auf ein ausländisches Werk hinzuweisen oder
ein solches zum Vergleich heranzuziehen. Nur soviel wollen wir noch beiläufig
bemerken, daß die englische Ausstellung auch außer dem Herkomerschen Bildnis
noch eine Anzahl hervorragender Porträts aufzuweisen hat. Seit den Tagen
Holbeins ist England ein der Blüte der Porträtmalerei sehr zuträglicher Boden.
Der Glanz, welchen im siebzehnten Jahrhundert van Dhck und Peter Lely über
England gebreitet und den dann Gainsborvugh und Reynolds erhalten haben,
ist heute noch nicht erblichen. An die beiden zuerst genannten Meister des
Bildnisses wird man durch die Porträts von John Everett Millais erinnert,
namentlich durch das einer Dame in geblümter, auch im Schnitt archaisirender Robe,
während desselben Künstlers rvtröckigcr greiser Towerwächter eine selbständigere,
breitere und energievvllcrcr Mache bei derb zugreifender Charakteristik zeigt.
Noch unabhängiger, fast naturalistisch gestimmt, soweit bei einem Engländer von
Naturalismus die Rede sein kann, ist W. W. Ouleß. Seine Pinselführung
hat eine fast burschikose Ungebundenheit, ganz im Gegensatz zu dem weichlichen,
sentimentalen William Blake Richmond, der seine Bildnisse so glatt und mit
so deutlicher Kalligraphie niederschreibe wie Denner, aber dabei sehr vornehm
ist und namentlich in der Wiedergabe und der Beseelung des Auges aus¬
gezeichnetes leistet. James WlMler verleugnet in dein pikanten Arrangement
seiner Porträts auch heute noch nicht seine französische Lehrzeit, die er bei
Glehre durchgemacht hat. Ju der kapriziösen Farbenzusammeiistellung ist er
dagegen ganz Engländer. So setzt er z. V. die lebensgroße, ganze Figur
einer Dame auf einen tiefdunkeln, fast schwarzen Hintergrund und stumpft noch
dazu alle Lokalfarbcn bis zu völliger Neutralität ab.

Ebensowenig wie die deutschen Porträtmaler hat auch einer der Spezialisten
des Tierbildcs, des Architektlirstücks und des Stilllebens neue Saiten auf¬
gezogen, was übrigens bei der hohen Vortrefflichkeit, zu welcher gerade diese
Zweige der Malerei in Deutschland ausgebildet sind, seine Schwierigkeiten haben
mag. Den ausgezeichnetsten Stilllebenmaler, einen wahre» Tausendkünstler in
der Wiedergabe auch der zierlichsten Erzeugnisse der Kleinkunst, finden wir in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/517>, abgerufen am 23.07.2024.