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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

stimmten Anerben gesichert. Allein für die Allgemeinheit ist damit wenig ge¬
wonnen. Denn dieser Anerbe kann ja seinen Hof zu dem höheren Preise des
freien Marktes verkaufen, womit dann die Schlinge, von welcher ihn das
Ancrbenrecht frei gehalten hat, einem andern um den Hals geworfen wird.
Solange der Preis der Güter nicht nnr wortis va,u>M, sondern auch mehr vivos
auf ein erträgliches Maß zurückgeführt wird, muß daher das Anerbenrecht, selbst
in dem kleineren Kreise, ans den es berechnet ist, ohne nachhaltige Wirkung
bleiben (ganz abgesehen von deu Schwierigkeiten, welche es in Bezug auf die
Abfindung der Miterben bietet).

Die -- wenn ich nicht irre, zuerst von Schaffte empfohlene -- Inkor¬
poration der Güter greift die Sache von einer andern Seite an. Diese Richtung
erblickt den hauptsächlichsten Sitz des Übels in der übermäßigen Belastung der
Grundstücke mit Hypotheken. Es sollen deshalb die Gutsbesitzer in Zwangs-
gcnvssenschaften vereinigt werden, welche die Höhe der zulässigen Belastung be¬
stimmen. Der konservative Abgeordnete von Erfsa drückte sich in der Sitzung
vom 12. April d. I. in dieser Beziehung unter Beifall der rechten Seite des Hauses
folgendermaßen aus: "Die jetzige Form des Kapitalkredits für die Landwirtschaft
halte ich für ein Unglück; auch Freiherr vom Stein ist derselben Ansicht gewesen.
Der Kapitalkrcdit für den Grundbesitz dürfte nur bis zu einer gewissen Grenze
erlaubt sein. So gut wir ein Staatsschuldbuch haben, könnten wir auch Land-
Ichuldbücher für die einzelnen Provinzen einrichten, wonach der Grundbesitz nur
zu einer gewissen Höhe mit unkündbaren, amortisirbarcu Renten belastet
werden dürfte. Die Jndividualhhpvthck müßte so ganz aufhören. Ich halte
den jetzigen Zeitpunkt für eine derartige Reform, wegen des niedrigen Zinsfußes,
für ganz besonders geeignet."

Wenn mau un" auch ganz absehen will von der, wie mir scheint, unüber¬
windlichen Schwierigkeit, die Grundbesitzer, insbesondre die meist überschütteten
deinen, auf die es doch in erster Linie abgesehen sein muß, zum Beitritt in
se'lebe Genossenschaften zu bewegen, da auch ein gesetzlicher Zwang ohne vorherige
^ullastung der Gezwungenen ans Staatskosten bis zu der von der Genossen-
schaft zu bestimmenden Maximalgrenze ohne Erfolg bleiben müßte, wenn man,
ich, auch von diesen Schwierigkeiten absehen will, so ist es doch gewiß,
daß eine solche Maßregel nicht das Übel selbst, sondern nnr ein einzelnes
Symptom desselben angreifen würde. Denn die Möglichkeit höherer Hypothekar-
^lastung ist ja nur eine Folge der hohen Gutspreise, und diese hohen Preise
wiederum sind lediglich eine Folge der Monopvlcigenschaft des Grundeigentums.
Auch würde die Maßregel ohne Wirkung auf die hypothekenfreien Gutsbesitzer
Reiben, die nach wie vor ihre Wirtschaftsrechnung mit der hohen Rente ihres
hohen Gutsprcises belasten müßte"; ebensowenig würden die Pächter Vorteil
davon haben, da die Grundbesitzer nach wie vor auf einem Pacht bestehen
würden, welcher eine genügende Verzinsung des im Gute angelegten Kapitals bildet.


Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

stimmten Anerben gesichert. Allein für die Allgemeinheit ist damit wenig ge¬
wonnen. Denn dieser Anerbe kann ja seinen Hof zu dem höheren Preise des
freien Marktes verkaufen, womit dann die Schlinge, von welcher ihn das
Ancrbenrecht frei gehalten hat, einem andern um den Hals geworfen wird.
Solange der Preis der Güter nicht nnr wortis va,u>M, sondern auch mehr vivos
auf ein erträgliches Maß zurückgeführt wird, muß daher das Anerbenrecht, selbst
in dem kleineren Kreise, ans den es berechnet ist, ohne nachhaltige Wirkung
bleiben (ganz abgesehen von deu Schwierigkeiten, welche es in Bezug auf die
Abfindung der Miterben bietet).

Die — wenn ich nicht irre, zuerst von Schaffte empfohlene — Inkor¬
poration der Güter greift die Sache von einer andern Seite an. Diese Richtung
erblickt den hauptsächlichsten Sitz des Übels in der übermäßigen Belastung der
Grundstücke mit Hypotheken. Es sollen deshalb die Gutsbesitzer in Zwangs-
gcnvssenschaften vereinigt werden, welche die Höhe der zulässigen Belastung be¬
stimmen. Der konservative Abgeordnete von Erfsa drückte sich in der Sitzung
vom 12. April d. I. in dieser Beziehung unter Beifall der rechten Seite des Hauses
folgendermaßen aus: „Die jetzige Form des Kapitalkredits für die Landwirtschaft
halte ich für ein Unglück; auch Freiherr vom Stein ist derselben Ansicht gewesen.
Der Kapitalkrcdit für den Grundbesitz dürfte nur bis zu einer gewissen Grenze
erlaubt sein. So gut wir ein Staatsschuldbuch haben, könnten wir auch Land-
Ichuldbücher für die einzelnen Provinzen einrichten, wonach der Grundbesitz nur
zu einer gewissen Höhe mit unkündbaren, amortisirbarcu Renten belastet
werden dürfte. Die Jndividualhhpvthck müßte so ganz aufhören. Ich halte
den jetzigen Zeitpunkt für eine derartige Reform, wegen des niedrigen Zinsfußes,
für ganz besonders geeignet."

Wenn mau un» auch ganz absehen will von der, wie mir scheint, unüber¬
windlichen Schwierigkeit, die Grundbesitzer, insbesondre die meist überschütteten
deinen, auf die es doch in erster Linie abgesehen sein muß, zum Beitritt in
se'lebe Genossenschaften zu bewegen, da auch ein gesetzlicher Zwang ohne vorherige
^ullastung der Gezwungenen ans Staatskosten bis zu der von der Genossen-
schaft zu bestimmenden Maximalgrenze ohne Erfolg bleiben müßte, wenn man,
ich, auch von diesen Schwierigkeiten absehen will, so ist es doch gewiß,
daß eine solche Maßregel nicht das Übel selbst, sondern nnr ein einzelnes
Symptom desselben angreifen würde. Denn die Möglichkeit höherer Hypothekar-
^lastung ist ja nur eine Folge der hohen Gutspreise, und diese hohen Preise
wiederum sind lediglich eine Folge der Monopvlcigenschaft des Grundeigentums.
Auch würde die Maßregel ohne Wirkung auf die hypothekenfreien Gutsbesitzer
Reiben, die nach wie vor ihre Wirtschaftsrechnung mit der hohen Rente ihres
hohen Gutsprcises belasten müßte»; ebensowenig würden die Pächter Vorteil
davon haben, da die Grundbesitzer nach wie vor auf einem Pacht bestehen
würden, welcher eine genügende Verzinsung des im Gute angelegten Kapitals bildet.


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[0499] Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen. stimmten Anerben gesichert. Allein für die Allgemeinheit ist damit wenig ge¬ wonnen. Denn dieser Anerbe kann ja seinen Hof zu dem höheren Preise des freien Marktes verkaufen, womit dann die Schlinge, von welcher ihn das Ancrbenrecht frei gehalten hat, einem andern um den Hals geworfen wird. Solange der Preis der Güter nicht nnr wortis va,u>M, sondern auch mehr vivos auf ein erträgliches Maß zurückgeführt wird, muß daher das Anerbenrecht, selbst in dem kleineren Kreise, ans den es berechnet ist, ohne nachhaltige Wirkung bleiben (ganz abgesehen von deu Schwierigkeiten, welche es in Bezug auf die Abfindung der Miterben bietet). Die — wenn ich nicht irre, zuerst von Schaffte empfohlene — Inkor¬ poration der Güter greift die Sache von einer andern Seite an. Diese Richtung erblickt den hauptsächlichsten Sitz des Übels in der übermäßigen Belastung der Grundstücke mit Hypotheken. Es sollen deshalb die Gutsbesitzer in Zwangs- gcnvssenschaften vereinigt werden, welche die Höhe der zulässigen Belastung be¬ stimmen. Der konservative Abgeordnete von Erfsa drückte sich in der Sitzung vom 12. April d. I. in dieser Beziehung unter Beifall der rechten Seite des Hauses folgendermaßen aus: „Die jetzige Form des Kapitalkredits für die Landwirtschaft halte ich für ein Unglück; auch Freiherr vom Stein ist derselben Ansicht gewesen. Der Kapitalkrcdit für den Grundbesitz dürfte nur bis zu einer gewissen Grenze erlaubt sein. So gut wir ein Staatsschuldbuch haben, könnten wir auch Land- Ichuldbücher für die einzelnen Provinzen einrichten, wonach der Grundbesitz nur zu einer gewissen Höhe mit unkündbaren, amortisirbarcu Renten belastet werden dürfte. Die Jndividualhhpvthck müßte so ganz aufhören. Ich halte den jetzigen Zeitpunkt für eine derartige Reform, wegen des niedrigen Zinsfußes, für ganz besonders geeignet." Wenn mau un» auch ganz absehen will von der, wie mir scheint, unüber¬ windlichen Schwierigkeit, die Grundbesitzer, insbesondre die meist überschütteten deinen, auf die es doch in erster Linie abgesehen sein muß, zum Beitritt in se'lebe Genossenschaften zu bewegen, da auch ein gesetzlicher Zwang ohne vorherige ^ullastung der Gezwungenen ans Staatskosten bis zu der von der Genossen- schaft zu bestimmenden Maximalgrenze ohne Erfolg bleiben müßte, wenn man, ich, auch von diesen Schwierigkeiten absehen will, so ist es doch gewiß, daß eine solche Maßregel nicht das Übel selbst, sondern nnr ein einzelnes Symptom desselben angreifen würde. Denn die Möglichkeit höherer Hypothekar- ^lastung ist ja nur eine Folge der hohen Gutspreise, und diese hohen Preise wiederum sind lediglich eine Folge der Monopvlcigenschaft des Grundeigentums. Auch würde die Maßregel ohne Wirkung auf die hypothekenfreien Gutsbesitzer Reiben, die nach wie vor ihre Wirtschaftsrechnung mit der hohen Rente ihres hohen Gutsprcises belasten müßte»; ebensowenig würden die Pächter Vorteil davon haben, da die Grundbesitzer nach wie vor auf einem Pacht bestehen würden, welcher eine genügende Verzinsung des im Gute angelegten Kapitals bildet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/499>, abgerufen am 23.07.2024.