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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die dcuische Lcmdliga und ihre Bestrebungen.

Allerdings würde, wenn es gelänge, alle Gutsbesitzer in jenen Zwangs-
gcnvssenschaften zu vereinigen, vielleicht mit der Zeit auch eine Minderung der
Gutspreise eintreten könne", insofern die Zahl der Kaufliebhaber um diejenigen
vermindert werden würde, welche ohne eine stärkere Inanspruchnahme des Neal-
kredits, als ihn die Genossenschaft gestattet, nicht zu kaufen vermögen. Allein
es ist doch sehr fraglich, ob diese Wirkung in einem anch nnr annähernd zu¬
lässigen Verhältnisse zu dem Opfer stehen würde, welches Staat und Steuer¬
zahler bringen müßten, um die Entlastung der inkorporirten Grundstücke bis zur
gesetzlichen Maximalgrenze zu ermöglichen.

Ob es gelingen könnte, das Mehr der zulässigen Realbelastnng unter
solidarischer Haftung der Genossenschaften in Personallrcdit zu verwandeln,
wage ich nicht zu entscheiden; aber auch in diesem Falle würde eine gründliche
Heilung des Übels nicht zu erwarten sein, sonder" nur die Linderung eines
Symptoms desselben. Gewiß ist es hart, einer so zahlreichen und achtuugs-
werten Klasse, wie es die Grundbesitzer sind, das Bekenntnis abzunötigen, daß
ihr Eigentum den ökonomischen Wert nicht mehr habe, den sie sich berechtigt
glauben, demselben beizumessen. Aber Thatsachen sind unerbittlich und grausam,
und es läßt sich von ihren Forderungen nicht leicht etwas abhandeln.

I" welcher Weise, auf welchem Wege das große Problem seine Lösung
finden wird, wer möchte das zu sagen wagen! Daß solche homöopathische Mittel
wie Anerbenrecht und Inkorporation sehr wesentlich zur Losung beitragen könnten,
ist meines Erachtens stark zu bezweifeln. Übrigens berühren sie auch nur die
eine Seite des Problems, nämlich die Entfernung der hohen Grnndrentenkapital-
zinsen aus der Wirtschaftsrechnung, und dieses Ziel könnte im Laufe der Zeit
vielleicht ebensowohl durch allmähliches Absterben des Mvnopolwertes erreicht
werden, d. h. die Erkenntnis, daß für die Grundrente nicht mehr verlangt
werden kauu, als was die Wirtschaft übrig läßt, könnte allgemeine und praktische
Geltung finden. Alsdann würden sich die großen und kleinen Landwirte zwar
mit den niedrigen Getreidepreisen abfinden können und die Not der Landwirt¬
schaft würde verstummen, allein die weitere Frage, welche Stelle der Grund
und Boden eines Landes für die Gesamternährung des Volkes zu spielen habe,
und ob der Grund und Boden der Aufgabe auf die Dauer enthoben bleiben
dürfe, einem Gesamtbedttrfnis und uicht nnr Einzelzweckcn zu dienen, ob es
nicht sein Beruf sei, eine zahlreiche Klasse voll Menschen, die jetzt an der
äußersten Grenze möglicher Armut stehen, zu behäbige!,, kvnsnmtiousfühigen
Wirten umzuwandeln, welche die gegenwärtige und, wie ich glaube, von unsern
Zuständen untrennbare Überproduktion der Industrie besser als alle Ausfuhr
beseitigen könnten, diese Seite des Problems bliebe noch immer gleich weit von
der Lösung entfernt. Das Problem aber besteht und seine Lösung wird uns
nicht erspart werden, dafür sorgen Sozialdemokratie und Anarchismus, und daß
damit nicht über die Gebühr gezögert werde, daran mahnen Charleroi und


Die dcuische Lcmdliga und ihre Bestrebungen.

Allerdings würde, wenn es gelänge, alle Gutsbesitzer in jenen Zwangs-
gcnvssenschaften zu vereinigen, vielleicht mit der Zeit auch eine Minderung der
Gutspreise eintreten könne», insofern die Zahl der Kaufliebhaber um diejenigen
vermindert werden würde, welche ohne eine stärkere Inanspruchnahme des Neal-
kredits, als ihn die Genossenschaft gestattet, nicht zu kaufen vermögen. Allein
es ist doch sehr fraglich, ob diese Wirkung in einem anch nnr annähernd zu¬
lässigen Verhältnisse zu dem Opfer stehen würde, welches Staat und Steuer¬
zahler bringen müßten, um die Entlastung der inkorporirten Grundstücke bis zur
gesetzlichen Maximalgrenze zu ermöglichen.

Ob es gelingen könnte, das Mehr der zulässigen Realbelastnng unter
solidarischer Haftung der Genossenschaften in Personallrcdit zu verwandeln,
wage ich nicht zu entscheiden; aber auch in diesem Falle würde eine gründliche
Heilung des Übels nicht zu erwarten sein, sonder» nur die Linderung eines
Symptoms desselben. Gewiß ist es hart, einer so zahlreichen und achtuugs-
werten Klasse, wie es die Grundbesitzer sind, das Bekenntnis abzunötigen, daß
ihr Eigentum den ökonomischen Wert nicht mehr habe, den sie sich berechtigt
glauben, demselben beizumessen. Aber Thatsachen sind unerbittlich und grausam,
und es läßt sich von ihren Forderungen nicht leicht etwas abhandeln.

I» welcher Weise, auf welchem Wege das große Problem seine Lösung
finden wird, wer möchte das zu sagen wagen! Daß solche homöopathische Mittel
wie Anerbenrecht und Inkorporation sehr wesentlich zur Losung beitragen könnten,
ist meines Erachtens stark zu bezweifeln. Übrigens berühren sie auch nur die
eine Seite des Problems, nämlich die Entfernung der hohen Grnndrentenkapital-
zinsen aus der Wirtschaftsrechnung, und dieses Ziel könnte im Laufe der Zeit
vielleicht ebensowohl durch allmähliches Absterben des Mvnopolwertes erreicht
werden, d. h. die Erkenntnis, daß für die Grundrente nicht mehr verlangt
werden kauu, als was die Wirtschaft übrig läßt, könnte allgemeine und praktische
Geltung finden. Alsdann würden sich die großen und kleinen Landwirte zwar
mit den niedrigen Getreidepreisen abfinden können und die Not der Landwirt¬
schaft würde verstummen, allein die weitere Frage, welche Stelle der Grund
und Boden eines Landes für die Gesamternährung des Volkes zu spielen habe,
und ob der Grund und Boden der Aufgabe auf die Dauer enthoben bleiben
dürfe, einem Gesamtbedttrfnis und uicht nnr Einzelzweckcn zu dienen, ob es
nicht sein Beruf sei, eine zahlreiche Klasse voll Menschen, die jetzt an der
äußersten Grenze möglicher Armut stehen, zu behäbige!,, kvnsnmtiousfühigen
Wirten umzuwandeln, welche die gegenwärtige und, wie ich glaube, von unsern
Zuständen untrennbare Überproduktion der Industrie besser als alle Ausfuhr
beseitigen könnten, diese Seite des Problems bliebe noch immer gleich weit von
der Lösung entfernt. Das Problem aber besteht und seine Lösung wird uns
nicht erspart werden, dafür sorgen Sozialdemokratie und Anarchismus, und daß
damit nicht über die Gebühr gezögert werde, daran mahnen Charleroi und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/500>, abgerufen am 24.08.2024.