Bulgarien und sein Fürst. Blicke auf ihre letzten acht Jahre. 1.
le neuesten Ereignisse in Bulgarien sind bekannt, soweit man sie aus der Tagespresse kennen lernen kauu. Wir werden sie also hier nicht zu erzählen brauchen. Dagegen wird ein Versuch, sie verstehen zu lehren, willkommen sein, und am nächsten zu ge¬ nügendem Verständnis derselben führt ein Rückblick auf die letzte Zeit, die ihnen vorausgegangen ist. Im folgenden geben wir daher einen solchen Rückblick, und zwar enthalten wir uns dabei nach Möglichkeit aller Voreingenommenheit und Parteilichkeit, was uns umso leichter fällt, als in Bulgarien kein deutsches Interesse gefährdet ist, und sein Fürst uns nur in mäßigem Grade die Gefühle zu verdienen scheint, die er andern eingeflößt hat.*)
Der Ausgang des russisch-türki-schen Krieges führte auf der Balkanhalbinsel M wesentlichen zur Entstehung von zwei neuen staatlichen Gebilden, indem der
*) Hauptquellen sind uns die soeben erschienenen Schriften: "Bulgarien und Ostrumelien" von Spiridion Goptschewitsch (Leipzig, Mischer, 616 S,) und "Der Kampf der Bulgaren um 'hre Nationaleinheit" von A. V.Huhn (Leipzig, Duncker und Humblot, 321 S.). Goptschewitsch, k'u sprachenkundiger und vielgereister Montenegriner, giebt -- leider oft in sehr ordinärem Stile -- reiches Detail über Land und Leute im allgemeinen, alte und neue Geschichte ^selben, Charakterbilder von den gegenwärtig hier hervorragenden Persönlichkeiten, endlich seine Beobachtungen und Erlebnisse im serbisch-bulgarischen Kriege, v. Huhu beschränkt sich ni der Hauptsache auf diesen. Jener urteilt vom Standpunkte des liberalen Slawen und ^"sscnfrcundes, dieser dagegen nimmt entschieden Partei fiir den Fürsten Alexander, den er sehr hochstellt, während jener ihn nach Kräften herabzieht. Beide kompensiren und korrigiren "tho einander, wenn man sie mit kritischem Blicke zusnmmenhiilt.
Grenzboten III. 1836. 61
Bulgarien und sein Fürst. Blicke auf ihre letzten acht Jahre. 1.
le neuesten Ereignisse in Bulgarien sind bekannt, soweit man sie aus der Tagespresse kennen lernen kauu. Wir werden sie also hier nicht zu erzählen brauchen. Dagegen wird ein Versuch, sie verstehen zu lehren, willkommen sein, und am nächsten zu ge¬ nügendem Verständnis derselben führt ein Rückblick auf die letzte Zeit, die ihnen vorausgegangen ist. Im folgenden geben wir daher einen solchen Rückblick, und zwar enthalten wir uns dabei nach Möglichkeit aller Voreingenommenheit und Parteilichkeit, was uns umso leichter fällt, als in Bulgarien kein deutsches Interesse gefährdet ist, und sein Fürst uns nur in mäßigem Grade die Gefühle zu verdienen scheint, die er andern eingeflößt hat.*)
Der Ausgang des russisch-türki-schen Krieges führte auf der Balkanhalbinsel M wesentlichen zur Entstehung von zwei neuen staatlichen Gebilden, indem der
*) Hauptquellen sind uns die soeben erschienenen Schriften: „Bulgarien und Ostrumelien" von Spiridion Goptschewitsch (Leipzig, Mischer, 616 S,) und „Der Kampf der Bulgaren um 'hre Nationaleinheit" von A. V.Huhn (Leipzig, Duncker und Humblot, 321 S.). Goptschewitsch, k'u sprachenkundiger und vielgereister Montenegriner, giebt — leider oft in sehr ordinärem Stile — reiches Detail über Land und Leute im allgemeinen, alte und neue Geschichte ^selben, Charakterbilder von den gegenwärtig hier hervorragenden Persönlichkeiten, endlich seine Beobachtungen und Erlebnisse im serbisch-bulgarischen Kriege, v. Huhu beschränkt sich ni der Hauptsache auf diesen. Jener urteilt vom Standpunkte des liberalen Slawen und ^"sscnfrcundes, dieser dagegen nimmt entschieden Partei fiir den Fürsten Alexander, den er sehr hochstellt, während jener ihn nach Kräften herabzieht. Beide kompensiren und korrigiren "tho einander, wenn man sie mit kritischem Blicke zusnmmenhiilt.
Grenzboten III. 1836. 61
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0489"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199209"/><figurefacs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341843_198719/figures/grenzboten_341843_198719_199209_000.jpg"/><lb/></div></div><divn="1"><head> Bulgarien und sein Fürst.<lb/>
Blicke auf ihre letzten acht Jahre.<lb/>
1.</head><lb/><pxml:id="ID_1641"> le neuesten Ereignisse in Bulgarien sind bekannt, soweit man sie<lb/>
aus der Tagespresse kennen lernen kauu. Wir werden sie also<lb/>
hier nicht zu erzählen brauchen. Dagegen wird ein Versuch, sie<lb/>
verstehen zu lehren, willkommen sein, und am nächsten zu ge¬<lb/>
nügendem Verständnis derselben führt ein Rückblick auf die letzte<lb/>
Zeit, die ihnen vorausgegangen ist. Im folgenden geben wir daher einen<lb/>
solchen Rückblick, und zwar enthalten wir uns dabei nach Möglichkeit aller<lb/>
Voreingenommenheit und Parteilichkeit, was uns umso leichter fällt, als in<lb/>
Bulgarien kein deutsches Interesse gefährdet ist, und sein Fürst uns nur in<lb/>
mäßigem Grade die Gefühle zu verdienen scheint, die er andern eingeflößt hat.*)</p><lb/><pxml:id="ID_1642"next="#ID_1643"> Der Ausgang des russisch-türki-schen Krieges führte auf der Balkanhalbinsel<lb/>
M wesentlichen zur Entstehung von zwei neuen staatlichen Gebilden, indem der</p><lb/><notexml:id="FID_63"place="foot"> *) Hauptquellen sind uns die soeben erschienenen Schriften: „Bulgarien und Ostrumelien"<lb/>
von Spiridion Goptschewitsch (Leipzig, Mischer, 616 S,) und „Der Kampf der Bulgaren um<lb/>
'hre Nationaleinheit" von A. V.Huhn (Leipzig, Duncker und Humblot, 321 S.). Goptschewitsch,<lb/>
k'u sprachenkundiger und vielgereister Montenegriner, giebt — leider oft in sehr ordinärem<lb/>
Stile — reiches Detail über Land und Leute im allgemeinen, alte und neue Geschichte<lb/>
^selben, Charakterbilder von den gegenwärtig hier hervorragenden Persönlichkeiten, endlich<lb/>
seine Beobachtungen und Erlebnisse im serbisch-bulgarischen Kriege, v. Huhu beschränkt sich<lb/>
ni der Hauptsache auf diesen. Jener urteilt vom Standpunkte des liberalen Slawen und<lb/>
^"sscnfrcundes, dieser dagegen nimmt entschieden Partei fiir den Fürsten Alexander, den er<lb/>
sehr hochstellt, während jener ihn nach Kräften herabzieht. Beide kompensiren und korrigiren<lb/>
"tho einander, wenn man sie mit kritischem Blicke zusnmmenhiilt.</note><lb/><fwtype="sig"place="bottom"> Grenzboten III. 1836. 61</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[0489]
[Abbildung]
Bulgarien und sein Fürst.
Blicke auf ihre letzten acht Jahre.
1.
le neuesten Ereignisse in Bulgarien sind bekannt, soweit man sie
aus der Tagespresse kennen lernen kauu. Wir werden sie also
hier nicht zu erzählen brauchen. Dagegen wird ein Versuch, sie
verstehen zu lehren, willkommen sein, und am nächsten zu ge¬
nügendem Verständnis derselben führt ein Rückblick auf die letzte
Zeit, die ihnen vorausgegangen ist. Im folgenden geben wir daher einen
solchen Rückblick, und zwar enthalten wir uns dabei nach Möglichkeit aller
Voreingenommenheit und Parteilichkeit, was uns umso leichter fällt, als in
Bulgarien kein deutsches Interesse gefährdet ist, und sein Fürst uns nur in
mäßigem Grade die Gefühle zu verdienen scheint, die er andern eingeflößt hat.*)
Der Ausgang des russisch-türki-schen Krieges führte auf der Balkanhalbinsel
M wesentlichen zur Entstehung von zwei neuen staatlichen Gebilden, indem der
*) Hauptquellen sind uns die soeben erschienenen Schriften: „Bulgarien und Ostrumelien"
von Spiridion Goptschewitsch (Leipzig, Mischer, 616 S,) und „Der Kampf der Bulgaren um
'hre Nationaleinheit" von A. V.Huhn (Leipzig, Duncker und Humblot, 321 S.). Goptschewitsch,
k'u sprachenkundiger und vielgereister Montenegriner, giebt — leider oft in sehr ordinärem
Stile — reiches Detail über Land und Leute im allgemeinen, alte und neue Geschichte
^selben, Charakterbilder von den gegenwärtig hier hervorragenden Persönlichkeiten, endlich
seine Beobachtungen und Erlebnisse im serbisch-bulgarischen Kriege, v. Huhu beschränkt sich
ni der Hauptsache auf diesen. Jener urteilt vom Standpunkte des liberalen Slawen und
^"sscnfrcundes, dieser dagegen nimmt entschieden Partei fiir den Fürsten Alexander, den er
sehr hochstellt, während jener ihn nach Kräften herabzieht. Beide kompensiren und korrigiren
"tho einander, wenn man sie mit kritischem Blicke zusnmmenhiilt.
Grenzboten III. 1836. 61
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/489>, abgerufen am 24.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.