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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Ans der Chronik derer von Riffclshcmsen.

einige Worte vernommen, die ihm nicht gefielen; darum feierte er seinen Ein¬
tritt ins Zimmer durch zwei kräftige Ohrfeigen, die er auf das verzogene Gesicht
des jungen Mimen hinuntersausen ließ.

Ich will dich lehren, deinen Vater Porträtiren, du ungezogener Vengel!

Der Hofmarschall befand sich in der That in ganz ungewöhnlich gereizter
Verfassung; doch hatte er, seiner Meinung nach, auch Veranlassung dazu. Georg
nämlich hatte ihm mitgeteilt, daß er dem Herzog seine Dienste angeboten habe,
an Stelle des verabschiedeten Intendanten von Traunburg, der in Tirol ge¬
legenen herzoglichen Besitzung.

Nachdem du dich jahrelang geweigert hast, irgendeine der dir angetragenen
Chargen anzunehmen, finde ich es höchst sonderbar, daß du dich plötzlich auf-
bietest. Und ein fremder Oberförster scheint dir beim Herzog besser das Wort
reden zu können als der eigne Bruder!

Georg entgegnete, daß er bis jetzt die Bewirtschaftung von Siebenhvfcn
nicht habe im Stich lassen können. Nun aber, wo er diese in die Hände des
Bruders zu legen imstande sei, lägen die Verhältnisse anders. Das habe er
auch dem Herzoge gesagt.

Was er sich übersetzt: die Brüder können sich nicht vertragen. In der That
sehr liebenswürdig von dir, ihm diese günstige Meinung über uns beizubringen.

Wenn dem wirklich so wäre, fiele der Vorwurf doch nur auf mich. Dich
kennt der Herzog ja genau und liebt dich.

Aber so sage mir doch, Georg, warum willst du unserm behaglichen Zu¬
sammenleben ein Ende machen? Bin ich dir lästig? sind es die Kinder?

Es ist mir Bedürfnis, einmal herauszukommen, sagte Georg lächelnd; du
meintest neulich selbst, ich sei hier schon ganz verbauert.

Bohemund bemerkte nicht den trüben Ernst, der bei diesem Lächeln in seines
Bruders Augen lag.

Die gefürchtete Zusage des Herzogs ließ nicht auf sich warten; sie war
begleitet von einem für Georg höchst schmeichelhaft abgefaßten Handschreiben
des Landesherrn.

Bei deiner Menschenscheu, Georg, sagte Cäcilie weinend, wird dir das
manche schwere Stunde machen, und du wirst an deine behagliche Stube noch
zurückdenken!

Die betrübte und gleich ihrem Bruder empörte Schwester lief um den ganzen
Tag treppauf treppab und packte Georgs Habseligkeiten mit so viel Lärmen,
als sollte eine Völkerwanderung ins Werk gesetzt werden. Bohemund sah jeden,
der ihm begegnete, zornig an, und die Kinder schlichen sich in des Onkels Stube,
um diesem ihr Leid zu klagen.

Du bist doch der Liebste von allen, sagten sie, wenn du doch nicht fortgingest!

Alle waren mehr oder minder verdrießlich, alle außer Therese. Sie und
Georg hielten bei Tisch das Gespräch in Gang, letzteren kam es vor, als sei


Ans der Chronik derer von Riffclshcmsen.

einige Worte vernommen, die ihm nicht gefielen; darum feierte er seinen Ein¬
tritt ins Zimmer durch zwei kräftige Ohrfeigen, die er auf das verzogene Gesicht
des jungen Mimen hinuntersausen ließ.

Ich will dich lehren, deinen Vater Porträtiren, du ungezogener Vengel!

Der Hofmarschall befand sich in der That in ganz ungewöhnlich gereizter
Verfassung; doch hatte er, seiner Meinung nach, auch Veranlassung dazu. Georg
nämlich hatte ihm mitgeteilt, daß er dem Herzog seine Dienste angeboten habe,
an Stelle des verabschiedeten Intendanten von Traunburg, der in Tirol ge¬
legenen herzoglichen Besitzung.

Nachdem du dich jahrelang geweigert hast, irgendeine der dir angetragenen
Chargen anzunehmen, finde ich es höchst sonderbar, daß du dich plötzlich auf-
bietest. Und ein fremder Oberförster scheint dir beim Herzog besser das Wort
reden zu können als der eigne Bruder!

Georg entgegnete, daß er bis jetzt die Bewirtschaftung von Siebenhvfcn
nicht habe im Stich lassen können. Nun aber, wo er diese in die Hände des
Bruders zu legen imstande sei, lägen die Verhältnisse anders. Das habe er
auch dem Herzoge gesagt.

Was er sich übersetzt: die Brüder können sich nicht vertragen. In der That
sehr liebenswürdig von dir, ihm diese günstige Meinung über uns beizubringen.

Wenn dem wirklich so wäre, fiele der Vorwurf doch nur auf mich. Dich
kennt der Herzog ja genau und liebt dich.

Aber so sage mir doch, Georg, warum willst du unserm behaglichen Zu¬
sammenleben ein Ende machen? Bin ich dir lästig? sind es die Kinder?

Es ist mir Bedürfnis, einmal herauszukommen, sagte Georg lächelnd; du
meintest neulich selbst, ich sei hier schon ganz verbauert.

Bohemund bemerkte nicht den trüben Ernst, der bei diesem Lächeln in seines
Bruders Augen lag.

Die gefürchtete Zusage des Herzogs ließ nicht auf sich warten; sie war
begleitet von einem für Georg höchst schmeichelhaft abgefaßten Handschreiben
des Landesherrn.

Bei deiner Menschenscheu, Georg, sagte Cäcilie weinend, wird dir das
manche schwere Stunde machen, und du wirst an deine behagliche Stube noch
zurückdenken!

Die betrübte und gleich ihrem Bruder empörte Schwester lief um den ganzen
Tag treppauf treppab und packte Georgs Habseligkeiten mit so viel Lärmen,
als sollte eine Völkerwanderung ins Werk gesetzt werden. Bohemund sah jeden,
der ihm begegnete, zornig an, und die Kinder schlichen sich in des Onkels Stube,
um diesem ihr Leid zu klagen.

Du bist doch der Liebste von allen, sagten sie, wenn du doch nicht fortgingest!

Alle waren mehr oder minder verdrießlich, alle außer Therese. Sie und
Georg hielten bei Tisch das Gespräch in Gang, letzteren kam es vor, als sei


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[0486] Ans der Chronik derer von Riffclshcmsen. einige Worte vernommen, die ihm nicht gefielen; darum feierte er seinen Ein¬ tritt ins Zimmer durch zwei kräftige Ohrfeigen, die er auf das verzogene Gesicht des jungen Mimen hinuntersausen ließ. Ich will dich lehren, deinen Vater Porträtiren, du ungezogener Vengel! Der Hofmarschall befand sich in der That in ganz ungewöhnlich gereizter Verfassung; doch hatte er, seiner Meinung nach, auch Veranlassung dazu. Georg nämlich hatte ihm mitgeteilt, daß er dem Herzog seine Dienste angeboten habe, an Stelle des verabschiedeten Intendanten von Traunburg, der in Tirol ge¬ legenen herzoglichen Besitzung. Nachdem du dich jahrelang geweigert hast, irgendeine der dir angetragenen Chargen anzunehmen, finde ich es höchst sonderbar, daß du dich plötzlich auf- bietest. Und ein fremder Oberförster scheint dir beim Herzog besser das Wort reden zu können als der eigne Bruder! Georg entgegnete, daß er bis jetzt die Bewirtschaftung von Siebenhvfcn nicht habe im Stich lassen können. Nun aber, wo er diese in die Hände des Bruders zu legen imstande sei, lägen die Verhältnisse anders. Das habe er auch dem Herzoge gesagt. Was er sich übersetzt: die Brüder können sich nicht vertragen. In der That sehr liebenswürdig von dir, ihm diese günstige Meinung über uns beizubringen. Wenn dem wirklich so wäre, fiele der Vorwurf doch nur auf mich. Dich kennt der Herzog ja genau und liebt dich. Aber so sage mir doch, Georg, warum willst du unserm behaglichen Zu¬ sammenleben ein Ende machen? Bin ich dir lästig? sind es die Kinder? Es ist mir Bedürfnis, einmal herauszukommen, sagte Georg lächelnd; du meintest neulich selbst, ich sei hier schon ganz verbauert. Bohemund bemerkte nicht den trüben Ernst, der bei diesem Lächeln in seines Bruders Augen lag. Die gefürchtete Zusage des Herzogs ließ nicht auf sich warten; sie war begleitet von einem für Georg höchst schmeichelhaft abgefaßten Handschreiben des Landesherrn. Bei deiner Menschenscheu, Georg, sagte Cäcilie weinend, wird dir das manche schwere Stunde machen, und du wirst an deine behagliche Stube noch zurückdenken! Die betrübte und gleich ihrem Bruder empörte Schwester lief um den ganzen Tag treppauf treppab und packte Georgs Habseligkeiten mit so viel Lärmen, als sollte eine Völkerwanderung ins Werk gesetzt werden. Bohemund sah jeden, der ihm begegnete, zornig an, und die Kinder schlichen sich in des Onkels Stube, um diesem ihr Leid zu klagen. Du bist doch der Liebste von allen, sagten sie, wenn du doch nicht fortgingest! Alle waren mehr oder minder verdrießlich, alle außer Therese. Sie und Georg hielten bei Tisch das Gespräch in Gang, letzteren kam es vor, als sei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/486>, abgerufen am 03.07.2024.