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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Lhronik derer von Riffelshausen,

Die Dame sah nicht nach dem Barometer. Sie legte vertraulich die Hand
auf seinen Arm und sah ihn ernst an. Mein lieber Baron, das Wetterglas
steht auf Sturm. Auf Sie fällt die Verantwortung für das, was er verwüstet.




Liftes Kapitel.

Herr Trakelberg, wie weit ist es denn von hier nach Tirol?

Der würdige Mentor schaute verwundert zu dem Zögling hinüber.

Die gefürstete Grafschaft Tirol mit Vorarlberg, 632 Quadratmeilen und
876000 Einwohner, sagte er nachdenklich; ich möchte dich ersuchen, Valer, mir
die Gedankenverbindung zwischen der stockkatholischen Grafschaft Tirol und dem
teuern Gottesmanne Paul Gerhardt zu erklären, von dem wir soeben sprechen.

Ach was! sagte Valer mit Geringschätzung. Es fiel ihm gerade nichts
besseres ein.

Diese Unterredung fand in Herrn Trakelbergs Zimmer statt, wo derselbe
die von Fräulein Ccieilie sehr begünstigte und möglichst ausgedehnte Dämmer¬
stunde dazu benutzte, seine Schüler in der geistlichen Literatur etwas zu fördern.

Ich war vorher in dem Onkel seiner Stube, bemerkte jetzt Valer in seinem
nachlässigen Thüringer Deutsch, und da kam der Papa 'kein und erzählte vom
Herzog, daß er ein Schloß oder so was in Tirol hätte, und da wäre sein
Verwalter, oder wie er ihn nannte, ein gräulicher Kerl gewesen.

Kerl -- Valerio! warf der Kandidat entsetzt ein.

Ja; und hätte ihn gründlich beschuppt, den Herzog, mein' ich. Und da
hätte ihn der fortgejagt, sagte der Papa, und er hätte das von dem Jchweiß-
"ichtwie garnicht für möglich gehalten, und es wäre schrecklich, und der Herzog
würde sich schön ärgern. Onkel Georg sagte aber, das hätte ihm der Ober¬
förster neulich schon erzählt, und er hätte auch schon deswegen an den Herzog
geschrieben. ,

Weswegen? fragte Julie.

Meine lieben Kinder, rief Trakelberg dazwischen, ich sehe mich doch ge¬
zwungen, zu bemerken --

Er wurde überhört. Ich weiß nicht, fuhr Valer fort, denn der Papa sah
mich nnter dem Schreibtische sitzen, weil ich niesen mußte, und jagte mich fort.

War er böse? fragte Mathilde teilnehmend.

Nu, gräulich! Er war eben schon furchtbar übler Laune. Und nun erhob
Valer seine ohnedies kräftige Stimme und schritt in treuer Nachahmung der
väterlichen Weise hastig gestüulirend im Zimmer umher, von dem Gelächter der
Schwestern angefeuert.

Plötzlich wurde jedoch die schöne Darstellung in einer für den jungen
Künstler überraschenden Weise gestört. Der Hofmarschall hatte auf dem Korridor


Aus der Lhronik derer von Riffelshausen,

Die Dame sah nicht nach dem Barometer. Sie legte vertraulich die Hand
auf seinen Arm und sah ihn ernst an. Mein lieber Baron, das Wetterglas
steht auf Sturm. Auf Sie fällt die Verantwortung für das, was er verwüstet.




Liftes Kapitel.

Herr Trakelberg, wie weit ist es denn von hier nach Tirol?

Der würdige Mentor schaute verwundert zu dem Zögling hinüber.

Die gefürstete Grafschaft Tirol mit Vorarlberg, 632 Quadratmeilen und
876000 Einwohner, sagte er nachdenklich; ich möchte dich ersuchen, Valer, mir
die Gedankenverbindung zwischen der stockkatholischen Grafschaft Tirol und dem
teuern Gottesmanne Paul Gerhardt zu erklären, von dem wir soeben sprechen.

Ach was! sagte Valer mit Geringschätzung. Es fiel ihm gerade nichts
besseres ein.

Diese Unterredung fand in Herrn Trakelbergs Zimmer statt, wo derselbe
die von Fräulein Ccieilie sehr begünstigte und möglichst ausgedehnte Dämmer¬
stunde dazu benutzte, seine Schüler in der geistlichen Literatur etwas zu fördern.

Ich war vorher in dem Onkel seiner Stube, bemerkte jetzt Valer in seinem
nachlässigen Thüringer Deutsch, und da kam der Papa 'kein und erzählte vom
Herzog, daß er ein Schloß oder so was in Tirol hätte, und da wäre sein
Verwalter, oder wie er ihn nannte, ein gräulicher Kerl gewesen.

Kerl — Valerio! warf der Kandidat entsetzt ein.

Ja; und hätte ihn gründlich beschuppt, den Herzog, mein' ich. Und da
hätte ihn der fortgejagt, sagte der Papa, und er hätte das von dem Jchweiß-
»ichtwie garnicht für möglich gehalten, und es wäre schrecklich, und der Herzog
würde sich schön ärgern. Onkel Georg sagte aber, das hätte ihm der Ober¬
förster neulich schon erzählt, und er hätte auch schon deswegen an den Herzog
geschrieben. ,

Weswegen? fragte Julie.

Meine lieben Kinder, rief Trakelberg dazwischen, ich sehe mich doch ge¬
zwungen, zu bemerken —

Er wurde überhört. Ich weiß nicht, fuhr Valer fort, denn der Papa sah
mich nnter dem Schreibtische sitzen, weil ich niesen mußte, und jagte mich fort.

War er böse? fragte Mathilde teilnehmend.

Nu, gräulich! Er war eben schon furchtbar übler Laune. Und nun erhob
Valer seine ohnedies kräftige Stimme und schritt in treuer Nachahmung der
väterlichen Weise hastig gestüulirend im Zimmer umher, von dem Gelächter der
Schwestern angefeuert.

Plötzlich wurde jedoch die schöne Darstellung in einer für den jungen
Künstler überraschenden Weise gestört. Der Hofmarschall hatte auf dem Korridor


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[0485] Aus der Lhronik derer von Riffelshausen, Die Dame sah nicht nach dem Barometer. Sie legte vertraulich die Hand auf seinen Arm und sah ihn ernst an. Mein lieber Baron, das Wetterglas steht auf Sturm. Auf Sie fällt die Verantwortung für das, was er verwüstet. Liftes Kapitel. Herr Trakelberg, wie weit ist es denn von hier nach Tirol? Der würdige Mentor schaute verwundert zu dem Zögling hinüber. Die gefürstete Grafschaft Tirol mit Vorarlberg, 632 Quadratmeilen und 876000 Einwohner, sagte er nachdenklich; ich möchte dich ersuchen, Valer, mir die Gedankenverbindung zwischen der stockkatholischen Grafschaft Tirol und dem teuern Gottesmanne Paul Gerhardt zu erklären, von dem wir soeben sprechen. Ach was! sagte Valer mit Geringschätzung. Es fiel ihm gerade nichts besseres ein. Diese Unterredung fand in Herrn Trakelbergs Zimmer statt, wo derselbe die von Fräulein Ccieilie sehr begünstigte und möglichst ausgedehnte Dämmer¬ stunde dazu benutzte, seine Schüler in der geistlichen Literatur etwas zu fördern. Ich war vorher in dem Onkel seiner Stube, bemerkte jetzt Valer in seinem nachlässigen Thüringer Deutsch, und da kam der Papa 'kein und erzählte vom Herzog, daß er ein Schloß oder so was in Tirol hätte, und da wäre sein Verwalter, oder wie er ihn nannte, ein gräulicher Kerl gewesen. Kerl — Valerio! warf der Kandidat entsetzt ein. Ja; und hätte ihn gründlich beschuppt, den Herzog, mein' ich. Und da hätte ihn der fortgejagt, sagte der Papa, und er hätte das von dem Jchweiß- »ichtwie garnicht für möglich gehalten, und es wäre schrecklich, und der Herzog würde sich schön ärgern. Onkel Georg sagte aber, das hätte ihm der Ober¬ förster neulich schon erzählt, und er hätte auch schon deswegen an den Herzog geschrieben. , Weswegen? fragte Julie. Meine lieben Kinder, rief Trakelberg dazwischen, ich sehe mich doch ge¬ zwungen, zu bemerken — Er wurde überhört. Ich weiß nicht, fuhr Valer fort, denn der Papa sah mich nnter dem Schreibtische sitzen, weil ich niesen mußte, und jagte mich fort. War er böse? fragte Mathilde teilnehmend. Nu, gräulich! Er war eben schon furchtbar übler Laune. Und nun erhob Valer seine ohnedies kräftige Stimme und schritt in treuer Nachahmung der väterlichen Weise hastig gestüulirend im Zimmer umher, von dem Gelächter der Schwestern angefeuert. Plötzlich wurde jedoch die schöne Darstellung in einer für den jungen Künstler überraschenden Weise gestört. Der Hofmarschall hatte auf dem Korridor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/485>, abgerufen am 03.07.2024.