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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Wallensteins erstes Generalat.

schließendes Urteil; namentlich -- und das hebt Gindely selbst hervor --
läßt sich aus Wallensteins Äußerungen nicht der geringste Beweis beibringen.
Aber man kann sich doch nicht dem Eindrucke entziehen, daß, da am kaiserlichen
Hofe nicht weniger ivie in den Residenzen der Kurfürsten, ja vor dem Kaiser
selbst die Beschuldigung offen ausgesprochen wurde, mit dieser Annahme die
Grenze des psychologisch Wahrscheinlichen kaum überschritten werden würde.

Ein andres, sicheres Ergebnis aus Gindelys Veröffentlichungen ist das,
daß Wallenstein in diesen Jahren unablässig auf den Sturz des Kurfürsten von
Brandenburg bedacht gewesen ist. Bereits 1625 war am kaiserlichen Hofe die
Achtung des Kurfürsten, welcher besonders der Übertragung der Kurwürde an
Maximilian lauge seine Anerkennung versagte, in Frage gekommen. Durch einen
Agenten erhielt man in Berlin davon Kunde, in einem ausführlichen Schreiben,
welches aber nicht abgeschickt wurde, wollte der Brandenburger sich gegen diese
Maßnahmen "und was dergleichen viel mehr, so alles aus der Schulen des
verfluchten Macchiavelli entsprossen, fürgehen soll," verteidigen. Braunschweig
und Holstein, namentlich aber Brandenburg und damit den Knrhut zu ge¬
winnen, das wurde dem venetianischen Gesandten Padavin in Wien als Grund
angegeben, als Wallenstein 1626 sein Heer von Tag zu Tag vergrößerte. Die
Bewohner der Mark wurden in unglaublicher Weise mißhandelt; Markgraf
Sigmund von Brandenburg beklagte sich im kaiserlichen Hauptquartiere über die
maßlosen Ansprüche, welcher jede "schlechte Kerl, der der geringsten Befehliche
einen bedienet," in jeder Beziehung stelle; "des Fangens, Spanners, Hinweg-
führens, Peinigers und Marterns der Leute, da sie auch einesteils gebunden
unter den Tischen, wie die Hunde liegen, und sich mit Füßen stoßen und treten
lassen müssen, teils auch den Rossen an die Schwänze gebunden, das Erbrechen
der Gotteshäuser, so auch der Kästen, Laden und Hinwegnahme dessen, so
darinnen ist, auch Berauben großen und kleinen Viehes, ja auch wohl des
gänzlichen Totschlagens der armen Leute nebenst vielen Verwundungen, heftigen
Prügeln und Schlägen derselbsten hat kein Ende, Maß noch Ziel."

Alle Bitten und Beschwerden, welche der Kurfürst in Wien und im kaiser¬
lichen Lager vorbrachte, waren vergebens. Als er unter anderm einmal an¬
fragen ließ, wie lange eigentlich das Heer unterhalten werden solle, gab Wallen¬
stein den Nandbescheid: "So lange das Volk nicht abgeführt wird." Alle
brandenburgischen Gesandten, welche an den kaiserlichen Hof gingen, um eine
Erleichterung der Mark zu erbitten, erhielten gnädige Zusagen und Vertröstungen;
eine Abhilfe aber erfolgte nie. Pfuel, welcher eigens zu dem Zwecke, über die
Bedrückungen Klage zu führe", nach Prag gegangen war, wurde von Wallen¬
stein hingehalten und mußte schließlich mit leeren Versprechungen abreisen.

Es war ganz augenscheinlich, daß der Herzog den Kurfürsten zu einem
unbesonnenen Schritte drängen wollte. Daß die Mißhandlung der branden¬
burgischen Lande wesentlich von Friedland selbst ausging, erhellt am besten


Wallensteins erstes Generalat.

schließendes Urteil; namentlich — und das hebt Gindely selbst hervor —
läßt sich aus Wallensteins Äußerungen nicht der geringste Beweis beibringen.
Aber man kann sich doch nicht dem Eindrucke entziehen, daß, da am kaiserlichen
Hofe nicht weniger ivie in den Residenzen der Kurfürsten, ja vor dem Kaiser
selbst die Beschuldigung offen ausgesprochen wurde, mit dieser Annahme die
Grenze des psychologisch Wahrscheinlichen kaum überschritten werden würde.

Ein andres, sicheres Ergebnis aus Gindelys Veröffentlichungen ist das,
daß Wallenstein in diesen Jahren unablässig auf den Sturz des Kurfürsten von
Brandenburg bedacht gewesen ist. Bereits 1625 war am kaiserlichen Hofe die
Achtung des Kurfürsten, welcher besonders der Übertragung der Kurwürde an
Maximilian lauge seine Anerkennung versagte, in Frage gekommen. Durch einen
Agenten erhielt man in Berlin davon Kunde, in einem ausführlichen Schreiben,
welches aber nicht abgeschickt wurde, wollte der Brandenburger sich gegen diese
Maßnahmen „und was dergleichen viel mehr, so alles aus der Schulen des
verfluchten Macchiavelli entsprossen, fürgehen soll," verteidigen. Braunschweig
und Holstein, namentlich aber Brandenburg und damit den Knrhut zu ge¬
winnen, das wurde dem venetianischen Gesandten Padavin in Wien als Grund
angegeben, als Wallenstein 1626 sein Heer von Tag zu Tag vergrößerte. Die
Bewohner der Mark wurden in unglaublicher Weise mißhandelt; Markgraf
Sigmund von Brandenburg beklagte sich im kaiserlichen Hauptquartiere über die
maßlosen Ansprüche, welcher jede „schlechte Kerl, der der geringsten Befehliche
einen bedienet," in jeder Beziehung stelle; „des Fangens, Spanners, Hinweg-
führens, Peinigers und Marterns der Leute, da sie auch einesteils gebunden
unter den Tischen, wie die Hunde liegen, und sich mit Füßen stoßen und treten
lassen müssen, teils auch den Rossen an die Schwänze gebunden, das Erbrechen
der Gotteshäuser, so auch der Kästen, Laden und Hinwegnahme dessen, so
darinnen ist, auch Berauben großen und kleinen Viehes, ja auch wohl des
gänzlichen Totschlagens der armen Leute nebenst vielen Verwundungen, heftigen
Prügeln und Schlägen derselbsten hat kein Ende, Maß noch Ziel."

Alle Bitten und Beschwerden, welche der Kurfürst in Wien und im kaiser¬
lichen Lager vorbrachte, waren vergebens. Als er unter anderm einmal an¬
fragen ließ, wie lange eigentlich das Heer unterhalten werden solle, gab Wallen¬
stein den Nandbescheid: „So lange das Volk nicht abgeführt wird." Alle
brandenburgischen Gesandten, welche an den kaiserlichen Hof gingen, um eine
Erleichterung der Mark zu erbitten, erhielten gnädige Zusagen und Vertröstungen;
eine Abhilfe aber erfolgte nie. Pfuel, welcher eigens zu dem Zwecke, über die
Bedrückungen Klage zu führe», nach Prag gegangen war, wurde von Wallen¬
stein hingehalten und mußte schließlich mit leeren Versprechungen abreisen.

Es war ganz augenscheinlich, daß der Herzog den Kurfürsten zu einem
unbesonnenen Schritte drängen wollte. Daß die Mißhandlung der branden¬
burgischen Lande wesentlich von Friedland selbst ausging, erhellt am besten


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[0472] Wallensteins erstes Generalat. schließendes Urteil; namentlich — und das hebt Gindely selbst hervor — läßt sich aus Wallensteins Äußerungen nicht der geringste Beweis beibringen. Aber man kann sich doch nicht dem Eindrucke entziehen, daß, da am kaiserlichen Hofe nicht weniger ivie in den Residenzen der Kurfürsten, ja vor dem Kaiser selbst die Beschuldigung offen ausgesprochen wurde, mit dieser Annahme die Grenze des psychologisch Wahrscheinlichen kaum überschritten werden würde. Ein andres, sicheres Ergebnis aus Gindelys Veröffentlichungen ist das, daß Wallenstein in diesen Jahren unablässig auf den Sturz des Kurfürsten von Brandenburg bedacht gewesen ist. Bereits 1625 war am kaiserlichen Hofe die Achtung des Kurfürsten, welcher besonders der Übertragung der Kurwürde an Maximilian lauge seine Anerkennung versagte, in Frage gekommen. Durch einen Agenten erhielt man in Berlin davon Kunde, in einem ausführlichen Schreiben, welches aber nicht abgeschickt wurde, wollte der Brandenburger sich gegen diese Maßnahmen „und was dergleichen viel mehr, so alles aus der Schulen des verfluchten Macchiavelli entsprossen, fürgehen soll," verteidigen. Braunschweig und Holstein, namentlich aber Brandenburg und damit den Knrhut zu ge¬ winnen, das wurde dem venetianischen Gesandten Padavin in Wien als Grund angegeben, als Wallenstein 1626 sein Heer von Tag zu Tag vergrößerte. Die Bewohner der Mark wurden in unglaublicher Weise mißhandelt; Markgraf Sigmund von Brandenburg beklagte sich im kaiserlichen Hauptquartiere über die maßlosen Ansprüche, welcher jede „schlechte Kerl, der der geringsten Befehliche einen bedienet," in jeder Beziehung stelle; „des Fangens, Spanners, Hinweg- führens, Peinigers und Marterns der Leute, da sie auch einesteils gebunden unter den Tischen, wie die Hunde liegen, und sich mit Füßen stoßen und treten lassen müssen, teils auch den Rossen an die Schwänze gebunden, das Erbrechen der Gotteshäuser, so auch der Kästen, Laden und Hinwegnahme dessen, so darinnen ist, auch Berauben großen und kleinen Viehes, ja auch wohl des gänzlichen Totschlagens der armen Leute nebenst vielen Verwundungen, heftigen Prügeln und Schlägen derselbsten hat kein Ende, Maß noch Ziel." Alle Bitten und Beschwerden, welche der Kurfürst in Wien und im kaiser¬ lichen Lager vorbrachte, waren vergebens. Als er unter anderm einmal an¬ fragen ließ, wie lange eigentlich das Heer unterhalten werden solle, gab Wallen¬ stein den Nandbescheid: „So lange das Volk nicht abgeführt wird." Alle brandenburgischen Gesandten, welche an den kaiserlichen Hof gingen, um eine Erleichterung der Mark zu erbitten, erhielten gnädige Zusagen und Vertröstungen; eine Abhilfe aber erfolgte nie. Pfuel, welcher eigens zu dem Zwecke, über die Bedrückungen Klage zu führe», nach Prag gegangen war, wurde von Wallen¬ stein hingehalten und mußte schließlich mit leeren Versprechungen abreisen. Es war ganz augenscheinlich, daß der Herzog den Kurfürsten zu einem unbesonnenen Schritte drängen wollte. Daß die Mißhandlung der branden¬ burgischen Lande wesentlich von Friedland selbst ausging, erhellt am besten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/472>, abgerufen am 25.08.2024.