Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Thatsache selbst nicht das geringste, nur wird der Druck nicht Mann gegen
Mann geübt, wie dies in England zwischen Gutsherren und Pächtern regel¬
mäßig der Fall ist, sondern der Druck der Bodenrenke zeigt sich in der Rech¬
nung des Wirtes, der auf seinem eignen Grund und Boden sitzt. Denn aus
seiner Ernte muß er, wie alle andern Produktionskosten, anch den Zins des¬
jenigen Kapitals vorwegnehmen, zu welchem er das Gut als Erbe oder Käufer
übernommen hat, gleichviel, ob er den Preis baar bezahlt hat oder ihn in
Form von Nestkaufschillingen oder Hypotheken schuldig geblieben ist. Unsre
Bauern leiden hierunter, d. h. unter der hohen Bodenrenke, wahrscheinlich am
allermeisten, weil sie aus verschiednen Gründen ihre Güter zu verhältnismäßig
viel höhern Preisen übernehmen als die mittlern und größern Besitzer. Denn
da, wie Rusland") mit Recht bemerkt, der Kaufpreis sich nach Angebot und
Nachfrage richtet, die Nachfrage nach einem Grundstücke aber umso größer ist,
je kleiner dasselbe ist, so folgt, daß mit der Kleinheit der Fläche die Grund¬
preise steigen, unbekümmert um den ökonomischen Wert. In gleicher Richtung
wirkt außerdem der Drang der Bauernsöhne, durch Erwerb eines Grundstückes
möglichst früh selbständig zu werden und eine Familie zu gründen, ihre
Abneigung oder Unfähigkeit, zu einem andern Erwerbszweige überzugehen, und
andre Umstände, welche durch die Ungeschicktheit der Bauern zu genauer Kal-
kulatiou noch wesentlich gesteigert werden.

Ich habe schon bemerkt, daß -- ungeachtet der Lehren, die wir aus den
Zuständen Englands, Italiens, Mecklenburgs ziehen können -- nicht die Ver¬
teilungsweise von Grund und Boden, insbesondre nicht das Vorherrschen des
Großgrundbesitzes für den Notstand verantwortlich gemacht zu werden pflegt
und daß die Klagen nicht minder aus den Gebieten des Klcinbesitzes als ans
denen der Großgüter kommen. Allein während die Stimmführenden Großbesitzer
beweisen, daß sie bei den hohen Guts- und den niedrigen Fruchtpreisen nicht
ferner bestehen können, müssen sie doch zugeben, daß der Bauer, obwohl er bei
seinem Kleinbetriebe unter viel ungünstigeren Umständen wirtschaftet, gleichwohl
recht gut seinen Unterhalt finden könne, wenn er schuldenfrei oder doch nur mit
mäßigen Hypotheken belastet ist,"")

Liegt darin nicht ein Zugeständnis, daß das Übel nicht sowohl in der




*) Die Lösung der landwirtschaftlichen Krcditfrage im System der agrarischen Reform,
Im Auftrage der 26. Wanderversnmmlung der bcnerischen Landwirte. Tübingen, 188ö.
Ein Sachkenner, Dr. Kutzleb, der die Frage, ab die Bauerngüter die Konkurrenz mit
dem Großbetriebe bestehen können, zum Gegenstände einer eingehenden Studie gemacht hat,
glaubt diese Frage durchaus bejahen zu müssen. Er führt die vielfach vorhandene Notlage
der Bauern größtenteils auf ihren Mangel an Bildung und ihre unvernünftige Bewirt¬
schaftung zurück und zeigt, daß auch auf kleinen Gütern Ackerbau und Viehzucht in höchster
Blüte stehen und Reinertrttguisse erzielt werden, welche denjenigen des Großbetriebes nicht
nachstehen.

Thatsache selbst nicht das geringste, nur wird der Druck nicht Mann gegen
Mann geübt, wie dies in England zwischen Gutsherren und Pächtern regel¬
mäßig der Fall ist, sondern der Druck der Bodenrenke zeigt sich in der Rech¬
nung des Wirtes, der auf seinem eignen Grund und Boden sitzt. Denn aus
seiner Ernte muß er, wie alle andern Produktionskosten, anch den Zins des¬
jenigen Kapitals vorwegnehmen, zu welchem er das Gut als Erbe oder Käufer
übernommen hat, gleichviel, ob er den Preis baar bezahlt hat oder ihn in
Form von Nestkaufschillingen oder Hypotheken schuldig geblieben ist. Unsre
Bauern leiden hierunter, d. h. unter der hohen Bodenrenke, wahrscheinlich am
allermeisten, weil sie aus verschiednen Gründen ihre Güter zu verhältnismäßig
viel höhern Preisen übernehmen als die mittlern und größern Besitzer. Denn
da, wie Rusland") mit Recht bemerkt, der Kaufpreis sich nach Angebot und
Nachfrage richtet, die Nachfrage nach einem Grundstücke aber umso größer ist,
je kleiner dasselbe ist, so folgt, daß mit der Kleinheit der Fläche die Grund¬
preise steigen, unbekümmert um den ökonomischen Wert. In gleicher Richtung
wirkt außerdem der Drang der Bauernsöhne, durch Erwerb eines Grundstückes
möglichst früh selbständig zu werden und eine Familie zu gründen, ihre
Abneigung oder Unfähigkeit, zu einem andern Erwerbszweige überzugehen, und
andre Umstände, welche durch die Ungeschicktheit der Bauern zu genauer Kal-
kulatiou noch wesentlich gesteigert werden.

Ich habe schon bemerkt, daß — ungeachtet der Lehren, die wir aus den
Zuständen Englands, Italiens, Mecklenburgs ziehen können — nicht die Ver¬
teilungsweise von Grund und Boden, insbesondre nicht das Vorherrschen des
Großgrundbesitzes für den Notstand verantwortlich gemacht zu werden pflegt
und daß die Klagen nicht minder aus den Gebieten des Klcinbesitzes als ans
denen der Großgüter kommen. Allein während die Stimmführenden Großbesitzer
beweisen, daß sie bei den hohen Guts- und den niedrigen Fruchtpreisen nicht
ferner bestehen können, müssen sie doch zugeben, daß der Bauer, obwohl er bei
seinem Kleinbetriebe unter viel ungünstigeren Umständen wirtschaftet, gleichwohl
recht gut seinen Unterhalt finden könne, wenn er schuldenfrei oder doch nur mit
mäßigen Hypotheken belastet ist,"")

Liegt darin nicht ein Zugeständnis, daß das Übel nicht sowohl in der




*) Die Lösung der landwirtschaftlichen Krcditfrage im System der agrarischen Reform,
Im Auftrage der 26. Wanderversnmmlung der bcnerischen Landwirte. Tübingen, 188ö.
Ein Sachkenner, Dr. Kutzleb, der die Frage, ab die Bauerngüter die Konkurrenz mit
dem Großbetriebe bestehen können, zum Gegenstände einer eingehenden Studie gemacht hat,
glaubt diese Frage durchaus bejahen zu müssen. Er führt die vielfach vorhandene Notlage
der Bauern größtenteils auf ihren Mangel an Bildung und ihre unvernünftige Bewirt¬
schaftung zurück und zeigt, daß auch auf kleinen Gütern Ackerbau und Viehzucht in höchster
Blüte stehen und Reinertrttguisse erzielt werden, welche denjenigen des Großbetriebes nicht
nachstehen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199180"/>
            <fw type="header" place="top"/><lb/>
            <p xml:id="ID_1473" prev="#ID_1472"> Thatsache selbst nicht das geringste, nur wird der Druck nicht Mann gegen<lb/>
Mann geübt, wie dies in England zwischen Gutsherren und Pächtern regel¬<lb/>
mäßig der Fall ist, sondern der Druck der Bodenrenke zeigt sich in der Rech¬<lb/>
nung des Wirtes, der auf seinem eignen Grund und Boden sitzt. Denn aus<lb/>
seiner Ernte muß er, wie alle andern Produktionskosten, anch den Zins des¬<lb/>
jenigen Kapitals vorwegnehmen, zu welchem er das Gut als Erbe oder Käufer<lb/>
übernommen hat, gleichviel, ob er den Preis baar bezahlt hat oder ihn in<lb/>
Form von Nestkaufschillingen oder Hypotheken schuldig geblieben ist. Unsre<lb/>
Bauern leiden hierunter, d. h. unter der hohen Bodenrenke, wahrscheinlich am<lb/>
allermeisten, weil sie aus verschiednen Gründen ihre Güter zu verhältnismäßig<lb/>
viel höhern Preisen übernehmen als die mittlern und größern Besitzer. Denn<lb/>
da, wie Rusland") mit Recht bemerkt, der Kaufpreis sich nach Angebot und<lb/>
Nachfrage richtet, die Nachfrage nach einem Grundstücke aber umso größer ist,<lb/>
je kleiner dasselbe ist, so folgt, daß mit der Kleinheit der Fläche die Grund¬<lb/>
preise steigen, unbekümmert um den ökonomischen Wert. In gleicher Richtung<lb/>
wirkt außerdem der Drang der Bauernsöhne, durch Erwerb eines Grundstückes<lb/>
möglichst früh selbständig zu werden und eine Familie zu gründen, ihre<lb/>
Abneigung oder Unfähigkeit, zu einem andern Erwerbszweige überzugehen, und<lb/>
andre Umstände, welche durch die Ungeschicktheit der Bauern zu genauer Kal-<lb/>
kulatiou noch wesentlich gesteigert werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1474"> Ich habe schon bemerkt, daß &#x2014; ungeachtet der Lehren, die wir aus den<lb/>
Zuständen Englands, Italiens, Mecklenburgs ziehen können &#x2014; nicht die Ver¬<lb/>
teilungsweise von Grund und Boden, insbesondre nicht das Vorherrschen des<lb/>
Großgrundbesitzes für den Notstand verantwortlich gemacht zu werden pflegt<lb/>
und daß die Klagen nicht minder aus den Gebieten des Klcinbesitzes als ans<lb/>
denen der Großgüter kommen. Allein während die Stimmführenden Großbesitzer<lb/>
beweisen, daß sie bei den hohen Guts- und den niedrigen Fruchtpreisen nicht<lb/>
ferner bestehen können, müssen sie doch zugeben, daß der Bauer, obwohl er bei<lb/>
seinem Kleinbetriebe unter viel ungünstigeren Umständen wirtschaftet, gleichwohl<lb/>
recht gut seinen Unterhalt finden könne, wenn er schuldenfrei oder doch nur mit<lb/>
mäßigen Hypotheken belastet ist,"")</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1475" next="#ID_1476"> Liegt darin nicht ein Zugeständnis, daß das Übel nicht sowohl in der</p><lb/>
            <note xml:id="FID_57" place="foot"> *) Die Lösung der landwirtschaftlichen Krcditfrage im System der agrarischen Reform,<lb/>
Im Auftrage der 26. Wanderversnmmlung der bcnerischen Landwirte.  Tübingen, 188ö.</note><lb/>
            <note xml:id="FID_58" place="foot"> Ein Sachkenner, Dr. Kutzleb, der die Frage, ab die Bauerngüter die Konkurrenz mit<lb/>
dem Großbetriebe bestehen können, zum Gegenstände einer eingehenden Studie gemacht hat,<lb/>
glaubt diese Frage durchaus bejahen zu müssen. Er führt die vielfach vorhandene Notlage<lb/>
der Bauern größtenteils auf ihren Mangel an Bildung und ihre unvernünftige Bewirt¬<lb/>
schaftung zurück und zeigt, daß auch auf kleinen Gütern Ackerbau und Viehzucht in höchster<lb/>
Blüte stehen und Reinertrttguisse erzielt werden, welche denjenigen des Großbetriebes nicht<lb/>
nachstehen.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0460] Thatsache selbst nicht das geringste, nur wird der Druck nicht Mann gegen Mann geübt, wie dies in England zwischen Gutsherren und Pächtern regel¬ mäßig der Fall ist, sondern der Druck der Bodenrenke zeigt sich in der Rech¬ nung des Wirtes, der auf seinem eignen Grund und Boden sitzt. Denn aus seiner Ernte muß er, wie alle andern Produktionskosten, anch den Zins des¬ jenigen Kapitals vorwegnehmen, zu welchem er das Gut als Erbe oder Käufer übernommen hat, gleichviel, ob er den Preis baar bezahlt hat oder ihn in Form von Nestkaufschillingen oder Hypotheken schuldig geblieben ist. Unsre Bauern leiden hierunter, d. h. unter der hohen Bodenrenke, wahrscheinlich am allermeisten, weil sie aus verschiednen Gründen ihre Güter zu verhältnismäßig viel höhern Preisen übernehmen als die mittlern und größern Besitzer. Denn da, wie Rusland") mit Recht bemerkt, der Kaufpreis sich nach Angebot und Nachfrage richtet, die Nachfrage nach einem Grundstücke aber umso größer ist, je kleiner dasselbe ist, so folgt, daß mit der Kleinheit der Fläche die Grund¬ preise steigen, unbekümmert um den ökonomischen Wert. In gleicher Richtung wirkt außerdem der Drang der Bauernsöhne, durch Erwerb eines Grundstückes möglichst früh selbständig zu werden und eine Familie zu gründen, ihre Abneigung oder Unfähigkeit, zu einem andern Erwerbszweige überzugehen, und andre Umstände, welche durch die Ungeschicktheit der Bauern zu genauer Kal- kulatiou noch wesentlich gesteigert werden. Ich habe schon bemerkt, daß — ungeachtet der Lehren, die wir aus den Zuständen Englands, Italiens, Mecklenburgs ziehen können — nicht die Ver¬ teilungsweise von Grund und Boden, insbesondre nicht das Vorherrschen des Großgrundbesitzes für den Notstand verantwortlich gemacht zu werden pflegt und daß die Klagen nicht minder aus den Gebieten des Klcinbesitzes als ans denen der Großgüter kommen. Allein während die Stimmführenden Großbesitzer beweisen, daß sie bei den hohen Guts- und den niedrigen Fruchtpreisen nicht ferner bestehen können, müssen sie doch zugeben, daß der Bauer, obwohl er bei seinem Kleinbetriebe unter viel ungünstigeren Umständen wirtschaftet, gleichwohl recht gut seinen Unterhalt finden könne, wenn er schuldenfrei oder doch nur mit mäßigen Hypotheken belastet ist,"") Liegt darin nicht ein Zugeständnis, daß das Übel nicht sowohl in der *) Die Lösung der landwirtschaftlichen Krcditfrage im System der agrarischen Reform, Im Auftrage der 26. Wanderversnmmlung der bcnerischen Landwirte. Tübingen, 188ö. Ein Sachkenner, Dr. Kutzleb, der die Frage, ab die Bauerngüter die Konkurrenz mit dem Großbetriebe bestehen können, zum Gegenstände einer eingehenden Studie gemacht hat, glaubt diese Frage durchaus bejahen zu müssen. Er führt die vielfach vorhandene Notlage der Bauern größtenteils auf ihren Mangel an Bildung und ihre unvernünftige Bewirt¬ schaftung zurück und zeigt, daß auch auf kleinen Gütern Ackerbau und Viehzucht in höchster Blüte stehen und Reinertrttguisse erzielt werden, welche denjenigen des Großbetriebes nicht nachstehen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/460
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/460>, abgerufen am 23.07.2024.