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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

Wirtschaft seinen Sitz hat, als in den Eigentumsverhältnissen, seien es die hohen
Preise der Güter oder die Verteilungsweise des Grund und Bodens?

Die hohen Gutspreise sind eine Thatsache, die sich nicht leugnen läßt; sie
finden ihre Ursache in der Natur des Grundeigentums als eines Monopols,
welches mit der Zunahme der Bevölkerung, bei wesentlich gleichbleibendem An¬
gebot und stetig wachsender Nachfrage, immer wertvoller werden muß.*) Es
wirken dabei aber gelegentlich noch andre Umstünde mit, welche manchmal ein
springendes Anschwellen der Preise verursachen. "Woher rührt der Notstand?
sagte Freiherr von Zedlitz am 12. oder 13. April d. I. im Abgeordnetenhause.
Nicht von dem Rückgänge der Fruchtpreise allein, sondern wesentlich daher, weil
wir unsre Güter zu teuer gekauft und namentlich im Anfang der siebziger Jahre
Preise bezahlt haben, die weit über die Rentabilität hinausgingen. Man hatte
damals optimistische Ansichten von der Zukunft der Landwirtschaft, und dies
hatte zugleich die üble Folge, daß die Landwirte über ihr Einkommen hinaus
lebten. So wirkten hier wie in der Industrie die Milliardenjahre schädlich."
Also ein verfehltes spekuliren! Was aber, frage ich. thut in einem solchen
Falle der Industrielle? Er gesteht sich seinen Irrtum ein, er macht niemand
als sich selbst dafür verantwortlich und schreibt den Verlust von seinem Kapital
ab. Die Gutsbesitzer dagegen wollen ihren selbstverschuldeten oder doch in ihren
persönlichen Verhältnissen begründeten Verlust auf die Allgemeinheit abwälzen
und verlangen Hilfe vom Staat! Freilich sind sie sich über diese eigentliche
Sachlage nicht ganz klar, oder wenigstens verschleiern sie dieselbe, indem sie vor¬
geben, 'der landwirtschaftliche Betrieb sei es, der Not leide, und sie verlangen
Maßregeln gegen die niedrigen Fruchtpreise und gegen die Konkurrenz des Aus¬
landes. Allein das Sinken der Preise ist, wie wir sahen, eine notwendige Folge
unsrer Kulturentwicklung; auch ist die auswärtige Konkurrenz das einzige Kor¬
rektiv gegen das naturgemäße oder besser gegen das naturwidrige Anwachsen
des monopolistischen Wertes des Grundeigentums und der Bodenrenke. In
Amerika, Australien und Indien, wo noch fortwährend neue Strecken in Anbau
genommen werden, macht sichrer Mvnopolcharakter des Grundeigentums nur
wenig geltend; dort können die Fruchtpreise mit der Verminderung der Pro¬
duktionskosten, also mit den Fortschritten der Landwirtschaft sinken, und dem
Wirte bleibt der Nutzen, der sich unter solchen Umständen bei vermehrtem Absatz
ergiebt. In den alten Kulturländern dagegen saugt die Bodenrenke diesen Nutzen
auf, nud der Wirt geht zu Grunde. Ich habe schon bemerkt, daß diese un-



*) Richland a. n. O. S, 76 bemerkt: Der Marktpreis der Grundstücke hat das Bestreben,
mit dem Ertrage der Wirtschaft unmittelbar zu wachsen. In Wirklichkeit aber schreiten -- ebenso
bekannt -- die Grundpreise noch weit über diese Normen hinaus. An einer andern Stelle
erwähnt er als Beleg dieser Thatsache, daß in Frankreich nach amtlichen Quellen die Guts-
preisc folgende Steigerung erfahren haben: in den vierziger Jahren 2S5 bis 538 Franks
der Hektar, 1875/79 2300 bis 3000 Franks.
Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

Wirtschaft seinen Sitz hat, als in den Eigentumsverhältnissen, seien es die hohen
Preise der Güter oder die Verteilungsweise des Grund und Bodens?

Die hohen Gutspreise sind eine Thatsache, die sich nicht leugnen läßt; sie
finden ihre Ursache in der Natur des Grundeigentums als eines Monopols,
welches mit der Zunahme der Bevölkerung, bei wesentlich gleichbleibendem An¬
gebot und stetig wachsender Nachfrage, immer wertvoller werden muß.*) Es
wirken dabei aber gelegentlich noch andre Umstünde mit, welche manchmal ein
springendes Anschwellen der Preise verursachen. „Woher rührt der Notstand?
sagte Freiherr von Zedlitz am 12. oder 13. April d. I. im Abgeordnetenhause.
Nicht von dem Rückgänge der Fruchtpreise allein, sondern wesentlich daher, weil
wir unsre Güter zu teuer gekauft und namentlich im Anfang der siebziger Jahre
Preise bezahlt haben, die weit über die Rentabilität hinausgingen. Man hatte
damals optimistische Ansichten von der Zukunft der Landwirtschaft, und dies
hatte zugleich die üble Folge, daß die Landwirte über ihr Einkommen hinaus
lebten. So wirkten hier wie in der Industrie die Milliardenjahre schädlich."
Also ein verfehltes spekuliren! Was aber, frage ich. thut in einem solchen
Falle der Industrielle? Er gesteht sich seinen Irrtum ein, er macht niemand
als sich selbst dafür verantwortlich und schreibt den Verlust von seinem Kapital
ab. Die Gutsbesitzer dagegen wollen ihren selbstverschuldeten oder doch in ihren
persönlichen Verhältnissen begründeten Verlust auf die Allgemeinheit abwälzen
und verlangen Hilfe vom Staat! Freilich sind sie sich über diese eigentliche
Sachlage nicht ganz klar, oder wenigstens verschleiern sie dieselbe, indem sie vor¬
geben, 'der landwirtschaftliche Betrieb sei es, der Not leide, und sie verlangen
Maßregeln gegen die niedrigen Fruchtpreise und gegen die Konkurrenz des Aus¬
landes. Allein das Sinken der Preise ist, wie wir sahen, eine notwendige Folge
unsrer Kulturentwicklung; auch ist die auswärtige Konkurrenz das einzige Kor¬
rektiv gegen das naturgemäße oder besser gegen das naturwidrige Anwachsen
des monopolistischen Wertes des Grundeigentums und der Bodenrenke. In
Amerika, Australien und Indien, wo noch fortwährend neue Strecken in Anbau
genommen werden, macht sichrer Mvnopolcharakter des Grundeigentums nur
wenig geltend; dort können die Fruchtpreise mit der Verminderung der Pro¬
duktionskosten, also mit den Fortschritten der Landwirtschaft sinken, und dem
Wirte bleibt der Nutzen, der sich unter solchen Umständen bei vermehrtem Absatz
ergiebt. In den alten Kulturländern dagegen saugt die Bodenrenke diesen Nutzen
auf, nud der Wirt geht zu Grunde. Ich habe schon bemerkt, daß diese un-



*) Richland a. n. O. S, 76 bemerkt: Der Marktpreis der Grundstücke hat das Bestreben,
mit dem Ertrage der Wirtschaft unmittelbar zu wachsen. In Wirklichkeit aber schreiten — ebenso
bekannt — die Grundpreise noch weit über diese Normen hinaus. An einer andern Stelle
erwähnt er als Beleg dieser Thatsache, daß in Frankreich nach amtlichen Quellen die Guts-
preisc folgende Steigerung erfahren haben: in den vierziger Jahren 2S5 bis 538 Franks
der Hektar, 1875/79 2300 bis 3000 Franks.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/461>, abgerufen am 22.07.2024.