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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Werden könnte, in welchem sie mehr zu konsumiren vermöchten, so würde dies
einen ganz andern Einfluß auf die Produktion üben, als es jemals der Absatz
im Auslande vermag; zugleich würde das Physische und materielle Elend, welches
das Gefolge der Armut ist, zum großen Teile verschwinden.

Billige Preise, um von der Überproduktion zu diesen zurückzukehren, sind
also an und für sich, und wenn sie nicht durch Überproduktion entstanden sind,
keineswegs eine beklagenswerte Thatsache, sondern eine erfreuliche, in der Ent¬
wicklung unsrer Kultur begründete Erscheinung. Auch kann dabei der Unter¬
nehmer sehr wohl seine Rechnung finden. Zugegeben freilich muß werden, daß
letzteres bei der Landwirtschaft nicht in demselben Maße wie bei andern Pro¬
duktionen stattfindet. Bei solchen Waaren nämlich, zu deren Erzeugung der
Grund und Boden nur mittelbar durch Lieferung der Rohstoffe mitwirkt, kann
sich die Verbilliguug auf alle Elemente der Produktion erstrecken, auf Rohstoff.
Werkzeuge, Arbeitskraft und Kapital; es wird alsdann der Ausfall im Verkaufs¬
preise durch ersparte Produktionskosten gedeckt, der Nutzen des Unternehmers
aber wird unberührt bleiben oder infolge des vermehrte" Umschlages sogar
wachsen. Anders bei der Landwirtschaft. Hier ist ein Faktor, der Grund und
Boden, welcher als ein Monopol des Eigentümers, andern Gesetzen folgt.

Die Summe des bauwürdigen Bodens ist wenigstens in alten Kultur¬
ländern im großen und ganzen unveränderlich, das Angebot bleibt sich daher
trotz steigender Nachfrage gleich, und die Forderung für Benutzung vou Land
hat deshalb das Bestreben, zu steigen. Alle Antriebe, welche die landwirt¬
schaftliche Thätigkeit erfährt, durch Zunahme der Bevölkerung oder der Aus¬
fuhr, durch Fortschritte der Wissenschaft, durch Vervollkommnung der Maschinen,
der Verkehrsmittel, oder wie immer sonst, erhöhen die Begehrlichkeit des Grund¬
herrn, steigern Pacht und Bodenrenke, oder hemmen doch ein naturgemäßes
Sinken. Der Ausfall im Verkaufspreise muß daher von dem Wirte allein ge¬
tragen werden. Die sich gleich bleibende oder gar steigende Bodenrenke saugt
allen Nutzen auf. In diesem Sinne verstehe ich es, wenn Hclldorff ("Ver¬
staatlichung des Grund und Bodens oder Schutzzölle") sagt: "Die Ursache der
Kalamität liegt nicht in den niedern Getreidepreisen, auch nicht in hohen Löhnen
oder im sogenannten Steuerdruck, ist auch kein Werk der Agitation, sondern sie
liegt in dem Mißverhältnis zwischen dem Werte und Preise der Grundstücke und
in der durchaus veränderten Betriebsweise. Die Not datirt von den Tagen des
sogenannten Aufschwunges der Landwirtschaft; wer die Konjunktur der Preis¬
bewegung geschickt auszubeuten verstand, kam vorwärts; wer das nicht verstand,
den beißen die Hunde."

Zu größerer Klärung muß ich darauf hinweisen, daß der Druck des Gruud-
eigentummonopols auf die Landwirtschaft in Deutschland nicht überall offen zu
Tage liegt, sondern durch deu Umstand verschleiert ist, daß bei uns Wirt und
Eigentümer meistens ein und dieselbe Person sind. Allein dies ändert an der


Werden könnte, in welchem sie mehr zu konsumiren vermöchten, so würde dies
einen ganz andern Einfluß auf die Produktion üben, als es jemals der Absatz
im Auslande vermag; zugleich würde das Physische und materielle Elend, welches
das Gefolge der Armut ist, zum großen Teile verschwinden.

Billige Preise, um von der Überproduktion zu diesen zurückzukehren, sind
also an und für sich, und wenn sie nicht durch Überproduktion entstanden sind,
keineswegs eine beklagenswerte Thatsache, sondern eine erfreuliche, in der Ent¬
wicklung unsrer Kultur begründete Erscheinung. Auch kann dabei der Unter¬
nehmer sehr wohl seine Rechnung finden. Zugegeben freilich muß werden, daß
letzteres bei der Landwirtschaft nicht in demselben Maße wie bei andern Pro¬
duktionen stattfindet. Bei solchen Waaren nämlich, zu deren Erzeugung der
Grund und Boden nur mittelbar durch Lieferung der Rohstoffe mitwirkt, kann
sich die Verbilliguug auf alle Elemente der Produktion erstrecken, auf Rohstoff.
Werkzeuge, Arbeitskraft und Kapital; es wird alsdann der Ausfall im Verkaufs¬
preise durch ersparte Produktionskosten gedeckt, der Nutzen des Unternehmers
aber wird unberührt bleiben oder infolge des vermehrte» Umschlages sogar
wachsen. Anders bei der Landwirtschaft. Hier ist ein Faktor, der Grund und
Boden, welcher als ein Monopol des Eigentümers, andern Gesetzen folgt.

Die Summe des bauwürdigen Bodens ist wenigstens in alten Kultur¬
ländern im großen und ganzen unveränderlich, das Angebot bleibt sich daher
trotz steigender Nachfrage gleich, und die Forderung für Benutzung vou Land
hat deshalb das Bestreben, zu steigen. Alle Antriebe, welche die landwirt¬
schaftliche Thätigkeit erfährt, durch Zunahme der Bevölkerung oder der Aus¬
fuhr, durch Fortschritte der Wissenschaft, durch Vervollkommnung der Maschinen,
der Verkehrsmittel, oder wie immer sonst, erhöhen die Begehrlichkeit des Grund¬
herrn, steigern Pacht und Bodenrenke, oder hemmen doch ein naturgemäßes
Sinken. Der Ausfall im Verkaufspreise muß daher von dem Wirte allein ge¬
tragen werden. Die sich gleich bleibende oder gar steigende Bodenrenke saugt
allen Nutzen auf. In diesem Sinne verstehe ich es, wenn Hclldorff („Ver¬
staatlichung des Grund und Bodens oder Schutzzölle") sagt: „Die Ursache der
Kalamität liegt nicht in den niedern Getreidepreisen, auch nicht in hohen Löhnen
oder im sogenannten Steuerdruck, ist auch kein Werk der Agitation, sondern sie
liegt in dem Mißverhältnis zwischen dem Werte und Preise der Grundstücke und
in der durchaus veränderten Betriebsweise. Die Not datirt von den Tagen des
sogenannten Aufschwunges der Landwirtschaft; wer die Konjunktur der Preis¬
bewegung geschickt auszubeuten verstand, kam vorwärts; wer das nicht verstand,
den beißen die Hunde."

Zu größerer Klärung muß ich darauf hinweisen, daß der Druck des Gruud-
eigentummonopols auf die Landwirtschaft in Deutschland nicht überall offen zu
Tage liegt, sondern durch deu Umstand verschleiert ist, daß bei uns Wirt und
Eigentümer meistens ein und dieselbe Person sind. Allein dies ändert an der


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[0459] Werden könnte, in welchem sie mehr zu konsumiren vermöchten, so würde dies einen ganz andern Einfluß auf die Produktion üben, als es jemals der Absatz im Auslande vermag; zugleich würde das Physische und materielle Elend, welches das Gefolge der Armut ist, zum großen Teile verschwinden. Billige Preise, um von der Überproduktion zu diesen zurückzukehren, sind also an und für sich, und wenn sie nicht durch Überproduktion entstanden sind, keineswegs eine beklagenswerte Thatsache, sondern eine erfreuliche, in der Ent¬ wicklung unsrer Kultur begründete Erscheinung. Auch kann dabei der Unter¬ nehmer sehr wohl seine Rechnung finden. Zugegeben freilich muß werden, daß letzteres bei der Landwirtschaft nicht in demselben Maße wie bei andern Pro¬ duktionen stattfindet. Bei solchen Waaren nämlich, zu deren Erzeugung der Grund und Boden nur mittelbar durch Lieferung der Rohstoffe mitwirkt, kann sich die Verbilliguug auf alle Elemente der Produktion erstrecken, auf Rohstoff. Werkzeuge, Arbeitskraft und Kapital; es wird alsdann der Ausfall im Verkaufs¬ preise durch ersparte Produktionskosten gedeckt, der Nutzen des Unternehmers aber wird unberührt bleiben oder infolge des vermehrte» Umschlages sogar wachsen. Anders bei der Landwirtschaft. Hier ist ein Faktor, der Grund und Boden, welcher als ein Monopol des Eigentümers, andern Gesetzen folgt. Die Summe des bauwürdigen Bodens ist wenigstens in alten Kultur¬ ländern im großen und ganzen unveränderlich, das Angebot bleibt sich daher trotz steigender Nachfrage gleich, und die Forderung für Benutzung vou Land hat deshalb das Bestreben, zu steigen. Alle Antriebe, welche die landwirt¬ schaftliche Thätigkeit erfährt, durch Zunahme der Bevölkerung oder der Aus¬ fuhr, durch Fortschritte der Wissenschaft, durch Vervollkommnung der Maschinen, der Verkehrsmittel, oder wie immer sonst, erhöhen die Begehrlichkeit des Grund¬ herrn, steigern Pacht und Bodenrenke, oder hemmen doch ein naturgemäßes Sinken. Der Ausfall im Verkaufspreise muß daher von dem Wirte allein ge¬ tragen werden. Die sich gleich bleibende oder gar steigende Bodenrenke saugt allen Nutzen auf. In diesem Sinne verstehe ich es, wenn Hclldorff („Ver¬ staatlichung des Grund und Bodens oder Schutzzölle") sagt: „Die Ursache der Kalamität liegt nicht in den niedern Getreidepreisen, auch nicht in hohen Löhnen oder im sogenannten Steuerdruck, ist auch kein Werk der Agitation, sondern sie liegt in dem Mißverhältnis zwischen dem Werte und Preise der Grundstücke und in der durchaus veränderten Betriebsweise. Die Not datirt von den Tagen des sogenannten Aufschwunges der Landwirtschaft; wer die Konjunktur der Preis¬ bewegung geschickt auszubeuten verstand, kam vorwärts; wer das nicht verstand, den beißen die Hunde." Zu größerer Klärung muß ich darauf hinweisen, daß der Druck des Gruud- eigentummonopols auf die Landwirtschaft in Deutschland nicht überall offen zu Tage liegt, sondern durch deu Umstand verschleiert ist, daß bei uns Wirt und Eigentümer meistens ein und dieselbe Person sind. Allein dies ändert an der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/459>, abgerufen am 23.07.2024.