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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

Betriebskosten, den Pacht oder die Bodenrenke und den Lebensunterhalt der
Familie deckt. Wenn sich ein Defizit ergiebt, so fragt sich wieder, welches
Element daran Schuld trägt, der Betrieb, die Bodenrenke oder die Lebensweise
des Landwirtes?

Der eigentliche Betrieb besteht aus Einnahmen und Ausgaben, deren
Höhe -- von Unverstand und Mißwirtschaft abgesehen -- durch Marktpreise
mehr oder weniger fest bestimmt sind. Den Einfluß, welchen fette und magere
Jahre auf den Ausfall der Ernte haben, können wir füglich außer Betracht
lassen. Dem, in einer geordneten Wirtschaft müssen auch hier, wie in jedem
andern Geschäfte, die guten Zeiten eine Reserve für die schlechten liefern, wie
es einst in Ägypten geschehen ist. Von diesem naturgemäßen Schwanken der
Ernten abgesehen, bleibt freilich der Umsicht des Landwirtes auch in diesem
Punkte noch ein ansehnlicher Spielraum, allein im allgemeinen kann man doch
sagen, daß das Meiste durch Herkommen und Gewohnheit derart feststeht, daß
nur ungewöhnliche Intelligenz oder wirkliche Nachlässigkeit in einer oder der
andern Richtung auf die Höhe der Einnahmen und Ausgaben des eigentlichen
Betriebes wird einwirken können.

Anders ist es mit den Unterhaltskosten der Familie des Landwirtes. Der
eigentliche Bauer ist zu üppigem Leben nicht geneigt, im Gegenteile ist er, in
Deutschland wenigstens, gewohnt, selbst wenn er reichlich verdient, seine Lebens¬
weise sehr kärglich einzurichten, sodaß man ihm kaum jemals einen Vorwurf
wird machen können. Wo er aber wirklich Luxus treibt, wird es immer nur
die Folge langen Wohlergehens, nicht Ursache des Verfalls der Wirtschaft sein.
Dasselbe gilt nicht allgemein für größere Landwirte, zumal für solche nicht, die
auf einer höhern sozialen Stufe stehen. Diese suchen den Maßstab für ihren
Lebensunterhalt weniger in dem Ertrage ihres Gutes, als in den Ansprüchen,
die sie selbst, ihre Frauen, Töchter und Söhne an das Leben zu machen ge¬
wohnt sind oder berechtigt zu sein glauben. Wenn solche Besitzer überdies ihr
Gut nicht selbst bewirtschaften, sondern ohne Not einen Verwalter anstellen
oder gar den Betrieb einem Pächter überlassen, so wird das Gut nicht immer
den Aufwand liefern können, welchen der Unterhalt der Familie in Anspruch
nimmt, und es wird sich alsdann ein Defizit ergeben. Aber dies Defizit ver¬
schuldet nicht der Betrieb, sondern die Lebensweise des Besitzers, und man wird
deshalb in solchem Falle nicht von einem Notstände der Wirtschaft sprechen
dürfen.

Wir kommen zur Bodenrenke. Mag der Landwirt Eigentümer oder nur
Pächter sein, das durch den Boden dargestellte Kapital muß verzinst werden,
diese Zinsen gehören zu den Betriebskosten im weiter" Sinne und müssen aus
dem Ertrage der Wirtschaft ihre Deckung finden. Aber welches ist dies Kapital?

Es leuchtet ein, daß es der Preis nicht sein kann, zu welchem das Gut
erworben worden ist oder verkauft werden kann, denn diese Preise hängen nicht


Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

Betriebskosten, den Pacht oder die Bodenrenke und den Lebensunterhalt der
Familie deckt. Wenn sich ein Defizit ergiebt, so fragt sich wieder, welches
Element daran Schuld trägt, der Betrieb, die Bodenrenke oder die Lebensweise
des Landwirtes?

Der eigentliche Betrieb besteht aus Einnahmen und Ausgaben, deren
Höhe — von Unverstand und Mißwirtschaft abgesehen — durch Marktpreise
mehr oder weniger fest bestimmt sind. Den Einfluß, welchen fette und magere
Jahre auf den Ausfall der Ernte haben, können wir füglich außer Betracht
lassen. Dem, in einer geordneten Wirtschaft müssen auch hier, wie in jedem
andern Geschäfte, die guten Zeiten eine Reserve für die schlechten liefern, wie
es einst in Ägypten geschehen ist. Von diesem naturgemäßen Schwanken der
Ernten abgesehen, bleibt freilich der Umsicht des Landwirtes auch in diesem
Punkte noch ein ansehnlicher Spielraum, allein im allgemeinen kann man doch
sagen, daß das Meiste durch Herkommen und Gewohnheit derart feststeht, daß
nur ungewöhnliche Intelligenz oder wirkliche Nachlässigkeit in einer oder der
andern Richtung auf die Höhe der Einnahmen und Ausgaben des eigentlichen
Betriebes wird einwirken können.

Anders ist es mit den Unterhaltskosten der Familie des Landwirtes. Der
eigentliche Bauer ist zu üppigem Leben nicht geneigt, im Gegenteile ist er, in
Deutschland wenigstens, gewohnt, selbst wenn er reichlich verdient, seine Lebens¬
weise sehr kärglich einzurichten, sodaß man ihm kaum jemals einen Vorwurf
wird machen können. Wo er aber wirklich Luxus treibt, wird es immer nur
die Folge langen Wohlergehens, nicht Ursache des Verfalls der Wirtschaft sein.
Dasselbe gilt nicht allgemein für größere Landwirte, zumal für solche nicht, die
auf einer höhern sozialen Stufe stehen. Diese suchen den Maßstab für ihren
Lebensunterhalt weniger in dem Ertrage ihres Gutes, als in den Ansprüchen,
die sie selbst, ihre Frauen, Töchter und Söhne an das Leben zu machen ge¬
wohnt sind oder berechtigt zu sein glauben. Wenn solche Besitzer überdies ihr
Gut nicht selbst bewirtschaften, sondern ohne Not einen Verwalter anstellen
oder gar den Betrieb einem Pächter überlassen, so wird das Gut nicht immer
den Aufwand liefern können, welchen der Unterhalt der Familie in Anspruch
nimmt, und es wird sich alsdann ein Defizit ergeben. Aber dies Defizit ver¬
schuldet nicht der Betrieb, sondern die Lebensweise des Besitzers, und man wird
deshalb in solchem Falle nicht von einem Notstände der Wirtschaft sprechen
dürfen.

Wir kommen zur Bodenrenke. Mag der Landwirt Eigentümer oder nur
Pächter sein, das durch den Boden dargestellte Kapital muß verzinst werden,
diese Zinsen gehören zu den Betriebskosten im weiter« Sinne und müssen aus
dem Ertrage der Wirtschaft ihre Deckung finden. Aber welches ist dies Kapital?

Es leuchtet ein, daß es der Preis nicht sein kann, zu welchem das Gut
erworben worden ist oder verkauft werden kann, denn diese Preise hängen nicht


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[0451] Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen. Betriebskosten, den Pacht oder die Bodenrenke und den Lebensunterhalt der Familie deckt. Wenn sich ein Defizit ergiebt, so fragt sich wieder, welches Element daran Schuld trägt, der Betrieb, die Bodenrenke oder die Lebensweise des Landwirtes? Der eigentliche Betrieb besteht aus Einnahmen und Ausgaben, deren Höhe — von Unverstand und Mißwirtschaft abgesehen — durch Marktpreise mehr oder weniger fest bestimmt sind. Den Einfluß, welchen fette und magere Jahre auf den Ausfall der Ernte haben, können wir füglich außer Betracht lassen. Dem, in einer geordneten Wirtschaft müssen auch hier, wie in jedem andern Geschäfte, die guten Zeiten eine Reserve für die schlechten liefern, wie es einst in Ägypten geschehen ist. Von diesem naturgemäßen Schwanken der Ernten abgesehen, bleibt freilich der Umsicht des Landwirtes auch in diesem Punkte noch ein ansehnlicher Spielraum, allein im allgemeinen kann man doch sagen, daß das Meiste durch Herkommen und Gewohnheit derart feststeht, daß nur ungewöhnliche Intelligenz oder wirkliche Nachlässigkeit in einer oder der andern Richtung auf die Höhe der Einnahmen und Ausgaben des eigentlichen Betriebes wird einwirken können. Anders ist es mit den Unterhaltskosten der Familie des Landwirtes. Der eigentliche Bauer ist zu üppigem Leben nicht geneigt, im Gegenteile ist er, in Deutschland wenigstens, gewohnt, selbst wenn er reichlich verdient, seine Lebens¬ weise sehr kärglich einzurichten, sodaß man ihm kaum jemals einen Vorwurf wird machen können. Wo er aber wirklich Luxus treibt, wird es immer nur die Folge langen Wohlergehens, nicht Ursache des Verfalls der Wirtschaft sein. Dasselbe gilt nicht allgemein für größere Landwirte, zumal für solche nicht, die auf einer höhern sozialen Stufe stehen. Diese suchen den Maßstab für ihren Lebensunterhalt weniger in dem Ertrage ihres Gutes, als in den Ansprüchen, die sie selbst, ihre Frauen, Töchter und Söhne an das Leben zu machen ge¬ wohnt sind oder berechtigt zu sein glauben. Wenn solche Besitzer überdies ihr Gut nicht selbst bewirtschaften, sondern ohne Not einen Verwalter anstellen oder gar den Betrieb einem Pächter überlassen, so wird das Gut nicht immer den Aufwand liefern können, welchen der Unterhalt der Familie in Anspruch nimmt, und es wird sich alsdann ein Defizit ergeben. Aber dies Defizit ver¬ schuldet nicht der Betrieb, sondern die Lebensweise des Besitzers, und man wird deshalb in solchem Falle nicht von einem Notstände der Wirtschaft sprechen dürfen. Wir kommen zur Bodenrenke. Mag der Landwirt Eigentümer oder nur Pächter sein, das durch den Boden dargestellte Kapital muß verzinst werden, diese Zinsen gehören zu den Betriebskosten im weiter« Sinne und müssen aus dem Ertrage der Wirtschaft ihre Deckung finden. Aber welches ist dies Kapital? Es leuchtet ein, daß es der Preis nicht sein kann, zu welchem das Gut erworben worden ist oder verkauft werden kann, denn diese Preise hängen nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/451>, abgerufen am 22.07.2024.