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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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vom Werte des Gutes ab, sondern von Zufälligkeiten. Es giebt keinen Preis
für Land, der sich -- was Bestimmtheit und Genauigkeit anlangt -- mit dem
Preise beweglicher Güter auch mir annähernd vergleichen ließe; die letzter"
kommen zum An- und Verkauf auf den Markt und haben daher einen Markt-
preis, der sich nur selten von dem eigentlichen Werte stark entfernen kann. Der
Umtausch der Landgüter dagegen geschieht in langen, oft sehr großen Zwischen¬
räumen. Die Abschätzung des Preises ist sehr schwierig; oft finden große Ver¬
rechnungen in der Wertabschätzung statt, oder die leitenden Beweggründe geben
bei Ermittlung des Gutswertes den Ausschlag, d. h. es werden Eigenschaften
des Gutes in dessen Wert einbezogen, welche mit der Landwirtschaft nichts zu
thun haben. Ein reicher Mann Null just in dieser anmutigen Gegend ein Land¬
gut erwerben, oder es reizt ihn das Wohnhaus und der Park oder der mit
dem Gute verbundene Nimbus, und es kommt ihm deshalb auf den Preis nicht
an. Oder der Eigentümer, den irgendwelche Umstände zum Verkaufe seines
Gutes drängen, hat Jahre lang damit feil halten müssen, und er sieht sich ge¬
nötigt, nun endlich um jeden Preis loszuschlagen. Bei Bauerngütern ist eine
Überschätzung des Gutswertes . ganz gewöhnlich; sie findet bei Erbteilungen
sogar in ganz bewußter Weise statt, wo nicht durch das Anerbenrecht für eine
angemessene Schätzung gesorgt ist. Die Bauernsöhne fragen im Eifer, sich
selbständig zu machen und eine Familie zu gründen, wenig nach dem Erwerbs¬
preise, oder sie geben sich doch Täuschungen hin, welche sie bald zu bereuen
haben.

Maßgebend ist auch die Veranschlagung nicht, welcher die Landgüter in Erd¬
fällen oder bei der Aufnahme von Hypotheken unterliegen; denn auch in diesen
Fällen haben Irrtum und verschiedenartige Beweggründe einen weiten Spiel¬
raum. Ähnlich verhält es sich mit jenen Schätzungen, welche von Staats wegen
behufs der Grundsteuer veranstaltet werden. Denn die sogenannte Bonnae, d. h.
die produzirende Kraft einer bestimmten Bodenfläche, ist nur etwas Qualitatives,
sie drückt das Verhältnis ans, in welchem der Boden an der erzeugten Ernte
Anteil nimmt. In allen Fällen aber ist jede solche Abschätzung, auch wenn sie
absolut richtig wäre, doch nur richtig für ihre Zeit und nicht auch für die Zu¬
kunft, in welcher andre Verhältnisse und Konjunkturen herrschen, die bei aber¬
maliger Abschätzung zu einem sehr verschiednen Ergebnisse führen würden.

Aus diesen Erwägungen ergiebt sich, daß für die Bodenrenke bei der Wirt¬
schaftsrechnung nicht wie bei den Betriebskosten im engern Sinne und dem
Lebensunterhalte der Familie ein verhältnismäßig sicherer Maßstab vorhanden
ist. Ob es überhaupt möglich sei, einen solchen Maßstab zu finden, steht dahin, ja
möchte stark zu bezweifeln sein. Denn das Privateigentum an Grund und
Boden ist nicht wie das Eigentum an einem durch Arbeit erzeugten Gute ein
natürliches, sondern ein künstliches Verhältnis, sei es entstanden durch Gewalt,
wie ursprünglich bei dem feudalen Besitze, oder durch das positive Recht, wie


vom Werte des Gutes ab, sondern von Zufälligkeiten. Es giebt keinen Preis
für Land, der sich — was Bestimmtheit und Genauigkeit anlangt — mit dem
Preise beweglicher Güter auch mir annähernd vergleichen ließe; die letzter»
kommen zum An- und Verkauf auf den Markt und haben daher einen Markt-
preis, der sich nur selten von dem eigentlichen Werte stark entfernen kann. Der
Umtausch der Landgüter dagegen geschieht in langen, oft sehr großen Zwischen¬
räumen. Die Abschätzung des Preises ist sehr schwierig; oft finden große Ver¬
rechnungen in der Wertabschätzung statt, oder die leitenden Beweggründe geben
bei Ermittlung des Gutswertes den Ausschlag, d. h. es werden Eigenschaften
des Gutes in dessen Wert einbezogen, welche mit der Landwirtschaft nichts zu
thun haben. Ein reicher Mann Null just in dieser anmutigen Gegend ein Land¬
gut erwerben, oder es reizt ihn das Wohnhaus und der Park oder der mit
dem Gute verbundene Nimbus, und es kommt ihm deshalb auf den Preis nicht
an. Oder der Eigentümer, den irgendwelche Umstände zum Verkaufe seines
Gutes drängen, hat Jahre lang damit feil halten müssen, und er sieht sich ge¬
nötigt, nun endlich um jeden Preis loszuschlagen. Bei Bauerngütern ist eine
Überschätzung des Gutswertes . ganz gewöhnlich; sie findet bei Erbteilungen
sogar in ganz bewußter Weise statt, wo nicht durch das Anerbenrecht für eine
angemessene Schätzung gesorgt ist. Die Bauernsöhne fragen im Eifer, sich
selbständig zu machen und eine Familie zu gründen, wenig nach dem Erwerbs¬
preise, oder sie geben sich doch Täuschungen hin, welche sie bald zu bereuen
haben.

Maßgebend ist auch die Veranschlagung nicht, welcher die Landgüter in Erd¬
fällen oder bei der Aufnahme von Hypotheken unterliegen; denn auch in diesen
Fällen haben Irrtum und verschiedenartige Beweggründe einen weiten Spiel¬
raum. Ähnlich verhält es sich mit jenen Schätzungen, welche von Staats wegen
behufs der Grundsteuer veranstaltet werden. Denn die sogenannte Bonnae, d. h.
die produzirende Kraft einer bestimmten Bodenfläche, ist nur etwas Qualitatives,
sie drückt das Verhältnis ans, in welchem der Boden an der erzeugten Ernte
Anteil nimmt. In allen Fällen aber ist jede solche Abschätzung, auch wenn sie
absolut richtig wäre, doch nur richtig für ihre Zeit und nicht auch für die Zu¬
kunft, in welcher andre Verhältnisse und Konjunkturen herrschen, die bei aber¬
maliger Abschätzung zu einem sehr verschiednen Ergebnisse führen würden.

Aus diesen Erwägungen ergiebt sich, daß für die Bodenrenke bei der Wirt¬
schaftsrechnung nicht wie bei den Betriebskosten im engern Sinne und dem
Lebensunterhalte der Familie ein verhältnismäßig sicherer Maßstab vorhanden
ist. Ob es überhaupt möglich sei, einen solchen Maßstab zu finden, steht dahin, ja
möchte stark zu bezweifeln sein. Denn das Privateigentum an Grund und
Boden ist nicht wie das Eigentum an einem durch Arbeit erzeugten Gute ein
natürliches, sondern ein künstliches Verhältnis, sei es entstanden durch Gewalt,
wie ursprünglich bei dem feudalen Besitze, oder durch das positive Recht, wie


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[0452] vom Werte des Gutes ab, sondern von Zufälligkeiten. Es giebt keinen Preis für Land, der sich — was Bestimmtheit und Genauigkeit anlangt — mit dem Preise beweglicher Güter auch mir annähernd vergleichen ließe; die letzter» kommen zum An- und Verkauf auf den Markt und haben daher einen Markt- preis, der sich nur selten von dem eigentlichen Werte stark entfernen kann. Der Umtausch der Landgüter dagegen geschieht in langen, oft sehr großen Zwischen¬ räumen. Die Abschätzung des Preises ist sehr schwierig; oft finden große Ver¬ rechnungen in der Wertabschätzung statt, oder die leitenden Beweggründe geben bei Ermittlung des Gutswertes den Ausschlag, d. h. es werden Eigenschaften des Gutes in dessen Wert einbezogen, welche mit der Landwirtschaft nichts zu thun haben. Ein reicher Mann Null just in dieser anmutigen Gegend ein Land¬ gut erwerben, oder es reizt ihn das Wohnhaus und der Park oder der mit dem Gute verbundene Nimbus, und es kommt ihm deshalb auf den Preis nicht an. Oder der Eigentümer, den irgendwelche Umstände zum Verkaufe seines Gutes drängen, hat Jahre lang damit feil halten müssen, und er sieht sich ge¬ nötigt, nun endlich um jeden Preis loszuschlagen. Bei Bauerngütern ist eine Überschätzung des Gutswertes . ganz gewöhnlich; sie findet bei Erbteilungen sogar in ganz bewußter Weise statt, wo nicht durch das Anerbenrecht für eine angemessene Schätzung gesorgt ist. Die Bauernsöhne fragen im Eifer, sich selbständig zu machen und eine Familie zu gründen, wenig nach dem Erwerbs¬ preise, oder sie geben sich doch Täuschungen hin, welche sie bald zu bereuen haben. Maßgebend ist auch die Veranschlagung nicht, welcher die Landgüter in Erd¬ fällen oder bei der Aufnahme von Hypotheken unterliegen; denn auch in diesen Fällen haben Irrtum und verschiedenartige Beweggründe einen weiten Spiel¬ raum. Ähnlich verhält es sich mit jenen Schätzungen, welche von Staats wegen behufs der Grundsteuer veranstaltet werden. Denn die sogenannte Bonnae, d. h. die produzirende Kraft einer bestimmten Bodenfläche, ist nur etwas Qualitatives, sie drückt das Verhältnis ans, in welchem der Boden an der erzeugten Ernte Anteil nimmt. In allen Fällen aber ist jede solche Abschätzung, auch wenn sie absolut richtig wäre, doch nur richtig für ihre Zeit und nicht auch für die Zu¬ kunft, in welcher andre Verhältnisse und Konjunkturen herrschen, die bei aber¬ maliger Abschätzung zu einem sehr verschiednen Ergebnisse führen würden. Aus diesen Erwägungen ergiebt sich, daß für die Bodenrenke bei der Wirt¬ schaftsrechnung nicht wie bei den Betriebskosten im engern Sinne und dem Lebensunterhalte der Familie ein verhältnismäßig sicherer Maßstab vorhanden ist. Ob es überhaupt möglich sei, einen solchen Maßstab zu finden, steht dahin, ja möchte stark zu bezweifeln sein. Denn das Privateigentum an Grund und Boden ist nicht wie das Eigentum an einem durch Arbeit erzeugten Gute ein natürliches, sondern ein künstliches Verhältnis, sei es entstanden durch Gewalt, wie ursprünglich bei dem feudalen Besitze, oder durch das positive Recht, wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/452>, abgerufen am 25.08.2024.