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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Raiserwahl vom Jahre ^5^9 und Rarls V. Anfänge.

darin bestanden, daß man zwar an dem Hause Habsburg festgehalten, von der
Person Karls aber abgesehen hätte. Karl hatte einen jüngern Bruder Ferdinand,
den Donna Juana ihrem Gemahl Philipp am 10. März 1303 geboren hatte:
er war damals sechzehn, Karl neunzehn Jahre alt. Leo X. nannte seinen Namen
als den eines genehmen Kandidaten, weil er uicht König von Neapel war;
Karls Muhme Margarethe, die Statthalterin in den Niederlanden, kam diesen
Wünschen entgegen; sie sandte im Februar von Mecheln aus einen von fünf
Mitgliedern des Geheimen Rates unterschriebenen Brief an ihren Neffen uach
Madrid und empfahl ihm, daß er seinen Bruder als Bewerber auftreten lasse;
manche setzten auch auf Don Ferdinand größere Hoffnungen als auf Karl
selbst. Aber dieser wies alle derartigen Pläne standhaft und mit Schärfe von sich;
er bezeugte Margarethe seine volle Unzufriedenheit, daß sie an eine Reise des
Infanten von den Niederlanden nach Deutschland denke; er erklärte, zur Er¬
hebung des heiligen Glaubens und Niederwerfung der Ungläubigen wolle er
die römische Krone selbst erringen, löste es, was es wolle: sein Bruder habe
weder die zu dieser Würde nötige Macht, noch habe Maximilian denselben
als Nachfolger gewünscht; sein Auftreten würde nur die habsburgische Partei
spalten und so den Franzosen die Wege bahnen. Ähnlich drückte sich Karl in
einem Schreiben an den Kurfürsten von Sachsen und an alle Kurfürsten aus;
"wir wissen niemand, der billigerweise gewählt werden soll als wir, nicht allein
darum, daß wir von deutschem Blut und Stamme sind, sondern auch weil unsre
Borvordern als römische Kaiser das heilige römische Reich wohl und glücklich
regiert und verwaltet haben."

So blieb er dabei, die Würde für sein Haus und für seine Person zu
fordern; er ließ sich ans keine Verhandlungen ein. So blieb es aber auch
dabei, daß die Kurie gegen ihn arbeitete, so lange sie vermochte.

Und schon regten sich auch die Anhänger Frankreichs in der Erwartung,
daß König Franz siegen werde.

Herzog Karl von Geldern war stets auf dem Sprunge, wenn es galt, die
Österreicher in den Niederlanden zu bekämpfet?; man kann sich denken, wie sehr
ihn die Aussicht aufbrachte, daß Karl I. die Kaiserkrone erringen könne; auf
ihn konnte der König sicher zählen. Dann waren Agenten des letzteren in
Stuttgart bei dem jungen, erst zwciuuddreißigjährigen Herzoge Ulrich von
Württemberg gewesen, mit dem Frankreich schon 1517 Beziehungen angeknüpft
hatte, und hatten ihm Hilfsgelder -- 30000 Thaler -- gebracht, damit er ein
Heer aufstelle. Nun war Ulrich von der Reichsstadt Neutlingen schwer gereizt
worden: schon lange beklagte er sich,*) daß seine Diener auf der Neutlingen
überragenden Vnrg Achalm vor den Bürgern der Stadt "niemals ihr Amt mit



*) Sattler, Geschichte des Herzogtums Wlirtemberg unter der Regierung der Herzogen,
Ulm 1770, II. 2 ff. Heyd, Ulrich Herzog zu WNrtembrrg, Tui'iugcii 1841, I. 524 ff.
Die Raiserwahl vom Jahre ^5^9 und Rarls V. Anfänge.

darin bestanden, daß man zwar an dem Hause Habsburg festgehalten, von der
Person Karls aber abgesehen hätte. Karl hatte einen jüngern Bruder Ferdinand,
den Donna Juana ihrem Gemahl Philipp am 10. März 1303 geboren hatte:
er war damals sechzehn, Karl neunzehn Jahre alt. Leo X. nannte seinen Namen
als den eines genehmen Kandidaten, weil er uicht König von Neapel war;
Karls Muhme Margarethe, die Statthalterin in den Niederlanden, kam diesen
Wünschen entgegen; sie sandte im Februar von Mecheln aus einen von fünf
Mitgliedern des Geheimen Rates unterschriebenen Brief an ihren Neffen uach
Madrid und empfahl ihm, daß er seinen Bruder als Bewerber auftreten lasse;
manche setzten auch auf Don Ferdinand größere Hoffnungen als auf Karl
selbst. Aber dieser wies alle derartigen Pläne standhaft und mit Schärfe von sich;
er bezeugte Margarethe seine volle Unzufriedenheit, daß sie an eine Reise des
Infanten von den Niederlanden nach Deutschland denke; er erklärte, zur Er¬
hebung des heiligen Glaubens und Niederwerfung der Ungläubigen wolle er
die römische Krone selbst erringen, löste es, was es wolle: sein Bruder habe
weder die zu dieser Würde nötige Macht, noch habe Maximilian denselben
als Nachfolger gewünscht; sein Auftreten würde nur die habsburgische Partei
spalten und so den Franzosen die Wege bahnen. Ähnlich drückte sich Karl in
einem Schreiben an den Kurfürsten von Sachsen und an alle Kurfürsten aus;
„wir wissen niemand, der billigerweise gewählt werden soll als wir, nicht allein
darum, daß wir von deutschem Blut und Stamme sind, sondern auch weil unsre
Borvordern als römische Kaiser das heilige römische Reich wohl und glücklich
regiert und verwaltet haben."

So blieb er dabei, die Würde für sein Haus und für seine Person zu
fordern; er ließ sich ans keine Verhandlungen ein. So blieb es aber auch
dabei, daß die Kurie gegen ihn arbeitete, so lange sie vermochte.

Und schon regten sich auch die Anhänger Frankreichs in der Erwartung,
daß König Franz siegen werde.

Herzog Karl von Geldern war stets auf dem Sprunge, wenn es galt, die
Österreicher in den Niederlanden zu bekämpfet?; man kann sich denken, wie sehr
ihn die Aussicht aufbrachte, daß Karl I. die Kaiserkrone erringen könne; auf
ihn konnte der König sicher zählen. Dann waren Agenten des letzteren in
Stuttgart bei dem jungen, erst zwciuuddreißigjährigen Herzoge Ulrich von
Württemberg gewesen, mit dem Frankreich schon 1517 Beziehungen angeknüpft
hatte, und hatten ihm Hilfsgelder — 30000 Thaler — gebracht, damit er ein
Heer aufstelle. Nun war Ulrich von der Reichsstadt Neutlingen schwer gereizt
worden: schon lange beklagte er sich,*) daß seine Diener auf der Neutlingen
überragenden Vnrg Achalm vor den Bürgern der Stadt „niemals ihr Amt mit



*) Sattler, Geschichte des Herzogtums Wlirtemberg unter der Regierung der Herzogen,
Ulm 1770, II. 2 ff. Heyd, Ulrich Herzog zu WNrtembrrg, Tui'iugcii 1841, I. 524 ff.
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[0320] Die Raiserwahl vom Jahre ^5^9 und Rarls V. Anfänge. darin bestanden, daß man zwar an dem Hause Habsburg festgehalten, von der Person Karls aber abgesehen hätte. Karl hatte einen jüngern Bruder Ferdinand, den Donna Juana ihrem Gemahl Philipp am 10. März 1303 geboren hatte: er war damals sechzehn, Karl neunzehn Jahre alt. Leo X. nannte seinen Namen als den eines genehmen Kandidaten, weil er uicht König von Neapel war; Karls Muhme Margarethe, die Statthalterin in den Niederlanden, kam diesen Wünschen entgegen; sie sandte im Februar von Mecheln aus einen von fünf Mitgliedern des Geheimen Rates unterschriebenen Brief an ihren Neffen uach Madrid und empfahl ihm, daß er seinen Bruder als Bewerber auftreten lasse; manche setzten auch auf Don Ferdinand größere Hoffnungen als auf Karl selbst. Aber dieser wies alle derartigen Pläne standhaft und mit Schärfe von sich; er bezeugte Margarethe seine volle Unzufriedenheit, daß sie an eine Reise des Infanten von den Niederlanden nach Deutschland denke; er erklärte, zur Er¬ hebung des heiligen Glaubens und Niederwerfung der Ungläubigen wolle er die römische Krone selbst erringen, löste es, was es wolle: sein Bruder habe weder die zu dieser Würde nötige Macht, noch habe Maximilian denselben als Nachfolger gewünscht; sein Auftreten würde nur die habsburgische Partei spalten und so den Franzosen die Wege bahnen. Ähnlich drückte sich Karl in einem Schreiben an den Kurfürsten von Sachsen und an alle Kurfürsten aus; „wir wissen niemand, der billigerweise gewählt werden soll als wir, nicht allein darum, daß wir von deutschem Blut und Stamme sind, sondern auch weil unsre Borvordern als römische Kaiser das heilige römische Reich wohl und glücklich regiert und verwaltet haben." So blieb er dabei, die Würde für sein Haus und für seine Person zu fordern; er ließ sich ans keine Verhandlungen ein. So blieb es aber auch dabei, daß die Kurie gegen ihn arbeitete, so lange sie vermochte. Und schon regten sich auch die Anhänger Frankreichs in der Erwartung, daß König Franz siegen werde. Herzog Karl von Geldern war stets auf dem Sprunge, wenn es galt, die Österreicher in den Niederlanden zu bekämpfet?; man kann sich denken, wie sehr ihn die Aussicht aufbrachte, daß Karl I. die Kaiserkrone erringen könne; auf ihn konnte der König sicher zählen. Dann waren Agenten des letzteren in Stuttgart bei dem jungen, erst zwciuuddreißigjährigen Herzoge Ulrich von Württemberg gewesen, mit dem Frankreich schon 1517 Beziehungen angeknüpft hatte, und hatten ihm Hilfsgelder — 30000 Thaler — gebracht, damit er ein Heer aufstelle. Nun war Ulrich von der Reichsstadt Neutlingen schwer gereizt worden: schon lange beklagte er sich,*) daß seine Diener auf der Neutlingen überragenden Vnrg Achalm vor den Bürgern der Stadt „niemals ihr Amt mit *) Sattler, Geschichte des Herzogtums Wlirtemberg unter der Regierung der Herzogen, Ulm 1770, II. 2 ff. Heyd, Ulrich Herzog zu WNrtembrrg, Tui'iugcii 1841, I. 524 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/320>, abgerufen am 22.07.2024.