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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Uaiscnvcchl vom Icchre !^5l9 und Karls V. Anfänge.

sidcnt des Pariser Parlaments, und Gmllcmme Gonsficr, Herr von Bomnvct,
Admiral von Frankreich. Der König hatte diesen angesehenen Männern die
höchsten Vollmachten erteilt; "in ihrer Kasse lagen stets 400000 Thaler bereit,
sie führten das Staatssicgel, eröffneten die an den König adressirten Schreiben
und gaben darauf Bescheid, auch ohne Einhvlnng der königlichen Entschließung."^)
Das Auftreten der Gesandten war so großartig als möglich; man sollte sehen,
daß sie einen mächtigen Herrn verträten, der dafür hielt, daß er alle andern
Fürsten Europas so weit überstrahle als die Sonne die andern Gestirne; in
Trier und Koblenz zählte ihr Gefolge 800 Pferde. Franz I. wollte die Deutschen
durch seine Macht und seinen Ruhm für sich gewinnen; er hielt, so sagt ein
Bericht, alle Welt für geblendet durch den Ruhm, wie er selbst es war, und
betrachtete seine Triumphe und Eroberungen als ebenso viele Rechtstitel ans
den Kaiserthron. Gnillard wurde angewiesen, als Grund der Bewerbung le¬
diglich die Sehnsucht des Königs anzugeben, der Christenheit nützlich zu fein;
wie sein Vorgänger Karl VIII. sich 1494 auf Neapel unter dem Vorgeben ge¬
stürzt hatte, daß er von da ans Konstantinopel befreien wolle, so versicherten
jetzt wieder die Wälschen: ihr König wolle mir deshalb Kaiser werden, Weiler
es dann leichter habe, die Türken zu bekriegen, deren Sultan Selim, so wurde
gemeldet, die kaiscrlosc Zeit zu einem Angriffe ans Ungarn auszunutzen sich
anschickte; hierzu werde, wie die Zeiten der Karolinger zeigten, eine Verbindung
von Italien, Frankreich und Deutschland besonders nützlich sein; schon betrieb
Franz bei der Kurie, daß er den Titel eines Kaisers von Konstantinopel er¬
halte; er suchte damit auch die Venetianer für seinen Plan günstig zu stimmen.

Sofort zeigte es sich, daß es auch eine starke französische Partei im Reiche
gab und uoch mehrere schwankend waren. Die rheinischen Kurfürsten, welche
der Rache des Königs ausgesetzt waren, neigten mehr oder weniger zu Franz;
vor allem Richard von Greiffenklau, der Erzbischof von Trier, daun der Kur¬
fürst Ludwig von der Pfalz, welcher allerlei unausgeglichene Händel mit dem
Hause Österreich hatte; auch Hermann von Wied, der Erzbischof von Köln,
schwankte, und Albrecht von Mainz suchte man dadurch zu gewinnen, daß ihm
Leo X., dessen Haltung sofort noch zu beleuchten sein wird, die sehnlich von ihm
begehrte Würde eines apostolischen Legaten in Deutschland in Aussicht stellte,
wenn Franz gewählt würde; von ihm aus ließ sich dann eine Brücke schlagen
zu seinem Bruder, dem Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg, dessen Sohne
die Prinzessin Nenee, die Tochter Ludwigs XII., als Gemahlin mit reichster
Aussteuer versprochen ward; auch Sachsen glaubte man wegen seiner alten Ent¬
zweiung mit Österreich zu sich herüberziehen zu können.

Vor allem wichtig war die Haltung des Papstes. Leo X. hätte die trif¬
tigsten Gründe gehabt, sich für Karl von Spanien zu entscheiden; aber an dies



*) Rösler S. 64.
Die Uaiscnvcchl vom Icchre !^5l9 und Karls V. Anfänge.

sidcnt des Pariser Parlaments, und Gmllcmme Gonsficr, Herr von Bomnvct,
Admiral von Frankreich. Der König hatte diesen angesehenen Männern die
höchsten Vollmachten erteilt; „in ihrer Kasse lagen stets 400000 Thaler bereit,
sie führten das Staatssicgel, eröffneten die an den König adressirten Schreiben
und gaben darauf Bescheid, auch ohne Einhvlnng der königlichen Entschließung."^)
Das Auftreten der Gesandten war so großartig als möglich; man sollte sehen,
daß sie einen mächtigen Herrn verträten, der dafür hielt, daß er alle andern
Fürsten Europas so weit überstrahle als die Sonne die andern Gestirne; in
Trier und Koblenz zählte ihr Gefolge 800 Pferde. Franz I. wollte die Deutschen
durch seine Macht und seinen Ruhm für sich gewinnen; er hielt, so sagt ein
Bericht, alle Welt für geblendet durch den Ruhm, wie er selbst es war, und
betrachtete seine Triumphe und Eroberungen als ebenso viele Rechtstitel ans
den Kaiserthron. Gnillard wurde angewiesen, als Grund der Bewerbung le¬
diglich die Sehnsucht des Königs anzugeben, der Christenheit nützlich zu fein;
wie sein Vorgänger Karl VIII. sich 1494 auf Neapel unter dem Vorgeben ge¬
stürzt hatte, daß er von da ans Konstantinopel befreien wolle, so versicherten
jetzt wieder die Wälschen: ihr König wolle mir deshalb Kaiser werden, Weiler
es dann leichter habe, die Türken zu bekriegen, deren Sultan Selim, so wurde
gemeldet, die kaiscrlosc Zeit zu einem Angriffe ans Ungarn auszunutzen sich
anschickte; hierzu werde, wie die Zeiten der Karolinger zeigten, eine Verbindung
von Italien, Frankreich und Deutschland besonders nützlich sein; schon betrieb
Franz bei der Kurie, daß er den Titel eines Kaisers von Konstantinopel er¬
halte; er suchte damit auch die Venetianer für seinen Plan günstig zu stimmen.

Sofort zeigte es sich, daß es auch eine starke französische Partei im Reiche
gab und uoch mehrere schwankend waren. Die rheinischen Kurfürsten, welche
der Rache des Königs ausgesetzt waren, neigten mehr oder weniger zu Franz;
vor allem Richard von Greiffenklau, der Erzbischof von Trier, daun der Kur¬
fürst Ludwig von der Pfalz, welcher allerlei unausgeglichene Händel mit dem
Hause Österreich hatte; auch Hermann von Wied, der Erzbischof von Köln,
schwankte, und Albrecht von Mainz suchte man dadurch zu gewinnen, daß ihm
Leo X., dessen Haltung sofort noch zu beleuchten sein wird, die sehnlich von ihm
begehrte Würde eines apostolischen Legaten in Deutschland in Aussicht stellte,
wenn Franz gewählt würde; von ihm aus ließ sich dann eine Brücke schlagen
zu seinem Bruder, dem Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg, dessen Sohne
die Prinzessin Nenee, die Tochter Ludwigs XII., als Gemahlin mit reichster
Aussteuer versprochen ward; auch Sachsen glaubte man wegen seiner alten Ent¬
zweiung mit Österreich zu sich herüberziehen zu können.

Vor allem wichtig war die Haltung des Papstes. Leo X. hätte die trif¬
tigsten Gründe gehabt, sich für Karl von Spanien zu entscheiden; aber an dies



*) Rösler S. 64.
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[0318] Die Uaiscnvcchl vom Icchre !^5l9 und Karls V. Anfänge. sidcnt des Pariser Parlaments, und Gmllcmme Gonsficr, Herr von Bomnvct, Admiral von Frankreich. Der König hatte diesen angesehenen Männern die höchsten Vollmachten erteilt; „in ihrer Kasse lagen stets 400000 Thaler bereit, sie führten das Staatssicgel, eröffneten die an den König adressirten Schreiben und gaben darauf Bescheid, auch ohne Einhvlnng der königlichen Entschließung."^) Das Auftreten der Gesandten war so großartig als möglich; man sollte sehen, daß sie einen mächtigen Herrn verträten, der dafür hielt, daß er alle andern Fürsten Europas so weit überstrahle als die Sonne die andern Gestirne; in Trier und Koblenz zählte ihr Gefolge 800 Pferde. Franz I. wollte die Deutschen durch seine Macht und seinen Ruhm für sich gewinnen; er hielt, so sagt ein Bericht, alle Welt für geblendet durch den Ruhm, wie er selbst es war, und betrachtete seine Triumphe und Eroberungen als ebenso viele Rechtstitel ans den Kaiserthron. Gnillard wurde angewiesen, als Grund der Bewerbung le¬ diglich die Sehnsucht des Königs anzugeben, der Christenheit nützlich zu fein; wie sein Vorgänger Karl VIII. sich 1494 auf Neapel unter dem Vorgeben ge¬ stürzt hatte, daß er von da ans Konstantinopel befreien wolle, so versicherten jetzt wieder die Wälschen: ihr König wolle mir deshalb Kaiser werden, Weiler es dann leichter habe, die Türken zu bekriegen, deren Sultan Selim, so wurde gemeldet, die kaiscrlosc Zeit zu einem Angriffe ans Ungarn auszunutzen sich anschickte; hierzu werde, wie die Zeiten der Karolinger zeigten, eine Verbindung von Italien, Frankreich und Deutschland besonders nützlich sein; schon betrieb Franz bei der Kurie, daß er den Titel eines Kaisers von Konstantinopel er¬ halte; er suchte damit auch die Venetianer für seinen Plan günstig zu stimmen. Sofort zeigte es sich, daß es auch eine starke französische Partei im Reiche gab und uoch mehrere schwankend waren. Die rheinischen Kurfürsten, welche der Rache des Königs ausgesetzt waren, neigten mehr oder weniger zu Franz; vor allem Richard von Greiffenklau, der Erzbischof von Trier, daun der Kur¬ fürst Ludwig von der Pfalz, welcher allerlei unausgeglichene Händel mit dem Hause Österreich hatte; auch Hermann von Wied, der Erzbischof von Köln, schwankte, und Albrecht von Mainz suchte man dadurch zu gewinnen, daß ihm Leo X., dessen Haltung sofort noch zu beleuchten sein wird, die sehnlich von ihm begehrte Würde eines apostolischen Legaten in Deutschland in Aussicht stellte, wenn Franz gewählt würde; von ihm aus ließ sich dann eine Brücke schlagen zu seinem Bruder, dem Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg, dessen Sohne die Prinzessin Nenee, die Tochter Ludwigs XII., als Gemahlin mit reichster Aussteuer versprochen ward; auch Sachsen glaubte man wegen seiner alten Ent¬ zweiung mit Österreich zu sich herüberziehen zu können. Vor allem wichtig war die Haltung des Papstes. Leo X. hätte die trif¬ tigsten Gründe gehabt, sich für Karl von Spanien zu entscheiden; aber an dies *) Rösler S. 64.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/318>, abgerufen am 22.07.2024.