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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Kaiserwahl vom Jahre ^51.9 und Karls V. Anfänge.

nötigt. Ob diese Gewalt nur durch den Kauf von Sklaven zu erlangen, ob
sie durch das Zwischenglied der jetzigen schwarzen Sklavenherren auszuüben
wäre, ob sie etwa von Staatswegen, wie auf Java, oder, wie neuerdings ge¬
raten worden ist. in der Weise der portugiesischen Sklavenmirtschaft ausgeübt
werden konnte, das sind Weitere Fragen, die erst durch die örtlichen Erfahrungen
entschieden werden können. Meine Meinung ist aber nach alledem, daß wir,
um in den Tropen Pflanznngskolonicn zu schaffen, entweder eine solche Un¬
freiheit der Neger gestatten oder zu den von andern Völkern angewandten
schlimmern Mittel der Arbeit dnrch Kukis werdeu greifen müssen.




Die Kaiserwahl vom Jahre
und Rarls V. Anfänge.")

le kaiserliche Würde war seit geraumer Zeit nicht viel mehr als
ein glänzender Name. Die territorialen Gewalten, welche in den
Kämpfen der Kaiser und Päpste erstarkt und in den Besitz einer
rcichsrechtlich verbürgten Stellung gelangt waren, hatten einen
Grad von Selbständigkeit erreicht, welcher sich durch keine mon¬
archischen Entwürfe und Anläufe mehr erschüttern ließ; alle Angelegenheiten
von Bedeutung mußten von "Kaiser und Reich" entschieden werden. Aber noch
umgab den Kaisertitel ein romantischer Zauber; noch galt er dem Range nach
als der ohne Vergleich höchste; im Volke genossen die Kaiser noch eine fast
mystische Verehrung; man kennt das Wort Luthers, daß der Kurfürst von
Sachsen zum Kaiser stehe wie der Bürgermeister von Torgau zum Kurfürsten;
die harte Wirklichkeit der politischen Verhältnisse war noch nicht ins Bewußtsei"
der Massen eingedrungen. Wer möchte sich wundern, das; Fürsten, die über
wirkliche Macht verfügten, nach dieser Würde strebten, welche vertreten zu
können sie hoffen durften: der Stifter der'Würde, Karl der Große, hatte auch
zuerst die Macht gewonnen, dann den Titel, und wer dürfte leugnen, daß die
Würde sich auch politisch verwerten ließ?**)




*) Bruchstück aus dem erste" Baude einer i" Jahresfrist erscheinenden umfassendere"
Darstellung der deutscheu Geschichte i" der Reformationszeit.
"-) Robert Rösler, Die Kaiserwnhl Karls V., Wien 1368, sagt S. 12 ganz zutreffend:
"Die römische Kaiserwürde gewährte wie keine andre Krone dem starken Besser ein kostbares
Archiv alter Ansprüche, sie eröffnete zugleich zu ihrer Durchsetzung eine Rüstkammer vortreff¬
lichster Waffen. Die Rechte, welche der mittelalterliche Kaisermantel in sich schloß, der alte
Nimbus, der ihn umstrahlte, boten dem Ehrgeize eines Mächtigen unschätzbare Handhaben."
Die Kaiserwahl vom Jahre ^51.9 und Karls V. Anfänge.

nötigt. Ob diese Gewalt nur durch den Kauf von Sklaven zu erlangen, ob
sie durch das Zwischenglied der jetzigen schwarzen Sklavenherren auszuüben
wäre, ob sie etwa von Staatswegen, wie auf Java, oder, wie neuerdings ge¬
raten worden ist. in der Weise der portugiesischen Sklavenmirtschaft ausgeübt
werden konnte, das sind Weitere Fragen, die erst durch die örtlichen Erfahrungen
entschieden werden können. Meine Meinung ist aber nach alledem, daß wir,
um in den Tropen Pflanznngskolonicn zu schaffen, entweder eine solche Un¬
freiheit der Neger gestatten oder zu den von andern Völkern angewandten
schlimmern Mittel der Arbeit dnrch Kukis werdeu greifen müssen.




Die Kaiserwahl vom Jahre
und Rarls V. Anfänge.")

le kaiserliche Würde war seit geraumer Zeit nicht viel mehr als
ein glänzender Name. Die territorialen Gewalten, welche in den
Kämpfen der Kaiser und Päpste erstarkt und in den Besitz einer
rcichsrechtlich verbürgten Stellung gelangt waren, hatten einen
Grad von Selbständigkeit erreicht, welcher sich durch keine mon¬
archischen Entwürfe und Anläufe mehr erschüttern ließ; alle Angelegenheiten
von Bedeutung mußten von „Kaiser und Reich" entschieden werden. Aber noch
umgab den Kaisertitel ein romantischer Zauber; noch galt er dem Range nach
als der ohne Vergleich höchste; im Volke genossen die Kaiser noch eine fast
mystische Verehrung; man kennt das Wort Luthers, daß der Kurfürst von
Sachsen zum Kaiser stehe wie der Bürgermeister von Torgau zum Kurfürsten;
die harte Wirklichkeit der politischen Verhältnisse war noch nicht ins Bewußtsei»
der Massen eingedrungen. Wer möchte sich wundern, das; Fürsten, die über
wirkliche Macht verfügten, nach dieser Würde strebten, welche vertreten zu
können sie hoffen durften: der Stifter der'Würde, Karl der Große, hatte auch
zuerst die Macht gewonnen, dann den Titel, und wer dürfte leugnen, daß die
Würde sich auch politisch verwerten ließ?**)




*) Bruchstück aus dem erste» Baude einer i» Jahresfrist erscheinenden umfassendere»
Darstellung der deutscheu Geschichte i» der Reformationszeit.
«-) Robert Rösler, Die Kaiserwnhl Karls V., Wien 1368, sagt S. 12 ganz zutreffend:
„Die römische Kaiserwürde gewährte wie keine andre Krone dem starken Besser ein kostbares
Archiv alter Ansprüche, sie eröffnete zugleich zu ihrer Durchsetzung eine Rüstkammer vortreff¬
lichster Waffen. Die Rechte, welche der mittelalterliche Kaisermantel in sich schloß, der alte
Nimbus, der ihn umstrahlte, boten dem Ehrgeize eines Mächtigen unschätzbare Handhaben."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/316>, abgerufen am 22.07.2024.