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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Ltlvcis über Sklaverei.

stände das nackte Elend gesetzt. Vom Gesichtspunkte der Humanität also müssen
wir die Sklaverei bestehen lassen, was für die Neger allerdings das Beste wäre.
Allein wir sind nicht zum Wohle der Neger nach Kamerun gekommen, sondern
5" unserm eignen Wohl, Wir müssen Arbeiter für Plantagen und andre Werte
haben. Einfuhr von fremden farbige" Arbeitern mare -- wie ich schou sagte --
^ne grausame Maßregel. Wir könnten es ferner nach der Art von Fernando
Po machen, um durch Strafen die Neger zu lehren, Bedürfnisse zu haben:
kleidet sich der Bürger von Kamerun nicht in soundsoviel Ellen Kattun, so wird
^' gepeitscht, trägt er kein Taschenmesser bei sich, soviel Hiebe, kein Taschentuch,
soviel u, s. w. Aber anch diese Art der Erziehung könnte grausam erscheinen,
wenn mau erwägt, daß mich der Meinung von Afritakeunern -- ich darf, glaube
^'h, Herr" Dr. Büchner anführen -- der Neger gar kein reales Bedürfnis nach euro¬
päischen Waaren eigentlich besitzt, sonder" alles, was von Europa zu ihm kommt,
"uxiissachen für ihn sind. Aus diesem Grnnde ist es auch ganz erklärlich, daß,
soweit der Neger sich selbst überlassen bleibt, er vor allem nach denjenigen von
oiesen Luxussachen greift, die ihm am meisten Vergnügen gcmähreu, unmlich
unes Brmmtwei", Tabak und Schießpulver. Jeder vo" uns kauft sich ja, wenn
^' für eine Luxusausgabe gerade Geld in der Tasche hat, nicht eben Strümpfe
und Schwarzbrot. De" Negern die Bedürfnisse nach allem, was wir gern
verkaufen wollen, auf solche Weise einzupauken, halte ich für nicht besser, als
>buen die Arbeit, statt auf diesem mittelbare", auf dem direktesten Wege des
^erreustvckcs einzupauken. Wollte mau aber für Bedürfnislosigkeit nicht Körper-,
sondern Freihcits- oder Geldstrafe" einführen, so wäre das nur "och schlimmer
für den arme" Neger.

Dennoch müsse" wir ih"e" Bedürfnisse beibringen, wenn auch laugsam
und ohne Zwang. Nur schafft uus dieses Bestrebe" vorläufig noch nicht die
Arbeiter, die wir brauche". Vielleicht aber könnte" wir vo" anderwärts Neger
oder Malaici? herbeischaffe", welche bereits die leidige Vcdürfuislosigkcit soweit
abgelegt haben, um gegen gute Bezahlung zu arbeiten. Ohne eine Kuliwirt¬
schaft einzurichten, könnten wir diese Fremden etwa in Massen in Kamerun an¬
siedeln, ihnen Laud zuweisen u. s. w. Einmal ist es sehr fraglich, ob wir dauernde
Ansiedler hiubeläme", ferner ob sie dort dauernd und freimillig sich zum Plan-
tage"bau hergeben würden; und drittens läge dari" wieder eine größere Gra"
fanden gegen die örtlichen Eingebornen, als eine milde gehandhabte Unfreiheit
'" sich schlösse, denn dazu müßten die Eingebornen ihres Besitzes enthoben, ans
ihrem Lande verdrängt werden. Ob das gewaltsam oder gegen eine für sie
Wertlose Entschädigung in Geld oder ander" Werten geschähe, ist gleichgiltig;
lMusam bliebe es doch.

Ich sehe nach alledem kein besseres Mittel, als vorläufig und soweit nötig
Mi Verhältnis von Unfreiheit herzustellen, welches den Neger der Gewalt des
Weißen bei möglichstem Schutz gegen Mißbrauch unterwirft und ihn zur Arbeit


Ltlvcis über Sklaverei.

stände das nackte Elend gesetzt. Vom Gesichtspunkte der Humanität also müssen
wir die Sklaverei bestehen lassen, was für die Neger allerdings das Beste wäre.
Allein wir sind nicht zum Wohle der Neger nach Kamerun gekommen, sondern
5» unserm eignen Wohl, Wir müssen Arbeiter für Plantagen und andre Werte
haben. Einfuhr von fremden farbige» Arbeitern mare — wie ich schou sagte —
^ne grausame Maßregel. Wir könnten es ferner nach der Art von Fernando
Po machen, um durch Strafen die Neger zu lehren, Bedürfnisse zu haben:
kleidet sich der Bürger von Kamerun nicht in soundsoviel Ellen Kattun, so wird
^' gepeitscht, trägt er kein Taschenmesser bei sich, soviel Hiebe, kein Taschentuch,
soviel u, s. w. Aber anch diese Art der Erziehung könnte grausam erscheinen,
wenn mau erwägt, daß mich der Meinung von Afritakeunern — ich darf, glaube
^'h, Herr» Dr. Büchner anführen — der Neger gar kein reales Bedürfnis nach euro¬
päischen Waaren eigentlich besitzt, sonder» alles, was von Europa zu ihm kommt,
"uxiissachen für ihn sind. Aus diesem Grnnde ist es auch ganz erklärlich, daß,
soweit der Neger sich selbst überlassen bleibt, er vor allem nach denjenigen von
oiesen Luxussachen greift, die ihm am meisten Vergnügen gcmähreu, unmlich
unes Brmmtwei», Tabak und Schießpulver. Jeder vo» uns kauft sich ja, wenn
^' für eine Luxusausgabe gerade Geld in der Tasche hat, nicht eben Strümpfe
und Schwarzbrot. De» Negern die Bedürfnisse nach allem, was wir gern
verkaufen wollen, auf solche Weise einzupauken, halte ich für nicht besser, als
>buen die Arbeit, statt auf diesem mittelbare», auf dem direktesten Wege des
^erreustvckcs einzupauken. Wollte mau aber für Bedürfnislosigkeit nicht Körper-,
sondern Freihcits- oder Geldstrafe» einführen, so wäre das nur »och schlimmer
für den arme» Neger.

Dennoch müsse» wir ih»e» Bedürfnisse beibringen, wenn auch laugsam
und ohne Zwang. Nur schafft uus dieses Bestrebe» vorläufig noch nicht die
Arbeiter, die wir brauche». Vielleicht aber könnte» wir vo» anderwärts Neger
oder Malaici? herbeischaffe», welche bereits die leidige Vcdürfuislosigkcit soweit
abgelegt haben, um gegen gute Bezahlung zu arbeiten. Ohne eine Kuliwirt¬
schaft einzurichten, könnten wir diese Fremden etwa in Massen in Kamerun an¬
siedeln, ihnen Laud zuweisen u. s. w. Einmal ist es sehr fraglich, ob wir dauernde
Ansiedler hiubeläme», ferner ob sie dort dauernd und freimillig sich zum Plan-
tage»bau hergeben würden; und drittens läge dari» wieder eine größere Gra»
fanden gegen die örtlichen Eingebornen, als eine milde gehandhabte Unfreiheit
'» sich schlösse, denn dazu müßten die Eingebornen ihres Besitzes enthoben, ans
ihrem Lande verdrängt werden. Ob das gewaltsam oder gegen eine für sie
Wertlose Entschädigung in Geld oder ander» Werten geschähe, ist gleichgiltig;
lMusam bliebe es doch.

Ich sehe nach alledem kein besseres Mittel, als vorläufig und soweit nötig
Mi Verhältnis von Unfreiheit herzustellen, welches den Neger der Gewalt des
Weißen bei möglichstem Schutz gegen Mißbrauch unterwirft und ihn zur Arbeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/315>, abgerufen am 03.07.2024.