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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Linas über Sklaverei.

meinen, daß ohne solchen Zwang in den Tropen für uns ein andres als ein
rein kaufmännisches Arbeitsfeld zu finden sei, oder daß solcher Zwang gar
gegen die Menschenwürde oder das Christentum Streite.

Wollen wir Plantagenban betreiben, so müssen wir selbst arbeiten oder
unsre Knechte arbeiten lassen; ein Drittes giebt es nicht. Wollen wir bloß
Handel treiben, so brauchen wir die schwarzen Knechte nicht oder doch nur in
solchem Maße, als sie auch ohne organisirten Zwang zu haben sind. Es ist
indessen einleuchtend, daß eine reine Handelskolonie weder so vorteilhaft ist als
die Plantagcnkolonie, noch die Möglichkeit bietet, daß die Kolonie shsteinatisch
in unsre Bahnen der Zivilisation geleitet werde. Der Händler besitzt aber die
Gewalt nicht, die nötig ist, um die Grundlagen der Kultur zu erzwingen. Er
gewöhnt vielleicht die Eingebornen an Bedürfnisse, aber er organisirt nicht ihre
Arbeitskraft; und oftmals ist es sein Vorteil, sie zu desorgauisircn. Das geschieht
z. V. mit dem Opiumhandel Englands, mit dem Ovinmmonopol, welches die
Holländer in Java festhalten und sogar an Chinesen zur Ausbeutung überlassen.
Das geschieht auch unter Umständen durch einen ohne Maß und Kontrole be¬
triebenen Handel mit Branntwein, Nun ?e. Der Kaufmann hat kein materielles
Interesse daran, die Neger vor dem Branntwein zu schützen, vielmehr ein großes,
sie damit zu versorgen. Der Plantagenban legt die Sorge nahe, die Arbeits¬
kräfte nicht dnrch den Branntwein zerstören zu lassen, und es ist eine gerecht¬
fertigte Forderung, daß wenigstens dort, wo Plantagenban unternommen wird,
die Einfuhr von Spirituosen nnter obrigkeitliche Aufsicht gestellt werde. In
dieser Beziehung werde ich ja wohl anch bei unsern ärgsten FrciheitS-
schwindlern schwerlich einem Widerspruche begegnen. Hier halten sie den Neger
für ein Kind, dem man gefährliche Dinge gewaltsam vorenthalten müsse; aber
diese Ritter der Konsequenz beginnen zu jammern, sobald man irgendwo den
Stock hebt, um das Kind zur Arbeit zu nötigen.

Vergegenwärtigen wir uns doch nochmals die wirkliche Lage. Die Ein-
gebornen z. B. in Kamerun sind Sklavenhalter, die selbst wenig arbeiten, son¬
dern ihren Ackerbau und ihre Handarbeiten durch gekaufte oder geraubte Sklaven,
dnrch deren Kinder und Nachkommen verrichten lassen. Nun wollen wir dort
rationellen Plantagenban treiben. Die freien Neger lassen sich dazu nicht
dingen. Ihre Sklaven von ihnen kaufen, um sie als Unfreie zur Arbeit ztt
zwingen, das soll unsittlich sein -- sagen unsre schwärmenden Männer und jetzt
auch einige Weiber, wie ich höre. Kaufen wir sie aus und lassen sie frei, so
werden sie sehr bald teils ebenso faul sein wie die Freien, und Taugenichtse
werden, teils im Innern des Landes wieder zu Sklaven gemacht werden. sollen
wir die Sklaverei aufheben ohne Entschädigung? Dann hätten wir lieber nie
nach Kamerun gehen sollen, denn wir würden damit uns zur Geisel des Landes
machen. Die letzte Ordnung würde aufhören, und soweit die Emanzipation wirk¬
lich überhaupt könnte durchgesetzt werden, wäre an die Stelle behaglicher Zu-


Linas über Sklaverei.

meinen, daß ohne solchen Zwang in den Tropen für uns ein andres als ein
rein kaufmännisches Arbeitsfeld zu finden sei, oder daß solcher Zwang gar
gegen die Menschenwürde oder das Christentum Streite.

Wollen wir Plantagenban betreiben, so müssen wir selbst arbeiten oder
unsre Knechte arbeiten lassen; ein Drittes giebt es nicht. Wollen wir bloß
Handel treiben, so brauchen wir die schwarzen Knechte nicht oder doch nur in
solchem Maße, als sie auch ohne organisirten Zwang zu haben sind. Es ist
indessen einleuchtend, daß eine reine Handelskolonie weder so vorteilhaft ist als
die Plantagcnkolonie, noch die Möglichkeit bietet, daß die Kolonie shsteinatisch
in unsre Bahnen der Zivilisation geleitet werde. Der Händler besitzt aber die
Gewalt nicht, die nötig ist, um die Grundlagen der Kultur zu erzwingen. Er
gewöhnt vielleicht die Eingebornen an Bedürfnisse, aber er organisirt nicht ihre
Arbeitskraft; und oftmals ist es sein Vorteil, sie zu desorgauisircn. Das geschieht
z. V. mit dem Opiumhandel Englands, mit dem Ovinmmonopol, welches die
Holländer in Java festhalten und sogar an Chinesen zur Ausbeutung überlassen.
Das geschieht auch unter Umständen durch einen ohne Maß und Kontrole be¬
triebenen Handel mit Branntwein, Nun ?e. Der Kaufmann hat kein materielles
Interesse daran, die Neger vor dem Branntwein zu schützen, vielmehr ein großes,
sie damit zu versorgen. Der Plantagenban legt die Sorge nahe, die Arbeits¬
kräfte nicht dnrch den Branntwein zerstören zu lassen, und es ist eine gerecht¬
fertigte Forderung, daß wenigstens dort, wo Plantagenban unternommen wird,
die Einfuhr von Spirituosen nnter obrigkeitliche Aufsicht gestellt werde. In
dieser Beziehung werde ich ja wohl anch bei unsern ärgsten FrciheitS-
schwindlern schwerlich einem Widerspruche begegnen. Hier halten sie den Neger
für ein Kind, dem man gefährliche Dinge gewaltsam vorenthalten müsse; aber
diese Ritter der Konsequenz beginnen zu jammern, sobald man irgendwo den
Stock hebt, um das Kind zur Arbeit zu nötigen.

Vergegenwärtigen wir uns doch nochmals die wirkliche Lage. Die Ein-
gebornen z. B. in Kamerun sind Sklavenhalter, die selbst wenig arbeiten, son¬
dern ihren Ackerbau und ihre Handarbeiten durch gekaufte oder geraubte Sklaven,
dnrch deren Kinder und Nachkommen verrichten lassen. Nun wollen wir dort
rationellen Plantagenban treiben. Die freien Neger lassen sich dazu nicht
dingen. Ihre Sklaven von ihnen kaufen, um sie als Unfreie zur Arbeit ztt
zwingen, das soll unsittlich sein — sagen unsre schwärmenden Männer und jetzt
auch einige Weiber, wie ich höre. Kaufen wir sie aus und lassen sie frei, so
werden sie sehr bald teils ebenso faul sein wie die Freien, und Taugenichtse
werden, teils im Innern des Landes wieder zu Sklaven gemacht werden. sollen
wir die Sklaverei aufheben ohne Entschädigung? Dann hätten wir lieber nie
nach Kamerun gehen sollen, denn wir würden damit uns zur Geisel des Landes
machen. Die letzte Ordnung würde aufhören, und soweit die Emanzipation wirk¬
lich überhaupt könnte durchgesetzt werden, wäre an die Stelle behaglicher Zu-


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[0314] Linas über Sklaverei. meinen, daß ohne solchen Zwang in den Tropen für uns ein andres als ein rein kaufmännisches Arbeitsfeld zu finden sei, oder daß solcher Zwang gar gegen die Menschenwürde oder das Christentum Streite. Wollen wir Plantagenban betreiben, so müssen wir selbst arbeiten oder unsre Knechte arbeiten lassen; ein Drittes giebt es nicht. Wollen wir bloß Handel treiben, so brauchen wir die schwarzen Knechte nicht oder doch nur in solchem Maße, als sie auch ohne organisirten Zwang zu haben sind. Es ist indessen einleuchtend, daß eine reine Handelskolonie weder so vorteilhaft ist als die Plantagcnkolonie, noch die Möglichkeit bietet, daß die Kolonie shsteinatisch in unsre Bahnen der Zivilisation geleitet werde. Der Händler besitzt aber die Gewalt nicht, die nötig ist, um die Grundlagen der Kultur zu erzwingen. Er gewöhnt vielleicht die Eingebornen an Bedürfnisse, aber er organisirt nicht ihre Arbeitskraft; und oftmals ist es sein Vorteil, sie zu desorgauisircn. Das geschieht z. V. mit dem Opiumhandel Englands, mit dem Ovinmmonopol, welches die Holländer in Java festhalten und sogar an Chinesen zur Ausbeutung überlassen. Das geschieht auch unter Umständen durch einen ohne Maß und Kontrole be¬ triebenen Handel mit Branntwein, Nun ?e. Der Kaufmann hat kein materielles Interesse daran, die Neger vor dem Branntwein zu schützen, vielmehr ein großes, sie damit zu versorgen. Der Plantagenban legt die Sorge nahe, die Arbeits¬ kräfte nicht dnrch den Branntwein zerstören zu lassen, und es ist eine gerecht¬ fertigte Forderung, daß wenigstens dort, wo Plantagenban unternommen wird, die Einfuhr von Spirituosen nnter obrigkeitliche Aufsicht gestellt werde. In dieser Beziehung werde ich ja wohl anch bei unsern ärgsten FrciheitS- schwindlern schwerlich einem Widerspruche begegnen. Hier halten sie den Neger für ein Kind, dem man gefährliche Dinge gewaltsam vorenthalten müsse; aber diese Ritter der Konsequenz beginnen zu jammern, sobald man irgendwo den Stock hebt, um das Kind zur Arbeit zu nötigen. Vergegenwärtigen wir uns doch nochmals die wirkliche Lage. Die Ein- gebornen z. B. in Kamerun sind Sklavenhalter, die selbst wenig arbeiten, son¬ dern ihren Ackerbau und ihre Handarbeiten durch gekaufte oder geraubte Sklaven, dnrch deren Kinder und Nachkommen verrichten lassen. Nun wollen wir dort rationellen Plantagenban treiben. Die freien Neger lassen sich dazu nicht dingen. Ihre Sklaven von ihnen kaufen, um sie als Unfreie zur Arbeit ztt zwingen, das soll unsittlich sein — sagen unsre schwärmenden Männer und jetzt auch einige Weiber, wie ich höre. Kaufen wir sie aus und lassen sie frei, so werden sie sehr bald teils ebenso faul sein wie die Freien, und Taugenichtse werden, teils im Innern des Landes wieder zu Sklaven gemacht werden. sollen wir die Sklaverei aufheben ohne Entschädigung? Dann hätten wir lieber nie nach Kamerun gehen sollen, denn wir würden damit uns zur Geisel des Landes machen. Die letzte Ordnung würde aufhören, und soweit die Emanzipation wirk¬ lich überhaupt könnte durchgesetzt werden, wäre an die Stelle behaglicher Zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/314>, abgerufen am 22.07.2024.