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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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"Ltwas über Sklaverei.

und gewissenlosen Ausbeutung des Schwarzen dnrch den weißen Pflanzer liegt
nahe, und wir sehen diese Erscheinung ja wieder bei den edeln Vorbildern unsrer
Freiheitshelden, den Engländern, in Blüte, die zu hoch sittlich sind, um irgendwo
in der Welt Sklaverei ruhig anzusehen, aber gegen das systematische Aussaugen
ihrer Hindus dnrch reiche Privatleute wenig einzuwenden haben. Vielleicht finden
wir eiuen Mittelweg zwischen indischem I^volünA und javanischem Staats-
monopol, das vorteilhaft und menschlich genug für unsre Ansprüche wäre. Ich
vertraue auf die Kraft unsrer Regierung soweit, daß ich von ihr die Ver¬
hinderung von Grausamkeit und Mißbrauch der Gewalt ruhig erwarte. Übrigens
arbeiten Holländer, Portugiesen und Franzosen auch in Westafrika noch heute
mit gekauften Sklaven. Wir lasen neulich in den Berichten H. Zöllers an die
"Kölnische Zeitung," wie diese Sklaven des großen holländischen Hauses Varana,
welches freilich neue Sklaven nicht mehr kauft, in sehr guten Verhältnissen
leben. Sie bekommen ein Buch, darin ihr Wochenlohn eingetragen wird. Noch
"nverhüllter ist die Sklaverei in den portugiesischen Kolonien, "wo sogar -- er¬
zählt H. Zöller") -- die Negierung gleichzeitig mit einem streng gehandhabten
Uberwachungsrecht das Monopol des Sklavenhandels besitzt." Und H. Zöller
führt fort: "Alles in allem ist die Sklaverei durchaus nichts so scheußliches,
als wie nun sich in Europa gewöhnt hat, sie anzusehen. Sklaven werden ge¬
wöhnlich gut gekleidet, verpflegt und behandelt, während ihre daheim gebliebenen
Genossen, wenn einmal der erwartete Regen ausbleibt, vor Hunger dahin¬
sterben. Am Kongo besitzt das französische Haus Daumas, Beraud u. Co. die
meisten Leibeigenen""); auch wird wohl von Portugiesen noch ab und zu etwas
Sklavenhandel getrieben." Herr Stanley selbst hat Sklaven in großer Anzahl
zur Anlage seiner Stationen zu 240 bis 300 Mark das Stück gekauft und
nicht etwa freigelassen, sondern in der bisher üblichen Weise verwendet.""") Und
hier handelt es sich bloß um zeitweilige Bauten oder Arbeit in Handclsfaktoreien,
nicht um Plantagenban.

Es würde wahrscheinlich weit schwerer fallen, den Neger dnrch ein ver¬
nünftig und human geordnetes Kultursystem holländischer Art zur Arbeit zu
zwingen, als es den Holländern mit den fleißigerem, kultivirtercn und reichen
Malaien möglich war. Vielleicht wäre es sogar unmöglich. Allein das Beispiel
auf Java wäre wohl der Beachtung und eines Versuchs der Nachahmung wert.
Indessen darf ich es deu Männern von eigner Erfahrung überlassen, die geeignete
Form zu finden, in der die Kraft des Negers in deu Dienst des Europäers
und der Kultur zu zwingen wäre. Nur gegen diejenigen spreche ich, welche





*) Forschungsreisen in der deutschen Kolonie Kamerun von Hugo Zöller (Stuttgart,
Spemann, 1886) S. 134.
ES scheint also, als öl> auch hier die thatsächlichen Verhältnisse stärker gewesen wären,
als die Gesetzgebung, welche jedem Franzosen das Kursen oder Halten von Sklaven verbietet.
"w) Ebenda.
Grenzboten HI. 1886. 39
«Ltwas über Sklaverei.

und gewissenlosen Ausbeutung des Schwarzen dnrch den weißen Pflanzer liegt
nahe, und wir sehen diese Erscheinung ja wieder bei den edeln Vorbildern unsrer
Freiheitshelden, den Engländern, in Blüte, die zu hoch sittlich sind, um irgendwo
in der Welt Sklaverei ruhig anzusehen, aber gegen das systematische Aussaugen
ihrer Hindus dnrch reiche Privatleute wenig einzuwenden haben. Vielleicht finden
wir eiuen Mittelweg zwischen indischem I^volünA und javanischem Staats-
monopol, das vorteilhaft und menschlich genug für unsre Ansprüche wäre. Ich
vertraue auf die Kraft unsrer Regierung soweit, daß ich von ihr die Ver¬
hinderung von Grausamkeit und Mißbrauch der Gewalt ruhig erwarte. Übrigens
arbeiten Holländer, Portugiesen und Franzosen auch in Westafrika noch heute
mit gekauften Sklaven. Wir lasen neulich in den Berichten H. Zöllers an die
„Kölnische Zeitung," wie diese Sklaven des großen holländischen Hauses Varana,
welches freilich neue Sklaven nicht mehr kauft, in sehr guten Verhältnissen
leben. Sie bekommen ein Buch, darin ihr Wochenlohn eingetragen wird. Noch
»nverhüllter ist die Sklaverei in den portugiesischen Kolonien, „wo sogar — er¬
zählt H. Zöller") — die Negierung gleichzeitig mit einem streng gehandhabten
Uberwachungsrecht das Monopol des Sklavenhandels besitzt." Und H. Zöller
führt fort: „Alles in allem ist die Sklaverei durchaus nichts so scheußliches,
als wie nun sich in Europa gewöhnt hat, sie anzusehen. Sklaven werden ge¬
wöhnlich gut gekleidet, verpflegt und behandelt, während ihre daheim gebliebenen
Genossen, wenn einmal der erwartete Regen ausbleibt, vor Hunger dahin¬
sterben. Am Kongo besitzt das französische Haus Daumas, Beraud u. Co. die
meisten Leibeigenen""); auch wird wohl von Portugiesen noch ab und zu etwas
Sklavenhandel getrieben." Herr Stanley selbst hat Sklaven in großer Anzahl
zur Anlage seiner Stationen zu 240 bis 300 Mark das Stück gekauft und
nicht etwa freigelassen, sondern in der bisher üblichen Weise verwendet.""") Und
hier handelt es sich bloß um zeitweilige Bauten oder Arbeit in Handclsfaktoreien,
nicht um Plantagenban.

Es würde wahrscheinlich weit schwerer fallen, den Neger dnrch ein ver¬
nünftig und human geordnetes Kultursystem holländischer Art zur Arbeit zu
zwingen, als es den Holländern mit den fleißigerem, kultivirtercn und reichen
Malaien möglich war. Vielleicht wäre es sogar unmöglich. Allein das Beispiel
auf Java wäre wohl der Beachtung und eines Versuchs der Nachahmung wert.
Indessen darf ich es deu Männern von eigner Erfahrung überlassen, die geeignete
Form zu finden, in der die Kraft des Negers in deu Dienst des Europäers
und der Kultur zu zwingen wäre. Nur gegen diejenigen spreche ich, welche





*) Forschungsreisen in der deutschen Kolonie Kamerun von Hugo Zöller (Stuttgart,
Spemann, 1886) S. 134.
ES scheint also, als öl> auch hier die thatsächlichen Verhältnisse stärker gewesen wären,
als die Gesetzgebung, welche jedem Franzosen das Kursen oder Halten von Sklaven verbietet.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/313>, abgerufen am 03.07.2024.