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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Etwas über Sklaverei.

Ich glaube nicht, daß die Verhältnisse der Eingebornen auf Java unter
dem Kultursystem van den Boschs sehr rosige waren. Sie hätten wahrscheinlich
weit weniger drückend sei" können, wenn die niederländische Regierung mehr
auf Berücksichtigung der Bedürfnisse ihrer maleiischen Unterthanen und milde
Handhabung ihrer Monopole und weniger auf hohen Gewinn von ihren Plan¬
tagen bedacht gewesen wäre. Aber das dort seit 1830 geltende System war
vielleicht milder als das System, welches vor den Holländern auf Java herrschte,
und vielleicht auch milder als das Joch, welches auf vielen Kukis liegt. Ob
es auch der Sklaverei vorzuziehen war, wie sie von den Negcrhäuptlingeu Afrikas
geübt wird, will ich nicht untersuchen. Darum handelt es sich hier auch uicht,
was für den Neger das beste wäre, sondern darum, mit wie wenig Grau¬
samkeit, Knechtschaft, Gewalt man auskommen könne, um die Neger arbeiten
zu machen. Und in dieser Beziehung dürfte keine Kultivationsgeschichte so
lehrreich sein wie die holländische ans Java. Die Eingebornen wurden nicht
vertilgt wie in Amerika, uicht verdrängt wie in Kapland oder Neuseeland,
aber auch nicht zum Eigentum von Sklavenhaltern gemacht. Die Kom¬
pagnien aber und nachher der Staat behielten eine gewisse Macht über die
Person in der Hand, durch welche der Einzelne zur Arbeit konnte gezwungen
werden. Der Plantngeubau wurde seit 1830 staatlich betrieben durch die Hände
der Eingebornen, die einen, freilich sehr geringen Anteil an dem Gewinne -- nämlich
ein Zehntel -- hatten und unter unmittelbarer Autorität einheimischer Regenten
und Herren standen. Aber sie lernten dabei doch die Arbeit und wurden einiger¬
maßen gegen Mißhandlung ihrer Herren geschützt. Die Hauptkulturen, wie
Kaffee, Indigo, Reis, Gewürze, waren Staatsmonopole, von denen die arbeitenden
Malaien ihren Gewinnanteil bekamen. Das regierende obere Beamtentum wurde
in Holland gehörig vorgeschult und in Java möglichst mit äußerem Glanz aus¬
gestattet. Das niedere Beamtentum war malaiisch. Den Malaien wurde ihre
Kultur erhalten und wurden Schulen errichtet. Seit 1868 traten Milderungen
in diesem System ein, welche, wie es scheint, nicht immer die Grenze der
Klugheit eingehalten und dadurch die Gefahr von gewaltsamen Erhebungen
gemehrt haben. Aber im ganzen ist auf Java die Kultur gehoben worden,
ohne Sklaverei, ohne Ausrottung der Eingebornen und ohne Kulieinfuhr. Und
wenn die Javaner ungefähr ebenso ausgenutzt wurden wie die Kukis von Britisch-
Jndien oder China, so ist an der modernen Kuliwirtschaft nicht die niedere
Stellung des Kuli in Indien, China, Polynesien, sondern der Handel mit Kukis
und die Ausfuhr und harte Verwendung in der Fremde das Gehässige.

An sich ist weder Sklaverei noch irgend eine Art der Herrschaft von
Menschen über Menschen schlecht. Schlecht ist nur der Mißbrauch der Herr¬
schaft, die von manchen unsrer Freiheitsdemokraten in Europa selbst gerade so
arg geübt wird, wie sie von einem Sklavenbaron geübt werden kann, wenn auch
auf andre Weise als mit Peitsche und Stock. Die Möglichkeit der einseitigen


Etwas über Sklaverei.

Ich glaube nicht, daß die Verhältnisse der Eingebornen auf Java unter
dem Kultursystem van den Boschs sehr rosige waren. Sie hätten wahrscheinlich
weit weniger drückend sei» können, wenn die niederländische Regierung mehr
auf Berücksichtigung der Bedürfnisse ihrer maleiischen Unterthanen und milde
Handhabung ihrer Monopole und weniger auf hohen Gewinn von ihren Plan¬
tagen bedacht gewesen wäre. Aber das dort seit 1830 geltende System war
vielleicht milder als das System, welches vor den Holländern auf Java herrschte,
und vielleicht auch milder als das Joch, welches auf vielen Kukis liegt. Ob
es auch der Sklaverei vorzuziehen war, wie sie von den Negcrhäuptlingeu Afrikas
geübt wird, will ich nicht untersuchen. Darum handelt es sich hier auch uicht,
was für den Neger das beste wäre, sondern darum, mit wie wenig Grau¬
samkeit, Knechtschaft, Gewalt man auskommen könne, um die Neger arbeiten
zu machen. Und in dieser Beziehung dürfte keine Kultivationsgeschichte so
lehrreich sein wie die holländische ans Java. Die Eingebornen wurden nicht
vertilgt wie in Amerika, uicht verdrängt wie in Kapland oder Neuseeland,
aber auch nicht zum Eigentum von Sklavenhaltern gemacht. Die Kom¬
pagnien aber und nachher der Staat behielten eine gewisse Macht über die
Person in der Hand, durch welche der Einzelne zur Arbeit konnte gezwungen
werden. Der Plantngeubau wurde seit 1830 staatlich betrieben durch die Hände
der Eingebornen, die einen, freilich sehr geringen Anteil an dem Gewinne — nämlich
ein Zehntel — hatten und unter unmittelbarer Autorität einheimischer Regenten
und Herren standen. Aber sie lernten dabei doch die Arbeit und wurden einiger¬
maßen gegen Mißhandlung ihrer Herren geschützt. Die Hauptkulturen, wie
Kaffee, Indigo, Reis, Gewürze, waren Staatsmonopole, von denen die arbeitenden
Malaien ihren Gewinnanteil bekamen. Das regierende obere Beamtentum wurde
in Holland gehörig vorgeschult und in Java möglichst mit äußerem Glanz aus¬
gestattet. Das niedere Beamtentum war malaiisch. Den Malaien wurde ihre
Kultur erhalten und wurden Schulen errichtet. Seit 1868 traten Milderungen
in diesem System ein, welche, wie es scheint, nicht immer die Grenze der
Klugheit eingehalten und dadurch die Gefahr von gewaltsamen Erhebungen
gemehrt haben. Aber im ganzen ist auf Java die Kultur gehoben worden,
ohne Sklaverei, ohne Ausrottung der Eingebornen und ohne Kulieinfuhr. Und
wenn die Javaner ungefähr ebenso ausgenutzt wurden wie die Kukis von Britisch-
Jndien oder China, so ist an der modernen Kuliwirtschaft nicht die niedere
Stellung des Kuli in Indien, China, Polynesien, sondern der Handel mit Kukis
und die Ausfuhr und harte Verwendung in der Fremde das Gehässige.

An sich ist weder Sklaverei noch irgend eine Art der Herrschaft von
Menschen über Menschen schlecht. Schlecht ist nur der Mißbrauch der Herr¬
schaft, die von manchen unsrer Freiheitsdemokraten in Europa selbst gerade so
arg geübt wird, wie sie von einem Sklavenbaron geübt werden kann, wenn auch
auf andre Weise als mit Peitsche und Stock. Die Möglichkeit der einseitigen


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[0312] Etwas über Sklaverei. Ich glaube nicht, daß die Verhältnisse der Eingebornen auf Java unter dem Kultursystem van den Boschs sehr rosige waren. Sie hätten wahrscheinlich weit weniger drückend sei» können, wenn die niederländische Regierung mehr auf Berücksichtigung der Bedürfnisse ihrer maleiischen Unterthanen und milde Handhabung ihrer Monopole und weniger auf hohen Gewinn von ihren Plan¬ tagen bedacht gewesen wäre. Aber das dort seit 1830 geltende System war vielleicht milder als das System, welches vor den Holländern auf Java herrschte, und vielleicht auch milder als das Joch, welches auf vielen Kukis liegt. Ob es auch der Sklaverei vorzuziehen war, wie sie von den Negcrhäuptlingeu Afrikas geübt wird, will ich nicht untersuchen. Darum handelt es sich hier auch uicht, was für den Neger das beste wäre, sondern darum, mit wie wenig Grau¬ samkeit, Knechtschaft, Gewalt man auskommen könne, um die Neger arbeiten zu machen. Und in dieser Beziehung dürfte keine Kultivationsgeschichte so lehrreich sein wie die holländische ans Java. Die Eingebornen wurden nicht vertilgt wie in Amerika, uicht verdrängt wie in Kapland oder Neuseeland, aber auch nicht zum Eigentum von Sklavenhaltern gemacht. Die Kom¬ pagnien aber und nachher der Staat behielten eine gewisse Macht über die Person in der Hand, durch welche der Einzelne zur Arbeit konnte gezwungen werden. Der Plantngeubau wurde seit 1830 staatlich betrieben durch die Hände der Eingebornen, die einen, freilich sehr geringen Anteil an dem Gewinne — nämlich ein Zehntel — hatten und unter unmittelbarer Autorität einheimischer Regenten und Herren standen. Aber sie lernten dabei doch die Arbeit und wurden einiger¬ maßen gegen Mißhandlung ihrer Herren geschützt. Die Hauptkulturen, wie Kaffee, Indigo, Reis, Gewürze, waren Staatsmonopole, von denen die arbeitenden Malaien ihren Gewinnanteil bekamen. Das regierende obere Beamtentum wurde in Holland gehörig vorgeschult und in Java möglichst mit äußerem Glanz aus¬ gestattet. Das niedere Beamtentum war malaiisch. Den Malaien wurde ihre Kultur erhalten und wurden Schulen errichtet. Seit 1868 traten Milderungen in diesem System ein, welche, wie es scheint, nicht immer die Grenze der Klugheit eingehalten und dadurch die Gefahr von gewaltsamen Erhebungen gemehrt haben. Aber im ganzen ist auf Java die Kultur gehoben worden, ohne Sklaverei, ohne Ausrottung der Eingebornen und ohne Kulieinfuhr. Und wenn die Javaner ungefähr ebenso ausgenutzt wurden wie die Kukis von Britisch- Jndien oder China, so ist an der modernen Kuliwirtschaft nicht die niedere Stellung des Kuli in Indien, China, Polynesien, sondern der Handel mit Kukis und die Ausfuhr und harte Verwendung in der Fremde das Gehässige. An sich ist weder Sklaverei noch irgend eine Art der Herrschaft von Menschen über Menschen schlecht. Schlecht ist nur der Mißbrauch der Herr¬ schaft, die von manchen unsrer Freiheitsdemokraten in Europa selbst gerade so arg geübt wird, wie sie von einem Sklavenbaron geübt werden kann, wenn auch auf andre Weise als mit Peitsche und Stock. Die Möglichkeit der einseitigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/312>, abgerufen am 03.07.2024.