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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Ltwas über Sklaverei.

ihre Knechtschaft. Es ist aber immer die alte Geschichte: im Sinne gewisser
Leute, die immer die Freiheit im Munde führen, ist die Freiheit dazu da, damit
der Kluge über den Dummen herrsche; bei der Unfreiheit kommt auch einmal
der Dumme dazu, und das wäre für deu Klugen störend. Wenn es dabei bleibt,
daß in tropischen Kolonien nur sogenannte freie Arbeit gestattet sein soll, so
wird die Folge sein, das; zum Teil schlimmere Knechtschaft wird geschaffen
werden durch Geld und Kontrakt, als eine wirkliche, anerkannte und kontrolirte
Knechtschaft bieten würde; zweitens würden die Neger, welche sich keine Be¬
dürfnisse anerziehen ließen, allmählich verdrängt werden aus ihrem Lande. Das
letztere wäre nnn ein Prozeß, der nicht ohne weiteres zu verdammen wäre, wenn
statt der Verdrängten tüchtige Kulturmassen einrückten. Wo aber doch wieder
nur gelbe oder schwarze Kukis an die Stelle träten, da> wäre ein Zwang zur
Arbeit unter gehörigem Schutz gegen Mißbrauch meinem Geschmack nach vor¬
zuziehen. Und wo man weder verdrängen, ausrotten, noch kontraktliche Kuli¬
wirtschaft einführen will, da wird man das Land einfach verlassen müssen, weil
man damit nichts anfangen kann.

Gäbe es andre Gebiete, wo wir mit unsern Bedürfnissen an Industrie und
Erwerb Raum fänden, so wäre auch ich vielleicht geneigt zu sagen: Lassen wir
unsre Hände von dieser mühselig-unerfreulichen Arbeit, Neger zur Arbeit zu
erziehen. Aber wir haben solchen Raum nicht, es sei denn, daß wir ihn uns
mit den Waffen in der Hand erobern wollten. Und viele würden vielleicht
diesen letzteren Ausweg als den männlicheren, ritterlicheren vorziehen. Solange
wir jedoch auf ferne Kolonien in heißen Himmelsstrichen angewiesen sind, müssen
wir auch die Mittel wollen, welche zum Ziele führen. Zum Ziele führt es aber
nicht, wenn wir sagen: die Neger sind kulturfähig wie wir, und es gilt bloß
sie zu erziehen durch Beispiel und Lehre. Sie sind nicht kulturfähig wie wir,
und wenn sie etwa nach dreihundert Jahren es werden sollten, so geht mich
das nichts an, denn ich lebe für mein Jahrhundert. Beispiel und Lehre sind
gut und, wie wir an vielen Missionen sehen, auch wirksam. Nicht jede Mission
ist gesund, aber die Mission kann als Schule der Kultur bei den Negern nützen.
In unserm südwestafrikanischen Schutzgebiete hat, wie es scheint, das Zusammen¬
wirken von Mission und holländischem Kolonistentum den Neger allmählich soweit
gefordert, daß er als Lohnarbeiter zu brauchen ist. Was in diesem südafrikanischen
gemäßigten Klima mit Hilfe starker weißer Einwanderung und mit Hilfe der
Gründung christlicher Missionsgemeinden zu erreichen ist, wird in dem heißen
Innern nicht möglich sein. Auch können wir in den tropischen Kolonien nicht
mit der materiellen Arbeit warten, bis die Mission vielleicht doch noch schwarze
Arbeiter wird herangebildet haben. Wir müssen jetzt gleich welche haben und
werden am besten thun, wenn wir dort, wo die Verhältnisse einen Zwang nahe
legen, nicht mit leeren Prinzipien die Dinge auf den Kopf stellen und ver¬
derben.


Ltwas über Sklaverei.

ihre Knechtschaft. Es ist aber immer die alte Geschichte: im Sinne gewisser
Leute, die immer die Freiheit im Munde führen, ist die Freiheit dazu da, damit
der Kluge über den Dummen herrsche; bei der Unfreiheit kommt auch einmal
der Dumme dazu, und das wäre für deu Klugen störend. Wenn es dabei bleibt,
daß in tropischen Kolonien nur sogenannte freie Arbeit gestattet sein soll, so
wird die Folge sein, das; zum Teil schlimmere Knechtschaft wird geschaffen
werden durch Geld und Kontrakt, als eine wirkliche, anerkannte und kontrolirte
Knechtschaft bieten würde; zweitens würden die Neger, welche sich keine Be¬
dürfnisse anerziehen ließen, allmählich verdrängt werden aus ihrem Lande. Das
letztere wäre nnn ein Prozeß, der nicht ohne weiteres zu verdammen wäre, wenn
statt der Verdrängten tüchtige Kulturmassen einrückten. Wo aber doch wieder
nur gelbe oder schwarze Kukis an die Stelle träten, da> wäre ein Zwang zur
Arbeit unter gehörigem Schutz gegen Mißbrauch meinem Geschmack nach vor¬
zuziehen. Und wo man weder verdrängen, ausrotten, noch kontraktliche Kuli¬
wirtschaft einführen will, da wird man das Land einfach verlassen müssen, weil
man damit nichts anfangen kann.

Gäbe es andre Gebiete, wo wir mit unsern Bedürfnissen an Industrie und
Erwerb Raum fänden, so wäre auch ich vielleicht geneigt zu sagen: Lassen wir
unsre Hände von dieser mühselig-unerfreulichen Arbeit, Neger zur Arbeit zu
erziehen. Aber wir haben solchen Raum nicht, es sei denn, daß wir ihn uns
mit den Waffen in der Hand erobern wollten. Und viele würden vielleicht
diesen letzteren Ausweg als den männlicheren, ritterlicheren vorziehen. Solange
wir jedoch auf ferne Kolonien in heißen Himmelsstrichen angewiesen sind, müssen
wir auch die Mittel wollen, welche zum Ziele führen. Zum Ziele führt es aber
nicht, wenn wir sagen: die Neger sind kulturfähig wie wir, und es gilt bloß
sie zu erziehen durch Beispiel und Lehre. Sie sind nicht kulturfähig wie wir,
und wenn sie etwa nach dreihundert Jahren es werden sollten, so geht mich
das nichts an, denn ich lebe für mein Jahrhundert. Beispiel und Lehre sind
gut und, wie wir an vielen Missionen sehen, auch wirksam. Nicht jede Mission
ist gesund, aber die Mission kann als Schule der Kultur bei den Negern nützen.
In unserm südwestafrikanischen Schutzgebiete hat, wie es scheint, das Zusammen¬
wirken von Mission und holländischem Kolonistentum den Neger allmählich soweit
gefordert, daß er als Lohnarbeiter zu brauchen ist. Was in diesem südafrikanischen
gemäßigten Klima mit Hilfe starker weißer Einwanderung und mit Hilfe der
Gründung christlicher Missionsgemeinden zu erreichen ist, wird in dem heißen
Innern nicht möglich sein. Auch können wir in den tropischen Kolonien nicht
mit der materiellen Arbeit warten, bis die Mission vielleicht doch noch schwarze
Arbeiter wird herangebildet haben. Wir müssen jetzt gleich welche haben und
werden am besten thun, wenn wir dort, wo die Verhältnisse einen Zwang nahe
legen, nicht mit leeren Prinzipien die Dinge auf den Kopf stellen und ver¬
derben.


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[0311] Ltwas über Sklaverei. ihre Knechtschaft. Es ist aber immer die alte Geschichte: im Sinne gewisser Leute, die immer die Freiheit im Munde führen, ist die Freiheit dazu da, damit der Kluge über den Dummen herrsche; bei der Unfreiheit kommt auch einmal der Dumme dazu, und das wäre für deu Klugen störend. Wenn es dabei bleibt, daß in tropischen Kolonien nur sogenannte freie Arbeit gestattet sein soll, so wird die Folge sein, das; zum Teil schlimmere Knechtschaft wird geschaffen werden durch Geld und Kontrakt, als eine wirkliche, anerkannte und kontrolirte Knechtschaft bieten würde; zweitens würden die Neger, welche sich keine Be¬ dürfnisse anerziehen ließen, allmählich verdrängt werden aus ihrem Lande. Das letztere wäre nnn ein Prozeß, der nicht ohne weiteres zu verdammen wäre, wenn statt der Verdrängten tüchtige Kulturmassen einrückten. Wo aber doch wieder nur gelbe oder schwarze Kukis an die Stelle träten, da> wäre ein Zwang zur Arbeit unter gehörigem Schutz gegen Mißbrauch meinem Geschmack nach vor¬ zuziehen. Und wo man weder verdrängen, ausrotten, noch kontraktliche Kuli¬ wirtschaft einführen will, da wird man das Land einfach verlassen müssen, weil man damit nichts anfangen kann. Gäbe es andre Gebiete, wo wir mit unsern Bedürfnissen an Industrie und Erwerb Raum fänden, so wäre auch ich vielleicht geneigt zu sagen: Lassen wir unsre Hände von dieser mühselig-unerfreulichen Arbeit, Neger zur Arbeit zu erziehen. Aber wir haben solchen Raum nicht, es sei denn, daß wir ihn uns mit den Waffen in der Hand erobern wollten. Und viele würden vielleicht diesen letzteren Ausweg als den männlicheren, ritterlicheren vorziehen. Solange wir jedoch auf ferne Kolonien in heißen Himmelsstrichen angewiesen sind, müssen wir auch die Mittel wollen, welche zum Ziele führen. Zum Ziele führt es aber nicht, wenn wir sagen: die Neger sind kulturfähig wie wir, und es gilt bloß sie zu erziehen durch Beispiel und Lehre. Sie sind nicht kulturfähig wie wir, und wenn sie etwa nach dreihundert Jahren es werden sollten, so geht mich das nichts an, denn ich lebe für mein Jahrhundert. Beispiel und Lehre sind gut und, wie wir an vielen Missionen sehen, auch wirksam. Nicht jede Mission ist gesund, aber die Mission kann als Schule der Kultur bei den Negern nützen. In unserm südwestafrikanischen Schutzgebiete hat, wie es scheint, das Zusammen¬ wirken von Mission und holländischem Kolonistentum den Neger allmählich soweit gefordert, daß er als Lohnarbeiter zu brauchen ist. Was in diesem südafrikanischen gemäßigten Klima mit Hilfe starker weißer Einwanderung und mit Hilfe der Gründung christlicher Missionsgemeinden zu erreichen ist, wird in dem heißen Innern nicht möglich sein. Auch können wir in den tropischen Kolonien nicht mit der materiellen Arbeit warten, bis die Mission vielleicht doch noch schwarze Arbeiter wird herangebildet haben. Wir müssen jetzt gleich welche haben und werden am besten thun, wenn wir dort, wo die Verhältnisse einen Zwang nahe legen, nicht mit leeren Prinzipien die Dinge auf den Kopf stellen und ver¬ derben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/311>, abgerufen am 22.07.2024.