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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Etwas über Sklaverei.

Umständen nur soviel heißen, als man mache sie zu Kukis. Das sind ja Leute, die
arbeiten wollen, arbeiten können, Bedürfnisse haben und sklavischen Sinn haben.
Die armen Neger kämen dabei aus dem Regen in die Traufe, wenn man wirk¬
lich imstande wäre, sie auf diese Stufe herabzudrücken. Ist das etwa nicht
grausam, was z. B. auf Fernando Po getrieben wird? Der Neger dort ist
arm, bedürfnislos und zufrieden in feinen Verhältnissen und arbeitet sehr un-
gern. Von solchen Unterthanen hat der spanische Herr natürlich wenig Nutzen;
also gilt es -- denn Gründe des Fortschrittes waren dabei gewiß nicht wirk¬
sam --, den Neger aus indirekten Wege, ohne Sklaverei, ohne Gewalt zu nötigen.
Bisher kam er zum Verkauf seiner Früchte, Eier u. s. w. zur Stadt in seiner
dem Klima und seiner Bequemlichkeit entsprechenden Nacktheit. Nun wird vor¬
geschrieben, er, müsse so und so gekleidet sein; um seine Erzeugnisse zu Markte
zu bringen, muß er also vom spanischen Händler Kleider kaufen; um die zu
bezahlen, muß er mehr arbeiten. Recht vorteilhaft für die spanischen Herren,
allerdings. Aber für den Neger? Er war zufrieden, und wird unzufrieden;
er war arm, und bleibt arm; er war unabhängig, und wird abhängig vom.
fremden Händler und von fremder Sitte, die zu ihm und seinem Lande nicht
passen. Doch das alles ohne Gewalt, ohne Sklaverei! Fürwahr, eine liebens¬
würdige Zivilisation!

Nein, die Kultur ist nicht liebenswürdig, sondern hart! Und wer sie mit
lauter weichen, verlockenden Farben malt, der ist ein Poet, ein Maler, oder
er täuscht absichtlich. Die nackten Schwarzen sind sicher zufriedenere Leute als
die biertrinkenden und gekleideten Arbeiter unsrer Fabriken, und jedes neue
Bedürfnis mehrt die Unzufriedenheit.

Sollen uun wir darum dahin wirken, daß die Menschen möglichst nackend
gehen und möglichst wenig Bedürfnisse haben? Gewiß nicht. Aber wir sollen uns
nicht vorhencheln, daß wir sie zur Kultur erziehen können, ohne ihnen schwere
Lasten aufzulegen, ohne Zwang, Mühe und Elend. Selbst mit den besten
afrikanischen freien Arbeitern wird in einer Weise verfahren, nach Regeln, die
leicht grausamer wirken können als die Sklaverei. Die Besten lassen sich nicht
länger als ein Jahr an eine Arbeit auch bei guter Behandlung fesseln, wenn
kein Zwang sie fesselt. Es sind eben freie Kinder der Natur, nicht die Arbeits-
maschinen der Kultur, und haben sie sich etwas verdient, so wollen sie es daheim
verzehren ohne Arbeit, da sie den Genuß nicht kennen, der in dem Aufhäufen
von Geld liegen soll. Also nimmt man diese freien Männer so weit fort von
der Heimat, daß sie nach einem Arbeitsjahre nicht zurückkehren können, weil
sie das Geld dazu uicht haben; und so sind sie an den Herrn gebunden, die
Gewalt ist da, aber -- nur keine Sklaverei. Wären es Sklaven oder anders
gebundene Leute, so könnte man sie in ihrer Heimat, bei ihren Familien, Sippen
und Sitten lassen, und sie könnten es dabei ebenso gut haben in Beziehung
auf den Erwerb, als wie bei freier Arbeit. Allein das Wort Freiheit erschwert


Etwas über Sklaverei.

Umständen nur soviel heißen, als man mache sie zu Kukis. Das sind ja Leute, die
arbeiten wollen, arbeiten können, Bedürfnisse haben und sklavischen Sinn haben.
Die armen Neger kämen dabei aus dem Regen in die Traufe, wenn man wirk¬
lich imstande wäre, sie auf diese Stufe herabzudrücken. Ist das etwa nicht
grausam, was z. B. auf Fernando Po getrieben wird? Der Neger dort ist
arm, bedürfnislos und zufrieden in feinen Verhältnissen und arbeitet sehr un-
gern. Von solchen Unterthanen hat der spanische Herr natürlich wenig Nutzen;
also gilt es — denn Gründe des Fortschrittes waren dabei gewiß nicht wirk¬
sam —, den Neger aus indirekten Wege, ohne Sklaverei, ohne Gewalt zu nötigen.
Bisher kam er zum Verkauf seiner Früchte, Eier u. s. w. zur Stadt in seiner
dem Klima und seiner Bequemlichkeit entsprechenden Nacktheit. Nun wird vor¬
geschrieben, er, müsse so und so gekleidet sein; um seine Erzeugnisse zu Markte
zu bringen, muß er also vom spanischen Händler Kleider kaufen; um die zu
bezahlen, muß er mehr arbeiten. Recht vorteilhaft für die spanischen Herren,
allerdings. Aber für den Neger? Er war zufrieden, und wird unzufrieden;
er war arm, und bleibt arm; er war unabhängig, und wird abhängig vom.
fremden Händler und von fremder Sitte, die zu ihm und seinem Lande nicht
passen. Doch das alles ohne Gewalt, ohne Sklaverei! Fürwahr, eine liebens¬
würdige Zivilisation!

Nein, die Kultur ist nicht liebenswürdig, sondern hart! Und wer sie mit
lauter weichen, verlockenden Farben malt, der ist ein Poet, ein Maler, oder
er täuscht absichtlich. Die nackten Schwarzen sind sicher zufriedenere Leute als
die biertrinkenden und gekleideten Arbeiter unsrer Fabriken, und jedes neue
Bedürfnis mehrt die Unzufriedenheit.

Sollen uun wir darum dahin wirken, daß die Menschen möglichst nackend
gehen und möglichst wenig Bedürfnisse haben? Gewiß nicht. Aber wir sollen uns
nicht vorhencheln, daß wir sie zur Kultur erziehen können, ohne ihnen schwere
Lasten aufzulegen, ohne Zwang, Mühe und Elend. Selbst mit den besten
afrikanischen freien Arbeitern wird in einer Weise verfahren, nach Regeln, die
leicht grausamer wirken können als die Sklaverei. Die Besten lassen sich nicht
länger als ein Jahr an eine Arbeit auch bei guter Behandlung fesseln, wenn
kein Zwang sie fesselt. Es sind eben freie Kinder der Natur, nicht die Arbeits-
maschinen der Kultur, und haben sie sich etwas verdient, so wollen sie es daheim
verzehren ohne Arbeit, da sie den Genuß nicht kennen, der in dem Aufhäufen
von Geld liegen soll. Also nimmt man diese freien Männer so weit fort von
der Heimat, daß sie nach einem Arbeitsjahre nicht zurückkehren können, weil
sie das Geld dazu uicht haben; und so sind sie an den Herrn gebunden, die
Gewalt ist da, aber — nur keine Sklaverei. Wären es Sklaven oder anders
gebundene Leute, so könnte man sie in ihrer Heimat, bei ihren Familien, Sippen
und Sitten lassen, und sie könnten es dabei ebenso gut haben in Beziehung
auf den Erwerb, als wie bei freier Arbeit. Allein das Wort Freiheit erschwert


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/310>, abgerufen am 22.07.2024.