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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Ltwas über Sklaverei.

wir ernstlich uns die Sache anschauen, ehe wir mit Geld und Blut an Koloni¬
sation in Afrika gehen. Und besonders am Platze wäre es, genau nachzuforschen,
was unsre Afrikakenner über die Sache sagen. Wenn wir nun von der Mission
absehen, die ja von einem Ideenkreise ausgeht, den ich nicht angreifen will und
den ich hier auch beiseite lassen darf, so sagen meines Wissens alle unsre Rei¬
senden, daß ohne Zwang der Neger in den Tropen nicht arbeitet, und daß ohne
Negerarbeit in den Tropen nichts erreicht werden kann. Alle sagen, daß, wenn
man die Sklaverei in Afrika gewaltsam aufzuheben versuchen wollte, die Zu¬
stände dort, wo man es unternehme, sich verschlimmern würden. Alle sagen,
daß hauptsächlich der Handel mit Sklaven grausam getrieben werde und die Quelle
neuer Grausamkeiten bilde, der Sklave jedoch meist in erträglicher Abhängigkeit
von seinem Herrn stehe. Alle halten die allgemeine Aufhebung der Sklaverei
für unmöglich und die Aufhebung im einzelnen Falle für wenigstens vorläufig
schädlich, sowohl für deu Europäer, der dort etwas erreichen will, als für den
Neger selbst. Das sollte unsre Freiheitsschwärmer doch stutzig machen. Worin
liegt denn das Gehässige der Sklaverei? Vom religiösen Standpunkte aus
darin, daß ein Mensch mein Eigentum ist, den das Christentum für meinen
Bruder erklärt. Aber mein Bruder doch nur im Verhältnis zu Gott und
in dem Sinne, daß ich ihn lieben soll wie meinen Bruder. Warum sollte ich
nun meinen Sklaven nicht so gut lieben als meinen freien Diener? Ich ver¬
mute sogar, daß unsre Fabrikherren ihre Arbeiter um nichts mehr, sondern
vielmehr um vieles weniger lieben, als Plantagenbesitzer von gleicher Bildung
und Charaktergüte ihre Sklaven lieben. Der Freiheitstrompeter sagt: Sklaverei
erniedrigt sowohl den Sklaven als den Herrn; sie drückt die Moral herab,
lahmt das Selbstbewußtsein und bewirkt dadurch, daß auch der materielle Ge¬
winn schwindet, indem der freie Arbeiter mehr leistet, die Sklavenarbeit aber
das Land am allgemeinen Emporkommen hindert. Endlich heißt es mit Pathos:
Die Würde des Menschen verträgt keine Sklaverei! Ja, recht schön gedacht,
wenn es sich darum handelte, in Berlin die Sklaverei einzuführen und den
Freiheitstrompeter in Fesseln zu schlagen. Bisher aber handelte sichs nur um
Afrika und um Neger, und da paßt nichts von den schönen Redensarten hin.
Zu erniedrigen ist da nichts, denn der Neger ist schon auf der letzten Stufe;
Moral ist nicht zu erwerben, denn sie ist in dem Sinne nicht vorhanden, daß
der Neger seine Sklaverei als eine Erniedrigung empfände; keine Menschenwürde
wird verletzt, wo durch die Sklaverei auch dem gefangenen Häuptling nichts
andres zum Bewußtsein kommt, als die natürliche Ordnung der Dinge. Eine
Störung des sittlichen Bewußtseins des Negers würde erst eintreten, wenn
man ihm etwa klar zu machen, ihn zu überreden suchte, er sei ebensoviel wert
als ein Weißer. Diese Unwahrheit würde ihren bösen Eindruck machen, wie
jede andre Unwahrheit. Denn der Instinkt macht dem Neger die Rassen¬
überlegenheit des Weißen so unzweifelhaft, daß er ohne jeden sittlichen Schaden


Ltwas über Sklaverei.

wir ernstlich uns die Sache anschauen, ehe wir mit Geld und Blut an Koloni¬
sation in Afrika gehen. Und besonders am Platze wäre es, genau nachzuforschen,
was unsre Afrikakenner über die Sache sagen. Wenn wir nun von der Mission
absehen, die ja von einem Ideenkreise ausgeht, den ich nicht angreifen will und
den ich hier auch beiseite lassen darf, so sagen meines Wissens alle unsre Rei¬
senden, daß ohne Zwang der Neger in den Tropen nicht arbeitet, und daß ohne
Negerarbeit in den Tropen nichts erreicht werden kann. Alle sagen, daß, wenn
man die Sklaverei in Afrika gewaltsam aufzuheben versuchen wollte, die Zu¬
stände dort, wo man es unternehme, sich verschlimmern würden. Alle sagen,
daß hauptsächlich der Handel mit Sklaven grausam getrieben werde und die Quelle
neuer Grausamkeiten bilde, der Sklave jedoch meist in erträglicher Abhängigkeit
von seinem Herrn stehe. Alle halten die allgemeine Aufhebung der Sklaverei
für unmöglich und die Aufhebung im einzelnen Falle für wenigstens vorläufig
schädlich, sowohl für deu Europäer, der dort etwas erreichen will, als für den
Neger selbst. Das sollte unsre Freiheitsschwärmer doch stutzig machen. Worin
liegt denn das Gehässige der Sklaverei? Vom religiösen Standpunkte aus
darin, daß ein Mensch mein Eigentum ist, den das Christentum für meinen
Bruder erklärt. Aber mein Bruder doch nur im Verhältnis zu Gott und
in dem Sinne, daß ich ihn lieben soll wie meinen Bruder. Warum sollte ich
nun meinen Sklaven nicht so gut lieben als meinen freien Diener? Ich ver¬
mute sogar, daß unsre Fabrikherren ihre Arbeiter um nichts mehr, sondern
vielmehr um vieles weniger lieben, als Plantagenbesitzer von gleicher Bildung
und Charaktergüte ihre Sklaven lieben. Der Freiheitstrompeter sagt: Sklaverei
erniedrigt sowohl den Sklaven als den Herrn; sie drückt die Moral herab,
lahmt das Selbstbewußtsein und bewirkt dadurch, daß auch der materielle Ge¬
winn schwindet, indem der freie Arbeiter mehr leistet, die Sklavenarbeit aber
das Land am allgemeinen Emporkommen hindert. Endlich heißt es mit Pathos:
Die Würde des Menschen verträgt keine Sklaverei! Ja, recht schön gedacht,
wenn es sich darum handelte, in Berlin die Sklaverei einzuführen und den
Freiheitstrompeter in Fesseln zu schlagen. Bisher aber handelte sichs nur um
Afrika und um Neger, und da paßt nichts von den schönen Redensarten hin.
Zu erniedrigen ist da nichts, denn der Neger ist schon auf der letzten Stufe;
Moral ist nicht zu erwerben, denn sie ist in dem Sinne nicht vorhanden, daß
der Neger seine Sklaverei als eine Erniedrigung empfände; keine Menschenwürde
wird verletzt, wo durch die Sklaverei auch dem gefangenen Häuptling nichts
andres zum Bewußtsein kommt, als die natürliche Ordnung der Dinge. Eine
Störung des sittlichen Bewußtseins des Negers würde erst eintreten, wenn
man ihm etwa klar zu machen, ihn zu überreden suchte, er sei ebensoviel wert
als ein Weißer. Diese Unwahrheit würde ihren bösen Eindruck machen, wie
jede andre Unwahrheit. Denn der Instinkt macht dem Neger die Rassen¬
überlegenheit des Weißen so unzweifelhaft, daß er ohne jeden sittlichen Schaden


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[0306] Ltwas über Sklaverei. wir ernstlich uns die Sache anschauen, ehe wir mit Geld und Blut an Koloni¬ sation in Afrika gehen. Und besonders am Platze wäre es, genau nachzuforschen, was unsre Afrikakenner über die Sache sagen. Wenn wir nun von der Mission absehen, die ja von einem Ideenkreise ausgeht, den ich nicht angreifen will und den ich hier auch beiseite lassen darf, so sagen meines Wissens alle unsre Rei¬ senden, daß ohne Zwang der Neger in den Tropen nicht arbeitet, und daß ohne Negerarbeit in den Tropen nichts erreicht werden kann. Alle sagen, daß, wenn man die Sklaverei in Afrika gewaltsam aufzuheben versuchen wollte, die Zu¬ stände dort, wo man es unternehme, sich verschlimmern würden. Alle sagen, daß hauptsächlich der Handel mit Sklaven grausam getrieben werde und die Quelle neuer Grausamkeiten bilde, der Sklave jedoch meist in erträglicher Abhängigkeit von seinem Herrn stehe. Alle halten die allgemeine Aufhebung der Sklaverei für unmöglich und die Aufhebung im einzelnen Falle für wenigstens vorläufig schädlich, sowohl für deu Europäer, der dort etwas erreichen will, als für den Neger selbst. Das sollte unsre Freiheitsschwärmer doch stutzig machen. Worin liegt denn das Gehässige der Sklaverei? Vom religiösen Standpunkte aus darin, daß ein Mensch mein Eigentum ist, den das Christentum für meinen Bruder erklärt. Aber mein Bruder doch nur im Verhältnis zu Gott und in dem Sinne, daß ich ihn lieben soll wie meinen Bruder. Warum sollte ich nun meinen Sklaven nicht so gut lieben als meinen freien Diener? Ich ver¬ mute sogar, daß unsre Fabrikherren ihre Arbeiter um nichts mehr, sondern vielmehr um vieles weniger lieben, als Plantagenbesitzer von gleicher Bildung und Charaktergüte ihre Sklaven lieben. Der Freiheitstrompeter sagt: Sklaverei erniedrigt sowohl den Sklaven als den Herrn; sie drückt die Moral herab, lahmt das Selbstbewußtsein und bewirkt dadurch, daß auch der materielle Ge¬ winn schwindet, indem der freie Arbeiter mehr leistet, die Sklavenarbeit aber das Land am allgemeinen Emporkommen hindert. Endlich heißt es mit Pathos: Die Würde des Menschen verträgt keine Sklaverei! Ja, recht schön gedacht, wenn es sich darum handelte, in Berlin die Sklaverei einzuführen und den Freiheitstrompeter in Fesseln zu schlagen. Bisher aber handelte sichs nur um Afrika und um Neger, und da paßt nichts von den schönen Redensarten hin. Zu erniedrigen ist da nichts, denn der Neger ist schon auf der letzten Stufe; Moral ist nicht zu erwerben, denn sie ist in dem Sinne nicht vorhanden, daß der Neger seine Sklaverei als eine Erniedrigung empfände; keine Menschenwürde wird verletzt, wo durch die Sklaverei auch dem gefangenen Häuptling nichts andres zum Bewußtsein kommt, als die natürliche Ordnung der Dinge. Eine Störung des sittlichen Bewußtseins des Negers würde erst eintreten, wenn man ihm etwa klar zu machen, ihn zu überreden suchte, er sei ebensoviel wert als ein Weißer. Diese Unwahrheit würde ihren bösen Eindruck machen, wie jede andre Unwahrheit. Denn der Instinkt macht dem Neger die Rassen¬ überlegenheit des Weißen so unzweifelhaft, daß er ohne jeden sittlichen Schaden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/306>, abgerufen am 22.07.2024.