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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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der Erde zerstört zu haben. Wenn aber die Bewegung gegen dieses Gewerbe
von wirklich edeln Motiven amerikanischer und englischer Männer ausging und
erfüllt wurde, wenn auch der Kampf Englands gegen die Sklaverei selbst aus
dieser edeln Quelle zuerst gespeist wurde, so braucht man doch nicht an der
Thatsache stumm vorüberzugehen, daß, was England zu Anfang des Jahr¬
hunderts für die Freiheit seiner und fremder Sklaven an Geld geopfert hat,
gegenübersteht einem unvergleichlich viel größern materiellen Schaden, den es
durch die Zerstörung des Sklavenhandels Ländern zufügte, welche teils seine
Feinde, teils seine Nebenbuhler auf wirtschaftlichem Gebiete waren, und daß
so diese edle That mittelbar vou erheblichem Nutzen für England geworden ist.
Ebensowenig braucht man zu vergessen, daß England bei all seinem Haß gegen
Sklaverei im Jahre 1861 sich ruhig -- und, ich meine, sehr verständiger-
weise -- auf die Seite der Sklavenbarone in dem Sezessionskricge der Ver¬
einigten Staaten stellte. Und wenn heute England nach wie vor die Sklaverei
für abscheulich erklärt, so thut es sich selbst damit auch heute noch keinerlei
Schaden, da der Teil der englischen Kolonien, auf welchem das Sklaven-
hnlten von bedeutendem Vorteil wäre, sehr gering ist. Wo Engländer arbeiten
können, wäre es Thorheit, Neger arbeiten zu lassen, und im übrigen kann mit
Geld leicht eine Sklaverei hergestellt werden, die das Gesetz nicht verletzt, aber
gerade so gut ist wie die ungesetzliche Sklaverei. Und in Englands Haupt¬
kolonien, in Indien, da haben Religion und Kultur den Herren ohnehin eine
geschlvssne Arbeiterkaste in die Hand gegeben, die die Sklaverei ausreichend er¬
setzt. Es ist wirklich ebenso erstaunlich als ergötzlich, wie bei so praktischer
Sachlage die Engländer, von ein paar hundert Millionen Dollars, die sie ge¬
opfert haben, abgesehen, bis heute auch auf diesem Felde thun, was für sie nützlich
ist, und andern einreden, daß sie höchste Moral thäten. Sie sind aber neben
ihrem guten Idealismus Leute von Erfahrung und praktischem Willen, in deren
idealen Bewegungen meist ein tüchtiges Stück derber Verständigkeit zu finden
ist. So sind denn auch wir Deutschen soweit gekommen, daß, sobald von Sklaven
die Rede ist, die Mehrzahl die Augen verdreht. Wir waren auch bisher
gewiß ganz im Recht, uns so zu geberden, und zwar aus verschiednen Gründen.
Erstens kostete uns das durchaus nichts. Zweitens kamen wir dadurch auch,
gleich den Engländern, ein wenig in den Geruch, gebildete Leute zu sein. Drittens
war für unsre politischen Spaßvogel die Sklaverei ein herrlicher Gegenstand,
um auf Kirmessen u. dergl. daran die Grausamkeit, Verworfenheit und den
Reichtum von Sklavenhaltern, Gutsbesitzern und andern Edelleuten deutlich vor-
zudemonstriren. Und viertens wußten wir es eben nicht besser, als wie Eng¬
länder, Professoren und Kirche im Verein es uns seit bald hundert Jahren
dargestellt haben.

Neuerdings nun kommen wir in die Lage, nicht mehr so ganz umsonst den
Ruhm von Sklavereibekämpfcrn uns erhalten zu können. Es wird Zeit, daß


Grmzbowl III. 1836. 33
Ltwas über Sklaverei.

der Erde zerstört zu haben. Wenn aber die Bewegung gegen dieses Gewerbe
von wirklich edeln Motiven amerikanischer und englischer Männer ausging und
erfüllt wurde, wenn auch der Kampf Englands gegen die Sklaverei selbst aus
dieser edeln Quelle zuerst gespeist wurde, so braucht man doch nicht an der
Thatsache stumm vorüberzugehen, daß, was England zu Anfang des Jahr¬
hunderts für die Freiheit seiner und fremder Sklaven an Geld geopfert hat,
gegenübersteht einem unvergleichlich viel größern materiellen Schaden, den es
durch die Zerstörung des Sklavenhandels Ländern zufügte, welche teils seine
Feinde, teils seine Nebenbuhler auf wirtschaftlichem Gebiete waren, und daß
so diese edle That mittelbar vou erheblichem Nutzen für England geworden ist.
Ebensowenig braucht man zu vergessen, daß England bei all seinem Haß gegen
Sklaverei im Jahre 1861 sich ruhig — und, ich meine, sehr verständiger-
weise — auf die Seite der Sklavenbarone in dem Sezessionskricge der Ver¬
einigten Staaten stellte. Und wenn heute England nach wie vor die Sklaverei
für abscheulich erklärt, so thut es sich selbst damit auch heute noch keinerlei
Schaden, da der Teil der englischen Kolonien, auf welchem das Sklaven-
hnlten von bedeutendem Vorteil wäre, sehr gering ist. Wo Engländer arbeiten
können, wäre es Thorheit, Neger arbeiten zu lassen, und im übrigen kann mit
Geld leicht eine Sklaverei hergestellt werden, die das Gesetz nicht verletzt, aber
gerade so gut ist wie die ungesetzliche Sklaverei. Und in Englands Haupt¬
kolonien, in Indien, da haben Religion und Kultur den Herren ohnehin eine
geschlvssne Arbeiterkaste in die Hand gegeben, die die Sklaverei ausreichend er¬
setzt. Es ist wirklich ebenso erstaunlich als ergötzlich, wie bei so praktischer
Sachlage die Engländer, von ein paar hundert Millionen Dollars, die sie ge¬
opfert haben, abgesehen, bis heute auch auf diesem Felde thun, was für sie nützlich
ist, und andern einreden, daß sie höchste Moral thäten. Sie sind aber neben
ihrem guten Idealismus Leute von Erfahrung und praktischem Willen, in deren
idealen Bewegungen meist ein tüchtiges Stück derber Verständigkeit zu finden
ist. So sind denn auch wir Deutschen soweit gekommen, daß, sobald von Sklaven
die Rede ist, die Mehrzahl die Augen verdreht. Wir waren auch bisher
gewiß ganz im Recht, uns so zu geberden, und zwar aus verschiednen Gründen.
Erstens kostete uns das durchaus nichts. Zweitens kamen wir dadurch auch,
gleich den Engländern, ein wenig in den Geruch, gebildete Leute zu sein. Drittens
war für unsre politischen Spaßvogel die Sklaverei ein herrlicher Gegenstand,
um auf Kirmessen u. dergl. daran die Grausamkeit, Verworfenheit und den
Reichtum von Sklavenhaltern, Gutsbesitzern und andern Edelleuten deutlich vor-
zudemonstriren. Und viertens wußten wir es eben nicht besser, als wie Eng¬
länder, Professoren und Kirche im Verein es uns seit bald hundert Jahren
dargestellt haben.

Neuerdings nun kommen wir in die Lage, nicht mehr so ganz umsonst den
Ruhm von Sklavereibekämpfcrn uns erhalten zu können. Es wird Zeit, daß


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[0305] Ltwas über Sklaverei. der Erde zerstört zu haben. Wenn aber die Bewegung gegen dieses Gewerbe von wirklich edeln Motiven amerikanischer und englischer Männer ausging und erfüllt wurde, wenn auch der Kampf Englands gegen die Sklaverei selbst aus dieser edeln Quelle zuerst gespeist wurde, so braucht man doch nicht an der Thatsache stumm vorüberzugehen, daß, was England zu Anfang des Jahr¬ hunderts für die Freiheit seiner und fremder Sklaven an Geld geopfert hat, gegenübersteht einem unvergleichlich viel größern materiellen Schaden, den es durch die Zerstörung des Sklavenhandels Ländern zufügte, welche teils seine Feinde, teils seine Nebenbuhler auf wirtschaftlichem Gebiete waren, und daß so diese edle That mittelbar vou erheblichem Nutzen für England geworden ist. Ebensowenig braucht man zu vergessen, daß England bei all seinem Haß gegen Sklaverei im Jahre 1861 sich ruhig — und, ich meine, sehr verständiger- weise — auf die Seite der Sklavenbarone in dem Sezessionskricge der Ver¬ einigten Staaten stellte. Und wenn heute England nach wie vor die Sklaverei für abscheulich erklärt, so thut es sich selbst damit auch heute noch keinerlei Schaden, da der Teil der englischen Kolonien, auf welchem das Sklaven- hnlten von bedeutendem Vorteil wäre, sehr gering ist. Wo Engländer arbeiten können, wäre es Thorheit, Neger arbeiten zu lassen, und im übrigen kann mit Geld leicht eine Sklaverei hergestellt werden, die das Gesetz nicht verletzt, aber gerade so gut ist wie die ungesetzliche Sklaverei. Und in Englands Haupt¬ kolonien, in Indien, da haben Religion und Kultur den Herren ohnehin eine geschlvssne Arbeiterkaste in die Hand gegeben, die die Sklaverei ausreichend er¬ setzt. Es ist wirklich ebenso erstaunlich als ergötzlich, wie bei so praktischer Sachlage die Engländer, von ein paar hundert Millionen Dollars, die sie ge¬ opfert haben, abgesehen, bis heute auch auf diesem Felde thun, was für sie nützlich ist, und andern einreden, daß sie höchste Moral thäten. Sie sind aber neben ihrem guten Idealismus Leute von Erfahrung und praktischem Willen, in deren idealen Bewegungen meist ein tüchtiges Stück derber Verständigkeit zu finden ist. So sind denn auch wir Deutschen soweit gekommen, daß, sobald von Sklaven die Rede ist, die Mehrzahl die Augen verdreht. Wir waren auch bisher gewiß ganz im Recht, uns so zu geberden, und zwar aus verschiednen Gründen. Erstens kostete uns das durchaus nichts. Zweitens kamen wir dadurch auch, gleich den Engländern, ein wenig in den Geruch, gebildete Leute zu sein. Drittens war für unsre politischen Spaßvogel die Sklaverei ein herrlicher Gegenstand, um auf Kirmessen u. dergl. daran die Grausamkeit, Verworfenheit und den Reichtum von Sklavenhaltern, Gutsbesitzern und andern Edelleuten deutlich vor- zudemonstriren. Und viertens wußten wir es eben nicht besser, als wie Eng¬ länder, Professoren und Kirche im Verein es uns seit bald hundert Jahren dargestellt haben. Neuerdings nun kommen wir in die Lage, nicht mehr so ganz umsonst den Ruhm von Sklavereibekämpfcrn uns erhalten zu können. Es wird Zeit, daß Grmzbowl III. 1836. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/305>, abgerufen am 03.07.2024.