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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Ltwas über Sklaverei.

antwortet werden können. Allein es haben sich auch bereis solche von mehr
theoretischer Arte gezeigt, die eine prinzipielle Antwort herausfordern. Zu
diesen gehört die Sklavenfrage.

Ich gestehe meinerseits von vornherein, daß ich auch hier am liebsten keine
sogenannte Prinzipienfrage vor mir sähe. Wären wir Europäer nicht zum
größten Teile von Vorurteilen befangen so gut als irgend ein Negervolk, so
gäbe es eben keine Sklavenfrage in dem Sinne, wie sie bei uns meist ge¬
faßt wird. Denn der ganze Unterschied zwischen unsern Vorurteilen und
denen der Neger liegt darin, daß wir, indem wir unsre Vorurteile für gut
und die der Neger für schlecht erklären, die Stärkeren sind. Da das indessen
nun einmal so ist, und da wir ans der Sklaverei allmählich eine These von
höchst ethischer und höchst abstrakter Art gezogen haben, so müssen wir schon
mit denen rechnen, welche nicht nur die Sklaverei als solche und überall glauben
bekämpfen zu müssen, sondern überhaupt vou einer solchen Frage garnichts
mehr hören wollen, da ihrer Meinung nach die Berechtigung der Sklaverei
ebenso wenig fraglich sein könne als etwa die Berechtigung des Diebstahls.
Man hat eben die Sklaverei wegen ihres verderblichen Mißbrauchs auf deu
sittliche" Boden gestellt, der von unsrer Kultur geheiligt ist, und sie noch dazu
mit dem Fluche des Christentums belastet, obwohl meines Wissens weder das
alte noch das neue Testament diesen Eifer teilt.

Ich will nun nicht weiter diese durchaus ethisch-religiöse Seite der Sache
hier verfolge"; genug, daß diese Ausfassung in unsrer Kulturwelt sehr ver¬
breitet ist, und daß auch wir Deutschen sie in der Mehrzahl teilen, obwohl wir
praktisch seit sehr langer Zeit nicht mehr in der Lage gewesen sind, Sklaven
zu haben und dieses Institut, welches so alt ist wie das Menschengeschlecht,
und so verbreitet war oder ist, als der Mensch wohnt, aus eigner Erfahrung
kennen zu lernen. Erst unsre neuesten Berührungen mit außereuropäischen
Völkern und unsre staatlichen Erwerbungen über See haben uns genötigt, die
Sache uns nochmals reiflich zu überlege" und praktisch Stellung dazu zu "ebenen.
Und vielleicht giebt das den Anstoß dazu, daß wir nicht mehr wie bisher bloß
nachsprechen, was Engländer und andre über die Sache uns vorgesprochen
haben, sondern genauer untersuchen, was Vernunft und Moral uus hier zu
thun und zu lassen vorschreiben und wie sich das Ergebnis dieser Untersuchung
mit unsern kolonialen Bedürfnissen und Plänen in Einklang bringen lasse.

Bekanntlich sind es die Engländer gewesen, welche an der Spitze derer standen,
die den Kampf gegen Sklavenhandel und Sklaverei begannen und durchführten.
Sie haben dafür einen großen und zum Teil gerechtfertigten Nuhm erworben
und sind noch heute überzeugt, daß sie damit einen der größten und sittlichsten
Siege höchster Kultur nicht bloß, sondern höchster Opferbereitschaft eines Volkes
errungen haben. Auch wird niemand das Verdienst schmälern, in dem Sklaven¬
handel eines der grausamsten Gewerbe bekämpft und für einen großen Teil


Ltwas über Sklaverei.

antwortet werden können. Allein es haben sich auch bereis solche von mehr
theoretischer Arte gezeigt, die eine prinzipielle Antwort herausfordern. Zu
diesen gehört die Sklavenfrage.

Ich gestehe meinerseits von vornherein, daß ich auch hier am liebsten keine
sogenannte Prinzipienfrage vor mir sähe. Wären wir Europäer nicht zum
größten Teile von Vorurteilen befangen so gut als irgend ein Negervolk, so
gäbe es eben keine Sklavenfrage in dem Sinne, wie sie bei uns meist ge¬
faßt wird. Denn der ganze Unterschied zwischen unsern Vorurteilen und
denen der Neger liegt darin, daß wir, indem wir unsre Vorurteile für gut
und die der Neger für schlecht erklären, die Stärkeren sind. Da das indessen
nun einmal so ist, und da wir ans der Sklaverei allmählich eine These von
höchst ethischer und höchst abstrakter Art gezogen haben, so müssen wir schon
mit denen rechnen, welche nicht nur die Sklaverei als solche und überall glauben
bekämpfen zu müssen, sondern überhaupt vou einer solchen Frage garnichts
mehr hören wollen, da ihrer Meinung nach die Berechtigung der Sklaverei
ebenso wenig fraglich sein könne als etwa die Berechtigung des Diebstahls.
Man hat eben die Sklaverei wegen ihres verderblichen Mißbrauchs auf deu
sittliche» Boden gestellt, der von unsrer Kultur geheiligt ist, und sie noch dazu
mit dem Fluche des Christentums belastet, obwohl meines Wissens weder das
alte noch das neue Testament diesen Eifer teilt.

Ich will nun nicht weiter diese durchaus ethisch-religiöse Seite der Sache
hier verfolge»; genug, daß diese Ausfassung in unsrer Kulturwelt sehr ver¬
breitet ist, und daß auch wir Deutschen sie in der Mehrzahl teilen, obwohl wir
praktisch seit sehr langer Zeit nicht mehr in der Lage gewesen sind, Sklaven
zu haben und dieses Institut, welches so alt ist wie das Menschengeschlecht,
und so verbreitet war oder ist, als der Mensch wohnt, aus eigner Erfahrung
kennen zu lernen. Erst unsre neuesten Berührungen mit außereuropäischen
Völkern und unsre staatlichen Erwerbungen über See haben uns genötigt, die
Sache uns nochmals reiflich zu überlege» und praktisch Stellung dazu zu »ebenen.
Und vielleicht giebt das den Anstoß dazu, daß wir nicht mehr wie bisher bloß
nachsprechen, was Engländer und andre über die Sache uns vorgesprochen
haben, sondern genauer untersuchen, was Vernunft und Moral uus hier zu
thun und zu lassen vorschreiben und wie sich das Ergebnis dieser Untersuchung
mit unsern kolonialen Bedürfnissen und Plänen in Einklang bringen lasse.

Bekanntlich sind es die Engländer gewesen, welche an der Spitze derer standen,
die den Kampf gegen Sklavenhandel und Sklaverei begannen und durchführten.
Sie haben dafür einen großen und zum Teil gerechtfertigten Nuhm erworben
und sind noch heute überzeugt, daß sie damit einen der größten und sittlichsten
Siege höchster Kultur nicht bloß, sondern höchster Opferbereitschaft eines Volkes
errungen haben. Auch wird niemand das Verdienst schmälern, in dem Sklaven¬
handel eines der grausamsten Gewerbe bekämpft und für einen großen Teil


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[0304] Ltwas über Sklaverei. antwortet werden können. Allein es haben sich auch bereis solche von mehr theoretischer Arte gezeigt, die eine prinzipielle Antwort herausfordern. Zu diesen gehört die Sklavenfrage. Ich gestehe meinerseits von vornherein, daß ich auch hier am liebsten keine sogenannte Prinzipienfrage vor mir sähe. Wären wir Europäer nicht zum größten Teile von Vorurteilen befangen so gut als irgend ein Negervolk, so gäbe es eben keine Sklavenfrage in dem Sinne, wie sie bei uns meist ge¬ faßt wird. Denn der ganze Unterschied zwischen unsern Vorurteilen und denen der Neger liegt darin, daß wir, indem wir unsre Vorurteile für gut und die der Neger für schlecht erklären, die Stärkeren sind. Da das indessen nun einmal so ist, und da wir ans der Sklaverei allmählich eine These von höchst ethischer und höchst abstrakter Art gezogen haben, so müssen wir schon mit denen rechnen, welche nicht nur die Sklaverei als solche und überall glauben bekämpfen zu müssen, sondern überhaupt vou einer solchen Frage garnichts mehr hören wollen, da ihrer Meinung nach die Berechtigung der Sklaverei ebenso wenig fraglich sein könne als etwa die Berechtigung des Diebstahls. Man hat eben die Sklaverei wegen ihres verderblichen Mißbrauchs auf deu sittliche» Boden gestellt, der von unsrer Kultur geheiligt ist, und sie noch dazu mit dem Fluche des Christentums belastet, obwohl meines Wissens weder das alte noch das neue Testament diesen Eifer teilt. Ich will nun nicht weiter diese durchaus ethisch-religiöse Seite der Sache hier verfolge»; genug, daß diese Ausfassung in unsrer Kulturwelt sehr ver¬ breitet ist, und daß auch wir Deutschen sie in der Mehrzahl teilen, obwohl wir praktisch seit sehr langer Zeit nicht mehr in der Lage gewesen sind, Sklaven zu haben und dieses Institut, welches so alt ist wie das Menschengeschlecht, und so verbreitet war oder ist, als der Mensch wohnt, aus eigner Erfahrung kennen zu lernen. Erst unsre neuesten Berührungen mit außereuropäischen Völkern und unsre staatlichen Erwerbungen über See haben uns genötigt, die Sache uns nochmals reiflich zu überlege» und praktisch Stellung dazu zu »ebenen. Und vielleicht giebt das den Anstoß dazu, daß wir nicht mehr wie bisher bloß nachsprechen, was Engländer und andre über die Sache uns vorgesprochen haben, sondern genauer untersuchen, was Vernunft und Moral uus hier zu thun und zu lassen vorschreiben und wie sich das Ergebnis dieser Untersuchung mit unsern kolonialen Bedürfnissen und Plänen in Einklang bringen lasse. Bekanntlich sind es die Engländer gewesen, welche an der Spitze derer standen, die den Kampf gegen Sklavenhandel und Sklaverei begannen und durchführten. Sie haben dafür einen großen und zum Teil gerechtfertigten Nuhm erworben und sind noch heute überzeugt, daß sie damit einen der größten und sittlichsten Siege höchster Kultur nicht bloß, sondern höchster Opferbereitschaft eines Volkes errungen haben. Auch wird niemand das Verdienst schmälern, in dem Sklaven¬ handel eines der grausamsten Gewerbe bekämpft und für einen großen Teil

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/304>, abgerufen am 03.07.2024.