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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Der oberösterreichische Bauernphilosoph.

Kaisers und des Kniserhauses, Hervorhebung des Notstandes der Arbeiter, dann
des Luxus des Hofes, das Drückende^) der großen Steuern, der vielen
Soldaten und Beamten, des kursnenden Papiergeldes, des dadurch in Kürze
zu erfolgenden (sie!) Staatsbnnkerottes und des Ausbruches der Revolution,
in der Aufhetzung zum Widerstande gegen die staatliche Ordnung, um der
Tyrannei ein Ende zu machen, dann dnrch Anpreisung der nordamerikanischen
Republik, der Wohlfeilheit der dortigen Regierung und Lebensmittel, des freien
Lebens, des leichten und großen Verdienstes der Arbeiter, durch Verbreitung
der glühenden Haß gegen die österreichische Regierung beurkundenden Briefe
der nach Amerika ausgewanderten,"

Deublcr speziell habe "erklärt, es sei nicht notwendig, in einem Staate
so viele Soldaten zu halten, wie in Österreich," ... "öfters unaufgefordert die
nordamerikanische Verfassung gelobt/' gewisse Personen in sein oberes Zimmer
geführt, "wo Besprechungen stattgefunden haben müssen, da die Genannten keine
Trinker sind," und sein Fenster "oft spät in der Nacht beleuchtet" gewesen ist.
Der abgenutzte Zustand seiner Bücher ließ "auf deren häufigen Gebrauch durch
Ausleihen schließen," "Daß die Bemühung K. Deublcrs nicht ohne Erfolg
geblieben war, geht daraus hervor, daß gerade unter den Lesefrennden die
Unzufriedenheit über den Sieg der Regierung, der Wunsch nach dem Wieder-
ausbruche der Revolution und das Vorhaben, an derselben teilzunehmen, laut
geworden war, und daß die Gefahr nahe stand, die Arbeiter im Salzkammergute
zu einem willigen Werke (Werkzeuge?) der Umsturzpartei heranzubilden." Endlich
sei seine Irreligiosität notorisch.

Auf solche und ähnliche "Beweismittel," die zusammenzubringen ein Jahr
und die Durchsuchung von beinahe hundert Häusern notwendig gewesen waren,
wurde die Anklage auf Hochverrat und Religionsstörung begründet. Vier Wochen
dauerte die Schlnßverhandlung, eine Viertelstunde die Beratung der Richter
(nicht Geschwornen), Deubler und noch sieben Angeklagte wurden freigesprochen,
vier wegen Religionsstörung zu drei bis acht Jahren Zuchthaus verurteilt,
"meistens ganz unschuldige harmlose Menschen; ich hätte gegen sie zwanzig
Jahre verdient," sagt Denbler. Indessen sollte er selbst sich der neuen Freiheit
nicht lauge erfreuen. Nach wenigen Wochen wurde er abermals abgeholt, in
Iglau in Mähren eingesperrt, und Ende November 1854 ihm das Urteil zweiter
Instanz verkündet: zwei Jahre schweren Kerkers. Die Haft in Brünn war dank
der menschenfreundlichen Fürsorge des Strafhausdirektvrs uicht zu streug. Der
Mann veranlaßte den Sträfling auch, sich für einen Katholiken auszugeben; die
"Evangelischen" mußten nämlich viermal jährlich in ihre Kirche in der Stadt
zum Abendmahl gehen und zwar in Ketten, während die Katholiken den Gottes-



*) So steht wirklich a. a. O. zu lesen. Da aber ebenda auch "alle wahren Republikaner"
anstatt "waren Republikaner" steht, so soll es möglicherweise "des Drückenden" heißen.
Der oberösterreichische Bauernphilosoph.

Kaisers und des Kniserhauses, Hervorhebung des Notstandes der Arbeiter, dann
des Luxus des Hofes, das Drückende^) der großen Steuern, der vielen
Soldaten und Beamten, des kursnenden Papiergeldes, des dadurch in Kürze
zu erfolgenden (sie!) Staatsbnnkerottes und des Ausbruches der Revolution,
in der Aufhetzung zum Widerstande gegen die staatliche Ordnung, um der
Tyrannei ein Ende zu machen, dann dnrch Anpreisung der nordamerikanischen
Republik, der Wohlfeilheit der dortigen Regierung und Lebensmittel, des freien
Lebens, des leichten und großen Verdienstes der Arbeiter, durch Verbreitung
der glühenden Haß gegen die österreichische Regierung beurkundenden Briefe
der nach Amerika ausgewanderten,"

Deublcr speziell habe „erklärt, es sei nicht notwendig, in einem Staate
so viele Soldaten zu halten, wie in Österreich," ... „öfters unaufgefordert die
nordamerikanische Verfassung gelobt/' gewisse Personen in sein oberes Zimmer
geführt, „wo Besprechungen stattgefunden haben müssen, da die Genannten keine
Trinker sind," und sein Fenster „oft spät in der Nacht beleuchtet" gewesen ist.
Der abgenutzte Zustand seiner Bücher ließ „auf deren häufigen Gebrauch durch
Ausleihen schließen," „Daß die Bemühung K. Deublcrs nicht ohne Erfolg
geblieben war, geht daraus hervor, daß gerade unter den Lesefrennden die
Unzufriedenheit über den Sieg der Regierung, der Wunsch nach dem Wieder-
ausbruche der Revolution und das Vorhaben, an derselben teilzunehmen, laut
geworden war, und daß die Gefahr nahe stand, die Arbeiter im Salzkammergute
zu einem willigen Werke (Werkzeuge?) der Umsturzpartei heranzubilden." Endlich
sei seine Irreligiosität notorisch.

Auf solche und ähnliche „Beweismittel," die zusammenzubringen ein Jahr
und die Durchsuchung von beinahe hundert Häusern notwendig gewesen waren,
wurde die Anklage auf Hochverrat und Religionsstörung begründet. Vier Wochen
dauerte die Schlnßverhandlung, eine Viertelstunde die Beratung der Richter
(nicht Geschwornen), Deubler und noch sieben Angeklagte wurden freigesprochen,
vier wegen Religionsstörung zu drei bis acht Jahren Zuchthaus verurteilt,
„meistens ganz unschuldige harmlose Menschen; ich hätte gegen sie zwanzig
Jahre verdient," sagt Denbler. Indessen sollte er selbst sich der neuen Freiheit
nicht lauge erfreuen. Nach wenigen Wochen wurde er abermals abgeholt, in
Iglau in Mähren eingesperrt, und Ende November 1854 ihm das Urteil zweiter
Instanz verkündet: zwei Jahre schweren Kerkers. Die Haft in Brünn war dank
der menschenfreundlichen Fürsorge des Strafhausdirektvrs uicht zu streug. Der
Mann veranlaßte den Sträfling auch, sich für einen Katholiken auszugeben; die
„Evangelischen" mußten nämlich viermal jährlich in ihre Kirche in der Stadt
zum Abendmahl gehen und zwar in Ketten, während die Katholiken den Gottes-



*) So steht wirklich a. a. O. zu lesen. Da aber ebenda auch „alle wahren Republikaner"
anstatt „waren Republikaner" steht, so soll es möglicherweise „des Drückenden" heißen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/27>, abgerufen am 22.07.2024.