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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Hermann Lotzes kleine Schliffen.

Ein erfreuliches Zeichen von der wachsenden Verbreitung der Lotzischm
Philosophie ist es, daß die Verlagshandlung, die fast alle Lvtzischen Schriften
verlegt hat, jetzt die einzelnen Abhandlungen und Rezensionen zu einer auf drei
Bände berechneten Sammlung der "Kleinen Schriften Lvtzes" vereinigt, deren
erster Band gegen Ende des vorigen Jahres erschienen ist,") Der vorliegende
Band enthält die Schriften bis einschließlich des Jahres 1846. Aufnahme
haben gefunden, abgesehen von den beiden Dissertationen, nur wissenschaftliche,
nicht als selbständige Werke erschienene Arbeiten aus Zeitschriften, daneben aus
Sammelwerken einige für einen weiteren Leserkreis bestimmte Essays. Unge-
drucktes aus dem Nachlasse verheißt die Vorrede, wenn auch in sehr geringem
Umfange, für den dritte" Band. Die Anordnung ist, dem heutigen Gebrauche
folgend, eine streng chronologische: sie beruht, nach den Worten des Heraus¬
gebers, auf der. Einsicht, daß ein volles Verständnis auch philosophischer Werke
nur aus dem geistigen Entwicklungsgange ihrer Verfasser zu gewinnen ist.
Der Herausgeber, Professor David Peipers in Göttingen, hat mit musterhafter
Sorgfalt gearbeitet. Sein Bestreben war, sür den durch Druckfehler nicht selten
entstellten Text der früheren Drucke herzustellen, was Lotze selbst geschrieben
hatte; über die Änderungen, die beim Fehlen der handschriftlichen Vorlagen
auf Vermutungen beruhen, giebt er am Schlüsse des Vorwortes ausführliche
Rechenschaft.

Auf einen weiten Leserkreis rechnen die "Kleinen Schriften" nicht, sie
wenden sich an den engeren Ring der Freunde, die, angezogen von den Haupt¬
werken, mit persönlichem Anteil die Entwicklung der Lotzischen Gedanken auch
in gelegentlichen Arbeiten zu verfolgen geneigt sind. Sie beachten in der
Werkstatt auch die Schnitzel und Späne, die nebenbei abfliegen. Für sie hat
es hohen Reiz, "bei einem Denker von seiner Klarheit und Tiefe die allmähliche
Ausgestaltung der Grundgedanken zu verfolgen, zu beobachten, wie er sie fort¬
schreitend auf weitere Gebiete anwendet, und die Entwürfe zu einem Hauptwerke
schon geraume Zeit vorher in gelegentlichen Äußerungen sich regen zu sehen."
Das Bild der Lvtzischen Entwicklung, die, wie Peipers sagt, eine im ganzen
stetig fortschreitende, aus gewissen von Anfang an erfaßten Gruudüberzeuguugen
kvntinuirlich erwachsende gewesen ist, wird nicht durch abweichend neue Linien
umgezeichnet, aber die großen Linien seines festnmrissenen Charakterbildes werden
durch kleine Striche belebend ausgefüllt, sein Kopf gewinnt an persönlichem Leben
durch die Kenntnis einer Reihe feiner Züge.

Die Aufsätze des ersten Bandes fallen in die ersten, fruchtbaren Jahre der
Arbeit Lvtzes, in die Zeit, wo Jahr um Jahr eins seiner ersten großen Bücher
entstand: 1841 die Metaphysik, 1842 die allgemeine Pathologie und Therapie,
184!! die Logik. Zu diesen Hauptwerke" geben die hier gesammelten Aufsätze



*) Kleine Schriften von Hermann Lotze. Erster Band. Leipzig, S. Hirzel, 18LS.
Hermann Lotzes kleine Schliffen.

Ein erfreuliches Zeichen von der wachsenden Verbreitung der Lotzischm
Philosophie ist es, daß die Verlagshandlung, die fast alle Lvtzischen Schriften
verlegt hat, jetzt die einzelnen Abhandlungen und Rezensionen zu einer auf drei
Bände berechneten Sammlung der „Kleinen Schriften Lvtzes" vereinigt, deren
erster Band gegen Ende des vorigen Jahres erschienen ist,") Der vorliegende
Band enthält die Schriften bis einschließlich des Jahres 1846. Aufnahme
haben gefunden, abgesehen von den beiden Dissertationen, nur wissenschaftliche,
nicht als selbständige Werke erschienene Arbeiten aus Zeitschriften, daneben aus
Sammelwerken einige für einen weiteren Leserkreis bestimmte Essays. Unge-
drucktes aus dem Nachlasse verheißt die Vorrede, wenn auch in sehr geringem
Umfange, für den dritte» Band. Die Anordnung ist, dem heutigen Gebrauche
folgend, eine streng chronologische: sie beruht, nach den Worten des Heraus¬
gebers, auf der. Einsicht, daß ein volles Verständnis auch philosophischer Werke
nur aus dem geistigen Entwicklungsgange ihrer Verfasser zu gewinnen ist.
Der Herausgeber, Professor David Peipers in Göttingen, hat mit musterhafter
Sorgfalt gearbeitet. Sein Bestreben war, sür den durch Druckfehler nicht selten
entstellten Text der früheren Drucke herzustellen, was Lotze selbst geschrieben
hatte; über die Änderungen, die beim Fehlen der handschriftlichen Vorlagen
auf Vermutungen beruhen, giebt er am Schlüsse des Vorwortes ausführliche
Rechenschaft.

Auf einen weiten Leserkreis rechnen die „Kleinen Schriften" nicht, sie
wenden sich an den engeren Ring der Freunde, die, angezogen von den Haupt¬
werken, mit persönlichem Anteil die Entwicklung der Lotzischen Gedanken auch
in gelegentlichen Arbeiten zu verfolgen geneigt sind. Sie beachten in der
Werkstatt auch die Schnitzel und Späne, die nebenbei abfliegen. Für sie hat
es hohen Reiz, „bei einem Denker von seiner Klarheit und Tiefe die allmähliche
Ausgestaltung der Grundgedanken zu verfolgen, zu beobachten, wie er sie fort¬
schreitend auf weitere Gebiete anwendet, und die Entwürfe zu einem Hauptwerke
schon geraume Zeit vorher in gelegentlichen Äußerungen sich regen zu sehen."
Das Bild der Lvtzischen Entwicklung, die, wie Peipers sagt, eine im ganzen
stetig fortschreitende, aus gewissen von Anfang an erfaßten Gruudüberzeuguugen
kvntinuirlich erwachsende gewesen ist, wird nicht durch abweichend neue Linien
umgezeichnet, aber die großen Linien seines festnmrissenen Charakterbildes werden
durch kleine Striche belebend ausgefüllt, sein Kopf gewinnt an persönlichem Leben
durch die Kenntnis einer Reihe feiner Züge.

Die Aufsätze des ersten Bandes fallen in die ersten, fruchtbaren Jahre der
Arbeit Lvtzes, in die Zeit, wo Jahr um Jahr eins seiner ersten großen Bücher
entstand: 1841 die Metaphysik, 1842 die allgemeine Pathologie und Therapie,
184!! die Logik. Zu diesen Hauptwerke» geben die hier gesammelten Aufsätze



*) Kleine Schriften von Hermann Lotze. Erster Band. Leipzig, S. Hirzel, 18LS.
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[0214] Hermann Lotzes kleine Schliffen. Ein erfreuliches Zeichen von der wachsenden Verbreitung der Lotzischm Philosophie ist es, daß die Verlagshandlung, die fast alle Lvtzischen Schriften verlegt hat, jetzt die einzelnen Abhandlungen und Rezensionen zu einer auf drei Bände berechneten Sammlung der „Kleinen Schriften Lvtzes" vereinigt, deren erster Band gegen Ende des vorigen Jahres erschienen ist,") Der vorliegende Band enthält die Schriften bis einschließlich des Jahres 1846. Aufnahme haben gefunden, abgesehen von den beiden Dissertationen, nur wissenschaftliche, nicht als selbständige Werke erschienene Arbeiten aus Zeitschriften, daneben aus Sammelwerken einige für einen weiteren Leserkreis bestimmte Essays. Unge- drucktes aus dem Nachlasse verheißt die Vorrede, wenn auch in sehr geringem Umfange, für den dritte» Band. Die Anordnung ist, dem heutigen Gebrauche folgend, eine streng chronologische: sie beruht, nach den Worten des Heraus¬ gebers, auf der. Einsicht, daß ein volles Verständnis auch philosophischer Werke nur aus dem geistigen Entwicklungsgange ihrer Verfasser zu gewinnen ist. Der Herausgeber, Professor David Peipers in Göttingen, hat mit musterhafter Sorgfalt gearbeitet. Sein Bestreben war, sür den durch Druckfehler nicht selten entstellten Text der früheren Drucke herzustellen, was Lotze selbst geschrieben hatte; über die Änderungen, die beim Fehlen der handschriftlichen Vorlagen auf Vermutungen beruhen, giebt er am Schlüsse des Vorwortes ausführliche Rechenschaft. Auf einen weiten Leserkreis rechnen die „Kleinen Schriften" nicht, sie wenden sich an den engeren Ring der Freunde, die, angezogen von den Haupt¬ werken, mit persönlichem Anteil die Entwicklung der Lotzischen Gedanken auch in gelegentlichen Arbeiten zu verfolgen geneigt sind. Sie beachten in der Werkstatt auch die Schnitzel und Späne, die nebenbei abfliegen. Für sie hat es hohen Reiz, „bei einem Denker von seiner Klarheit und Tiefe die allmähliche Ausgestaltung der Grundgedanken zu verfolgen, zu beobachten, wie er sie fort¬ schreitend auf weitere Gebiete anwendet, und die Entwürfe zu einem Hauptwerke schon geraume Zeit vorher in gelegentlichen Äußerungen sich regen zu sehen." Das Bild der Lvtzischen Entwicklung, die, wie Peipers sagt, eine im ganzen stetig fortschreitende, aus gewissen von Anfang an erfaßten Gruudüberzeuguugen kvntinuirlich erwachsende gewesen ist, wird nicht durch abweichend neue Linien umgezeichnet, aber die großen Linien seines festnmrissenen Charakterbildes werden durch kleine Striche belebend ausgefüllt, sein Kopf gewinnt an persönlichem Leben durch die Kenntnis einer Reihe feiner Züge. Die Aufsätze des ersten Bandes fallen in die ersten, fruchtbaren Jahre der Arbeit Lvtzes, in die Zeit, wo Jahr um Jahr eins seiner ersten großen Bücher entstand: 1841 die Metaphysik, 1842 die allgemeine Pathologie und Therapie, 184!! die Logik. Zu diesen Hauptwerke» geben die hier gesammelten Aufsätze *) Kleine Schriften von Hermann Lotze. Erster Band. Leipzig, S. Hirzel, 18LS.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/214>, abgerufen am 22.07.2024.