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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Leu"oL"s,

langen nach neuem Leben und spätem Liebesglück geopfert, er war selbst bereit
gewesen, für ein Lächeln Catarinas und für das Bewußtsein, sie beschützen
zu können, jede selbstsüchtige Hoffnung niederzukämpfen -- und mit alledem
hatte er nichts erreicht, als sie in die Arme des Königs, in ein Leben voll
Abenteuer, voll äußerer, voll schwerer innerer Gefahr zu treiben. Über ihm
waltete ein Verhängnis, er mußte des indischen Sprichworts von dem unseligen
Manne gedenken, der Palmen pflanzt und einen Giftbaum wachsen sieht. Seit
der Stunde, in der er Catarina Palmeirim in Knabentracht am Bord von
König Sebastians Schiff erblickt hatte, war kein Laut über sie und ihr Leben zu
ihm gedrungen. So viele Boten aus dem Lager er befragt hatte -- keiner von
allen hatte von jenem Pagen des Königs, den Camoens mit schmerzlich zuckenden
Lippen und niedergesenkten Augen beschrieb, das geringste gewußt, keiner hatte
ihm sagen können, daß er unter den wenigen Frauen, die sich in Tanger und
Arzille im portugiesischen Lager gezeigt, eine Dame von dem Rang und der Schön¬
heit der Gräfin Palmeirim wahrgenommen habe. Catarina war für ihn ver¬
schollen, und Camoens kannte in dem großen Lissabon niemand, der mehr von ihr
wissen konnte, als er selbst. Die Schwelle der Herzogin von Braganza wagte
er nicht zu überschreiten, mußte er doch fürchten, daß die Herzogin ihrer Schutz¬
befohlenen unversöhnlich zürne, und hätte er doch selbst jetzt und nach allem,
was geschehen war, kein scheltendes, kränkendes Wort wider Catarina er¬
tragen können. Sie hatte ihm das zweite tiefe und unstillbare Weh seines
Lebens zugefügt, aber sie trug so wenig Schuld daran, als einst ihre Mutter.
Es war sein Unstern, der ihn bei der ersten Begegnung mit Catarina für sie
entflammt, sein Unstern, der ihn über ihr Gefühl verblendet hatte. Wie stolz
hatte sie Dom Sebastian noch an jenem Abende widerstanden, als er beide in
den Gärten von Cintra belauscht hatte, wie leidenschaftlich hatte der jugendliche
König sie umworben, wie verzeihlich schien es dem Dichter, daß sie in ent¬
scheidender Stande von der eignen geheimen Leidenschaft besiegt worden sei!
Glücklich, wie er selbst sie gemacht haben würde, konnte sie an der Seite des
Königs nie werde"; aber zürnen durfte er nicht ihr, nnr seinem eignen
Mißgeschick, seiner Ohnmacht und Armut! Wenn er niemals Almoeegema be¬
treten, dort nicht wochenlang gesäumt Hütte, wäre es vielleicht möglich gewesen,
ihr zu sein oder zu werden, was er nun nicht mehr träumen durfte. Als er
sich endlich mit gewaltsamen Entschluß von Manuel Barretos Hause getrennt
hatte, war sein Entschluß schon viel zu spät gekommen!

Alles dies wogte durch Camoens' Seele, eintönig, unablässig wiederkehrend,
wie die Wellen, die an den Steindamm schlugen und deren Schaum wider das
graue Gemäuer des Wachtturmeö sprühte. Und doch suchte er umsonst seine
Gedanken bei Catarina Palmeirim festzuhalten, umsonst jeden Gedanken an das
Geschick König Sebastians lind des vaterländischen Heeres abzuwehren, vergeblich
rief er grollend in sich hinein: da dem König der höchste Gewinn geworden


Leu»oL»s,

langen nach neuem Leben und spätem Liebesglück geopfert, er war selbst bereit
gewesen, für ein Lächeln Catarinas und für das Bewußtsein, sie beschützen
zu können, jede selbstsüchtige Hoffnung niederzukämpfen — und mit alledem
hatte er nichts erreicht, als sie in die Arme des Königs, in ein Leben voll
Abenteuer, voll äußerer, voll schwerer innerer Gefahr zu treiben. Über ihm
waltete ein Verhängnis, er mußte des indischen Sprichworts von dem unseligen
Manne gedenken, der Palmen pflanzt und einen Giftbaum wachsen sieht. Seit
der Stunde, in der er Catarina Palmeirim in Knabentracht am Bord von
König Sebastians Schiff erblickt hatte, war kein Laut über sie und ihr Leben zu
ihm gedrungen. So viele Boten aus dem Lager er befragt hatte — keiner von
allen hatte von jenem Pagen des Königs, den Camoens mit schmerzlich zuckenden
Lippen und niedergesenkten Augen beschrieb, das geringste gewußt, keiner hatte
ihm sagen können, daß er unter den wenigen Frauen, die sich in Tanger und
Arzille im portugiesischen Lager gezeigt, eine Dame von dem Rang und der Schön¬
heit der Gräfin Palmeirim wahrgenommen habe. Catarina war für ihn ver¬
schollen, und Camoens kannte in dem großen Lissabon niemand, der mehr von ihr
wissen konnte, als er selbst. Die Schwelle der Herzogin von Braganza wagte
er nicht zu überschreiten, mußte er doch fürchten, daß die Herzogin ihrer Schutz¬
befohlenen unversöhnlich zürne, und hätte er doch selbst jetzt und nach allem,
was geschehen war, kein scheltendes, kränkendes Wort wider Catarina er¬
tragen können. Sie hatte ihm das zweite tiefe und unstillbare Weh seines
Lebens zugefügt, aber sie trug so wenig Schuld daran, als einst ihre Mutter.
Es war sein Unstern, der ihn bei der ersten Begegnung mit Catarina für sie
entflammt, sein Unstern, der ihn über ihr Gefühl verblendet hatte. Wie stolz
hatte sie Dom Sebastian noch an jenem Abende widerstanden, als er beide in
den Gärten von Cintra belauscht hatte, wie leidenschaftlich hatte der jugendliche
König sie umworben, wie verzeihlich schien es dem Dichter, daß sie in ent¬
scheidender Stande von der eignen geheimen Leidenschaft besiegt worden sei!
Glücklich, wie er selbst sie gemacht haben würde, konnte sie an der Seite des
Königs nie werde»; aber zürnen durfte er nicht ihr, nnr seinem eignen
Mißgeschick, seiner Ohnmacht und Armut! Wenn er niemals Almoeegema be¬
treten, dort nicht wochenlang gesäumt Hütte, wäre es vielleicht möglich gewesen,
ihr zu sein oder zu werden, was er nun nicht mehr träumen durfte. Als er
sich endlich mit gewaltsamen Entschluß von Manuel Barretos Hause getrennt
hatte, war sein Entschluß schon viel zu spät gekommen!

Alles dies wogte durch Camoens' Seele, eintönig, unablässig wiederkehrend,
wie die Wellen, die an den Steindamm schlugen und deren Schaum wider das
graue Gemäuer des Wachtturmeö sprühte. Und doch suchte er umsonst seine
Gedanken bei Catarina Palmeirim festzuhalten, umsonst jeden Gedanken an das
Geschick König Sebastians lind des vaterländischen Heeres abzuwehren, vergeblich
rief er grollend in sich hinein: da dem König der höchste Gewinn geworden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/197>, abgerufen am 03.07.2024.