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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Lcmwens.

Verheimlichen sie dem Volke! In alle" Straßen, durch die ich gekommen bin,
sah ich bestürzte, blasse Gesichter, hörte unheilvolles Geflüster. Verzeiht mir,
Herr, aber vielleicht ist dieser Euer Platz nicht mehr der rechte, um die Wahr¬
heit aus erster Hand zu haben.

Es kann, es darf nicht sein! entgegnete Camoens mit einem ergreifenden
Ausdrucke schmerzlicher Verstörung und offenbar vergessend, zu wem er sprach.
Was geschehen ist, war wahrlich entsetzlich genug, doch so viel Schuld, wie du
wähnst, häuft das Schicksal nicht ans ein Haupt. Und wie erwachend fügte
er hinzu: Du sagst es selbst, Okaz, vou Spanien aus werden die schlimmen
Nachrichten ins Land geworfen, du solltest doch erraten können, was der Zweck
solcher Ausstreuungen ist.

Mögt Ihr Recht haben, Senhor! wiederholte Bartolomeo Okaz. Eure
Zuversicht kaun ich leider uicht teilen, es liegt ein Unglück in der Luft, schwerer
als ein Gewitter, man kann nur beten, daß es nicht zu zerschmetternd einschlage.
Senhor Manuel Varretv, Euer Freund, hat nie Gutes von diesem Zuge ge¬
weissagt, er wird Recht behalten. Euch aber kaun es nicht frommen, Herr,
wenn Ihr fürder Eure Tage hier verbringt. Was kommen soll, kommt, es wird
Euch wenig dienen, ob Ihr es eine Stunde früher oder später vernehmt. Geht
zu Euerm Freunde uach Almocegema, oder wenn Ihr das nicht wollt, nehmt
Herberge bei mir in Cintra, es wird Euch alles besser sein, als daß Ihr hier
auf die Unglücksboden aus Afrika harrt und Euer Herz mit tausend schlimmen
Möglichkeiten martert.

Es kann nicht sein, es wird uicht sein! murmelte Camoens vor sich hin
und hob das ermüdete Auge wieder empor, um es abermals von der schim¬
mernden Wogenmasse und dem heißen Blan des Mittagshimmels blenden zu
lassen. Die letzten Botschaften lauten, daß der König und sein Heer den Marsch
von Arzilla nach El Arisch antreten wollten, im Lager herrschte glückliche Zu¬
versicht, es fehlte nicht an Festen und Spielen, und wenn sie deren Königin
war, so müssen die Herzen der Unsrigen höher geschlagen haben, und der Sieg
war ihnen gewiß!

Mit wachsendem Mitleid hörte Okaz die starrsinnigen wie die träumerischen
Worte, die er nicht recht verstand, aber aus denen er doch erriet, wie verdüstert
Camoens' Sinn sei. Sein eignes ehrliches Herz war von schwerer Sorge um
den König, das Heer und das Land erfüllt, aber ihn dünkte, daß Senhor Luis
noch ganz andre Lasten auf der Seele habe. Er versuchte noch einmal den
vertraulichen Ton früherer Tage anzuschlagen: Kommt mit mir zurück, Herr!
Nicht uach der Stadt meine ich -- hinaus aufs Laud! Was auch geschehe, Ihr
werdet es leichter tragen, wenn Ihr uicht allein seid. Freude ist nirgends in ganz
Portugal zu finden, aber auch Trost läßt sich schwer gewinnen, wenn man völlig
allein ist.

Camoens machte eine abwehrende Bewegung, als Okaz auf den Weg zurück-


Lcmwens.

Verheimlichen sie dem Volke! In alle» Straßen, durch die ich gekommen bin,
sah ich bestürzte, blasse Gesichter, hörte unheilvolles Geflüster. Verzeiht mir,
Herr, aber vielleicht ist dieser Euer Platz nicht mehr der rechte, um die Wahr¬
heit aus erster Hand zu haben.

Es kann, es darf nicht sein! entgegnete Camoens mit einem ergreifenden
Ausdrucke schmerzlicher Verstörung und offenbar vergessend, zu wem er sprach.
Was geschehen ist, war wahrlich entsetzlich genug, doch so viel Schuld, wie du
wähnst, häuft das Schicksal nicht ans ein Haupt. Und wie erwachend fügte
er hinzu: Du sagst es selbst, Okaz, vou Spanien aus werden die schlimmen
Nachrichten ins Land geworfen, du solltest doch erraten können, was der Zweck
solcher Ausstreuungen ist.

Mögt Ihr Recht haben, Senhor! wiederholte Bartolomeo Okaz. Eure
Zuversicht kaun ich leider uicht teilen, es liegt ein Unglück in der Luft, schwerer
als ein Gewitter, man kann nur beten, daß es nicht zu zerschmetternd einschlage.
Senhor Manuel Varretv, Euer Freund, hat nie Gutes von diesem Zuge ge¬
weissagt, er wird Recht behalten. Euch aber kaun es nicht frommen, Herr,
wenn Ihr fürder Eure Tage hier verbringt. Was kommen soll, kommt, es wird
Euch wenig dienen, ob Ihr es eine Stunde früher oder später vernehmt. Geht
zu Euerm Freunde uach Almocegema, oder wenn Ihr das nicht wollt, nehmt
Herberge bei mir in Cintra, es wird Euch alles besser sein, als daß Ihr hier
auf die Unglücksboden aus Afrika harrt und Euer Herz mit tausend schlimmen
Möglichkeiten martert.

Es kann nicht sein, es wird uicht sein! murmelte Camoens vor sich hin
und hob das ermüdete Auge wieder empor, um es abermals von der schim¬
mernden Wogenmasse und dem heißen Blan des Mittagshimmels blenden zu
lassen. Die letzten Botschaften lauten, daß der König und sein Heer den Marsch
von Arzilla nach El Arisch antreten wollten, im Lager herrschte glückliche Zu¬
versicht, es fehlte nicht an Festen und Spielen, und wenn sie deren Königin
war, so müssen die Herzen der Unsrigen höher geschlagen haben, und der Sieg
war ihnen gewiß!

Mit wachsendem Mitleid hörte Okaz die starrsinnigen wie die träumerischen
Worte, die er nicht recht verstand, aber aus denen er doch erriet, wie verdüstert
Camoens' Sinn sei. Sein eignes ehrliches Herz war von schwerer Sorge um
den König, das Heer und das Land erfüllt, aber ihn dünkte, daß Senhor Luis
noch ganz andre Lasten auf der Seele habe. Er versuchte noch einmal den
vertraulichen Ton früherer Tage anzuschlagen: Kommt mit mir zurück, Herr!
Nicht uach der Stadt meine ich — hinaus aufs Laud! Was auch geschehe, Ihr
werdet es leichter tragen, wenn Ihr uicht allein seid. Freude ist nirgends in ganz
Portugal zu finden, aber auch Trost läßt sich schwer gewinnen, wenn man völlig
allein ist.

Camoens machte eine abwehrende Bewegung, als Okaz auf den Weg zurück-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/195>, abgerufen am 22.07.2024.