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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Margarethe von Navcirra,

Dem Könige blieb nichts übrig, als sich den Bedingungen Karls V. zu
unterwerfen, am Tage vor der Unterzeichnung des Friedens protestirte er jedoch
in Gegenwart der französischen Gesandten feierlich gegen den aufgezwungenen
Bertrag. Sehr zu seinen Ungunsten verändert, kehrte Franz aus der spanischen
Gefangenschaft zurück. Seit dieser Zeit treten die Schattenseiten seines Cha¬
rakters, sein Egoismus, seine Unbeständigkeit, seine Sinnlichkeit, sein Despotismus
immer schroffer hervor. Kurz darauf vermählte sich Margarethe mit dein Könige
Heinrich von Navarra; sie war damals vierunddreißig Jahre alt, ihr neuer
Gemahl zehn Jahre jünger. An eine Heirat aus Neigung ist kaum zu denken,
wahrscheinlich lagen auch hier politische Gründe vor. Dem Könige von Frank¬
reich mußte alles daran liegen, Navarra möglichst eng mit Frankreich zu ver¬
binden. Das Reich der neuen Königin war von geringem Umfange und schwach
bevölkert, nur Unternavarra und Bearn mit der Hauptstadt Pan gehörten dazu,
Oberuavarrn mit der Hauptstadt Pampelona war seit 1512 im Besitz der
Spanier.

Wenn auch der Hofhalt zu Pan an Glanz und Pracht nicht mit den
Höfen der Este und Medici weitteifern kounte, da Heinrichs Mittel sehr be¬
schränkt waren, so fanden doch Poesie, Wissenschaft und Kunst an Margarethens
Hofe dasselbe Verständnis und dieselbe Pflege, wie an irgendeinen: andern
europäischen Herrschersitze. Bücher, Bilder, Bauten waren das Ideal der fürst¬
lichen Männer und Frauen der Renaissance und auch der Königin von Navarra.
Trotz ihrer geringen Eukünfte baute sie fortwährend auf ihren Schlössern,
ebenso war sie eine große Büchcrliebhabcrin, ihre eignen Arbeiten ließ-sie von
einem ihrer Kapläne kunstreich abschreiben, mit farbigen Initialen schmücken und
kostbar einbinden, um sie als Geschenke zu verteilen. Die Porträtmaler Corneille
und Clvuet nahm sie mit nach Bearn, dem Baumeister Sebastian Serlio verlieh
sie eine jährliche Pension. Bei ihren Besuchen in Paris und Fontainebleau war
war sie die stete Begleiterin des Königs, wenn er die Künstler in den Werk¬
stätten aufsuchte. Für die Errichtung und Unterhaltung des L!oIIöM av" t,ruf
lirug'NW (Hebräisch, Griechisch und Lateinisch), später (Zolls^o UoM in Paris
trat sie energisch ein und setzte ans ihren eignen Mitteln einzelnen Professoren
in Paris und Bourges Jahresgehalte aus.

Das Leben an dem Hofe von Navarra ähnelt sehr dem Treiben an ver-
schiednen kleinen deutschen Höfen des vorigen Jahrhunderts, Pan wurde für
ein Menschenalter der Mittelpunkt der literarischen und religiösem Bestrebungen-
Frankreichs. Trotz ihrer Frömmigkeit und ihrer zahlreichen theologischen Freunde
wahrte die Königin dem Frohsinn immer seine Stätte. Den begabtesten aller
Dichter, welche an den französischen Höfen des 16. Jahrhunderts lebten, Element
Marvt, hatte Margarethe schon frühzeitig unterstützt und in ihren Dienst auf¬
genommen; in ihrer Umgebung ward er mit den Künsten und Wissenschaften
bekannt und war bald auch einer der eifrigsten Anhänger der kirchlichen Reform-


Margarethe von Navcirra,

Dem Könige blieb nichts übrig, als sich den Bedingungen Karls V. zu
unterwerfen, am Tage vor der Unterzeichnung des Friedens protestirte er jedoch
in Gegenwart der französischen Gesandten feierlich gegen den aufgezwungenen
Bertrag. Sehr zu seinen Ungunsten verändert, kehrte Franz aus der spanischen
Gefangenschaft zurück. Seit dieser Zeit treten die Schattenseiten seines Cha¬
rakters, sein Egoismus, seine Unbeständigkeit, seine Sinnlichkeit, sein Despotismus
immer schroffer hervor. Kurz darauf vermählte sich Margarethe mit dein Könige
Heinrich von Navarra; sie war damals vierunddreißig Jahre alt, ihr neuer
Gemahl zehn Jahre jünger. An eine Heirat aus Neigung ist kaum zu denken,
wahrscheinlich lagen auch hier politische Gründe vor. Dem Könige von Frank¬
reich mußte alles daran liegen, Navarra möglichst eng mit Frankreich zu ver¬
binden. Das Reich der neuen Königin war von geringem Umfange und schwach
bevölkert, nur Unternavarra und Bearn mit der Hauptstadt Pan gehörten dazu,
Oberuavarrn mit der Hauptstadt Pampelona war seit 1512 im Besitz der
Spanier.

Wenn auch der Hofhalt zu Pan an Glanz und Pracht nicht mit den
Höfen der Este und Medici weitteifern kounte, da Heinrichs Mittel sehr be¬
schränkt waren, so fanden doch Poesie, Wissenschaft und Kunst an Margarethens
Hofe dasselbe Verständnis und dieselbe Pflege, wie an irgendeinen: andern
europäischen Herrschersitze. Bücher, Bilder, Bauten waren das Ideal der fürst¬
lichen Männer und Frauen der Renaissance und auch der Königin von Navarra.
Trotz ihrer geringen Eukünfte baute sie fortwährend auf ihren Schlössern,
ebenso war sie eine große Büchcrliebhabcrin, ihre eignen Arbeiten ließ-sie von
einem ihrer Kapläne kunstreich abschreiben, mit farbigen Initialen schmücken und
kostbar einbinden, um sie als Geschenke zu verteilen. Die Porträtmaler Corneille
und Clvuet nahm sie mit nach Bearn, dem Baumeister Sebastian Serlio verlieh
sie eine jährliche Pension. Bei ihren Besuchen in Paris und Fontainebleau war
war sie die stete Begleiterin des Königs, wenn er die Künstler in den Werk¬
stätten aufsuchte. Für die Errichtung und Unterhaltung des L!oIIöM av« t,ruf
lirug'NW (Hebräisch, Griechisch und Lateinisch), später (Zolls^o UoM in Paris
trat sie energisch ein und setzte ans ihren eignen Mitteln einzelnen Professoren
in Paris und Bourges Jahresgehalte aus.

Das Leben an dem Hofe von Navarra ähnelt sehr dem Treiben an ver-
schiednen kleinen deutschen Höfen des vorigen Jahrhunderts, Pan wurde für
ein Menschenalter der Mittelpunkt der literarischen und religiösem Bestrebungen-
Frankreichs. Trotz ihrer Frömmigkeit und ihrer zahlreichen theologischen Freunde
wahrte die Königin dem Frohsinn immer seine Stätte. Den begabtesten aller
Dichter, welche an den französischen Höfen des 16. Jahrhunderts lebten, Element
Marvt, hatte Margarethe schon frühzeitig unterstützt und in ihren Dienst auf¬
genommen; in ihrer Umgebung ward er mit den Künsten und Wissenschaften
bekannt und war bald auch einer der eifrigsten Anhänger der kirchlichen Reform-


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[0171] Margarethe von Navcirra, Dem Könige blieb nichts übrig, als sich den Bedingungen Karls V. zu unterwerfen, am Tage vor der Unterzeichnung des Friedens protestirte er jedoch in Gegenwart der französischen Gesandten feierlich gegen den aufgezwungenen Bertrag. Sehr zu seinen Ungunsten verändert, kehrte Franz aus der spanischen Gefangenschaft zurück. Seit dieser Zeit treten die Schattenseiten seines Cha¬ rakters, sein Egoismus, seine Unbeständigkeit, seine Sinnlichkeit, sein Despotismus immer schroffer hervor. Kurz darauf vermählte sich Margarethe mit dein Könige Heinrich von Navarra; sie war damals vierunddreißig Jahre alt, ihr neuer Gemahl zehn Jahre jünger. An eine Heirat aus Neigung ist kaum zu denken, wahrscheinlich lagen auch hier politische Gründe vor. Dem Könige von Frank¬ reich mußte alles daran liegen, Navarra möglichst eng mit Frankreich zu ver¬ binden. Das Reich der neuen Königin war von geringem Umfange und schwach bevölkert, nur Unternavarra und Bearn mit der Hauptstadt Pan gehörten dazu, Oberuavarrn mit der Hauptstadt Pampelona war seit 1512 im Besitz der Spanier. Wenn auch der Hofhalt zu Pan an Glanz und Pracht nicht mit den Höfen der Este und Medici weitteifern kounte, da Heinrichs Mittel sehr be¬ schränkt waren, so fanden doch Poesie, Wissenschaft und Kunst an Margarethens Hofe dasselbe Verständnis und dieselbe Pflege, wie an irgendeinen: andern europäischen Herrschersitze. Bücher, Bilder, Bauten waren das Ideal der fürst¬ lichen Männer und Frauen der Renaissance und auch der Königin von Navarra. Trotz ihrer geringen Eukünfte baute sie fortwährend auf ihren Schlössern, ebenso war sie eine große Büchcrliebhabcrin, ihre eignen Arbeiten ließ-sie von einem ihrer Kapläne kunstreich abschreiben, mit farbigen Initialen schmücken und kostbar einbinden, um sie als Geschenke zu verteilen. Die Porträtmaler Corneille und Clvuet nahm sie mit nach Bearn, dem Baumeister Sebastian Serlio verlieh sie eine jährliche Pension. Bei ihren Besuchen in Paris und Fontainebleau war war sie die stete Begleiterin des Königs, wenn er die Künstler in den Werk¬ stätten aufsuchte. Für die Errichtung und Unterhaltung des L!oIIöM av« t,ruf lirug'NW (Hebräisch, Griechisch und Lateinisch), später (Zolls^o UoM in Paris trat sie energisch ein und setzte ans ihren eignen Mitteln einzelnen Professoren in Paris und Bourges Jahresgehalte aus. Das Leben an dem Hofe von Navarra ähnelt sehr dem Treiben an ver- schiednen kleinen deutschen Höfen des vorigen Jahrhunderts, Pan wurde für ein Menschenalter der Mittelpunkt der literarischen und religiösem Bestrebungen- Frankreichs. Trotz ihrer Frömmigkeit und ihrer zahlreichen theologischen Freunde wahrte die Königin dem Frohsinn immer seine Stätte. Den begabtesten aller Dichter, welche an den französischen Höfen des 16. Jahrhunderts lebten, Element Marvt, hatte Margarethe schon frühzeitig unterstützt und in ihren Dienst auf¬ genommen; in ihrer Umgebung ward er mit den Künsten und Wissenschaften bekannt und war bald auch einer der eifrigsten Anhänger der kirchlichen Reform-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/171>, abgerufen am 22.07.2024.