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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Margarethe von Navarra,

Louise von Savvhen war während des Königs Abwesenheit zur Regentin be¬
stellt worden, mit wahrhaft männlicher Energie ordnete sie die Verteidigung
des bedrohten Landes, Margarethens Sorge war damals zwischen dem gefangnen
Bruder und ihrem kranken Gemahl geteilt. Durch regen Briefwechsel suchte
sie den Gefangnen aufzuheitern, sprach ihm Trost zu, erzählte ihm von seinen
Kindern, wie gut sie aussähen und gediehen, in Gedichten antwortete der König,
wie es sein einziger Wunsch sei, seine Schwester, die vielersehnte, wiederzu¬
sehen. An den schweren Forderungen Karls V. zerschlugen sich die Friedens-
verhandlungen, Franz wurde von Italien nach Spanien gebracht. Am Hofe
zu Toledo suchte man sich ans neue Bedingungen zu einigen, dorthin begab
sich nun, da die Regentin selbst nicht reisen konnte, mit großem Gefolge die
Herzogin vou AleneM, deren Gemahl kurz vorher gestorben war. Nach langem
Zögern hatte sie einen spanischen Geleitsschcin auf sechs Monate erhalten. Unter¬
wegs kam ihr die Nachricht von einer schweren Erkrankung des Königs zu,
mehrere Gedichte, welche damals entstanden, sprechen die Sorgen jener Tage
laut ans:


Wenn ich die Angst, die mich bedrückt,
In meinen Versen könnte klagen,
Wär' ich mit Worten recht geschickt,
Nie hörte man wohl Trnbres sagen!

Margarethe fand ihren Bruder in Madrid so sehr erkrankt, daß sie sich
zunächst mit Hintansetzung ihrer politischen Sendung ausschließlich seiner Pflege
widmete. Ihr heiterer Lebensmut, ihre Mitteilungen über die königliche Familie
richteten den Kranken wieder auf, sodaß binnen kurzem jede Besorgnis für das
Leben des Königs geschwunden war. Hatte sie diesen Teil ihrer Aufgabe so
schnell und glücklich gelöst, so waren die darauffolgenden Verhandlungen zu
Toledo umso unerquicklicher und langwieriger. Karl V. und besonders seine
Schwester nahmen die Herzogin sehr freundlich auf, aber die vielfachen Unter¬
redungen mit dem Kaiser waren erfolglos, sie belehrten Margarethe nur, daß
die Spanier an ein Nachlassen in den Hauptförderungen garnicht dächten. Da
es zu keiner Vereinbarung kam, scheint sie selbst ihrem Bruder geraten zu haben,
ans Burgund zu verzichten. Darauf wollte aber Franz keinesfalls eingehen,
vielmehr unterzeichnete er die Urkunde seiner Thronentsagung, welche Marschall
Montmorcnch, und nicht Margaretha, wie man früher annahm, heimlich nach
Frankreich brachte. Da der Geleitsbrief für die Herzogin von Ulm<M bald
ablief und eine Verlängerung nicht erlangt werden konnte, mußte sie im De¬
zember 1525 die Heimreise antreten, unterwegs erhielt sie vom Könige geheimnis¬
volle Warnungen und die Mahnung zur größten Beschleunigung; in rastloser
Eile, fast wie auf der Flucht, erreichte sie noch knapp vor Ablauf der Frist den
französischen Boden. Unmöglich ist es nicht, daß die Spanier sich auch ihrer
bemächtige" wollten.


Margarethe von Navarra,

Louise von Savvhen war während des Königs Abwesenheit zur Regentin be¬
stellt worden, mit wahrhaft männlicher Energie ordnete sie die Verteidigung
des bedrohten Landes, Margarethens Sorge war damals zwischen dem gefangnen
Bruder und ihrem kranken Gemahl geteilt. Durch regen Briefwechsel suchte
sie den Gefangnen aufzuheitern, sprach ihm Trost zu, erzählte ihm von seinen
Kindern, wie gut sie aussähen und gediehen, in Gedichten antwortete der König,
wie es sein einziger Wunsch sei, seine Schwester, die vielersehnte, wiederzu¬
sehen. An den schweren Forderungen Karls V. zerschlugen sich die Friedens-
verhandlungen, Franz wurde von Italien nach Spanien gebracht. Am Hofe
zu Toledo suchte man sich ans neue Bedingungen zu einigen, dorthin begab
sich nun, da die Regentin selbst nicht reisen konnte, mit großem Gefolge die
Herzogin vou AleneM, deren Gemahl kurz vorher gestorben war. Nach langem
Zögern hatte sie einen spanischen Geleitsschcin auf sechs Monate erhalten. Unter¬
wegs kam ihr die Nachricht von einer schweren Erkrankung des Königs zu,
mehrere Gedichte, welche damals entstanden, sprechen die Sorgen jener Tage
laut ans:


Wenn ich die Angst, die mich bedrückt,
In meinen Versen könnte klagen,
Wär' ich mit Worten recht geschickt,
Nie hörte man wohl Trnbres sagen!

Margarethe fand ihren Bruder in Madrid so sehr erkrankt, daß sie sich
zunächst mit Hintansetzung ihrer politischen Sendung ausschließlich seiner Pflege
widmete. Ihr heiterer Lebensmut, ihre Mitteilungen über die königliche Familie
richteten den Kranken wieder auf, sodaß binnen kurzem jede Besorgnis für das
Leben des Königs geschwunden war. Hatte sie diesen Teil ihrer Aufgabe so
schnell und glücklich gelöst, so waren die darauffolgenden Verhandlungen zu
Toledo umso unerquicklicher und langwieriger. Karl V. und besonders seine
Schwester nahmen die Herzogin sehr freundlich auf, aber die vielfachen Unter¬
redungen mit dem Kaiser waren erfolglos, sie belehrten Margarethe nur, daß
die Spanier an ein Nachlassen in den Hauptförderungen garnicht dächten. Da
es zu keiner Vereinbarung kam, scheint sie selbst ihrem Bruder geraten zu haben,
ans Burgund zu verzichten. Darauf wollte aber Franz keinesfalls eingehen,
vielmehr unterzeichnete er die Urkunde seiner Thronentsagung, welche Marschall
Montmorcnch, und nicht Margaretha, wie man früher annahm, heimlich nach
Frankreich brachte. Da der Geleitsbrief für die Herzogin von Ulm<M bald
ablief und eine Verlängerung nicht erlangt werden konnte, mußte sie im De¬
zember 1525 die Heimreise antreten, unterwegs erhielt sie vom Könige geheimnis¬
volle Warnungen und die Mahnung zur größten Beschleunigung; in rastloser
Eile, fast wie auf der Flucht, erreichte sie noch knapp vor Ablauf der Frist den
französischen Boden. Unmöglich ist es nicht, daß die Spanier sich auch ihrer
bemächtige» wollten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/170>, abgerufen am 22.07.2024.