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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Margarethe von Navarra,

Partei. Margarethe sandte ihm zuweilen auf seine Episteln und Noudeaux eine
Autwort in dichterischer Form; zuweilen entspinnt sich zwischen beiden ein scherz¬
hafter poetischer Briefwechsel, Einmal verlor der Dichter, welcher sich nicht
allzu selten in Geldverlegenheiten befand, eine Wette gegen eine von Marga¬
rethens Hofdamen und mußte sich mit einem Gedicht auslösen. Das Epigramm,
das er überreichte, schloß mit dem Wunsche, daß er alle seine Schulden in dieser
Münze berichtigen dürfte, Margarethe entgegnete für ihre Hofdame, wenn seine
Gläubiger ihn so gut kennten wie sie, würden sie sich gern auf gleiche Weise
bezahlen lassen, Silber lasse sich nach dem Gewicht abschätzen, aber Marvts
Kunst sei unschätzbar. Ein weiteres Epigramm Marots erzählt, er habe der
Königin Gedicht den Wucherern gezeigt, und Meister Michel sowie Meister
Bonaventura hätten sich daraufhin bereit erklärt, nicht allein noch länger zu
warten, sondern auch noch mehr zu geben, und er, Marot, habe gelobt, das
Geld der beiden anzunehmen.

Margarethens Ehe war nicht besonders glücklich, wenigstens nicht in den
spätern Jahren; ihr Gemahl, ein echter Becirner, war zwar ein tüchtiger Regent
und umsichtiger Verwalter seines Besitztums, doch ohne Neigung zu deu schönen
Künsten, romantischen Träumereien abhold, während sich seine Gemahlin, eine
Freundin der schonen Natur, uicht ungern ihrer schweifenden Phantasie über¬
ließ. Seine wenig verhehlten Liebschaften tränkten die Sittenstrenge Frau, welche
er bisweilen rauh, ja brutal behandelte.

Über Margarethens kirchliche Gesinnung ist viel gestritten worden, den
einen g"le sie als entschiedene Anhängen" des Protestantismus, andre erklärten
sich ihre deu kirchlichen Reformideen günstige Haltung als die Neugier einer
geistvollen, allem Wissen eifrig zugewandten Natur. Einig sind beide Parteien
darin, daß sie eine hervorragende Rolle in der Geschichte der französischen
Kirche gespielt hat. Entscheidend wurde für ihre kirchliche Richtung ihre Ver¬
bindung mit dem Bischof BricMnet vou Meaux, einem Manne von mystischer
Richtung, dem Protestantismus uicht ganz abhold, der aber nicht den Mut zu
entschiedenem Auftreten besaß. Auch die Schriften der deutschen Reformatoren
lernte die Königin vou Navarra kennen, Graf Sigismund Hohenlohe schickte
ihr von Straßburg Luthers Schriften in der Übersetzung. Margarethe war
bald für eine Reform der Kirche begeistert, auch ihr Bruder und ihre Mutter,
hoffte sie, würden sich zu dieser Idee günstig stellen. Nach Franzens Rückkehr
aus Spanien scheint sie in der That geglaubt zu haben, den König ganz für
die Reformation gewinnen zu können; freilich wie weit sie selbst in der Änderung
der kirchlichen Verhältnisse gehen wollte, bleibt fraglich. Des Königs sinnliche
Natur und die strenge Richtung der französischen Protestanten standen in
schroffem Widerspruche zu einander; viele Männer der Reform mochte er schätzen,
weil er in ihnen Gelehrte und Vertreter der aufblühenden Wissenschaften sah,
im großen und ganzen aber hat er die Reform nnr nach den politischen Vor-


Margarethe von Navarra,

Partei. Margarethe sandte ihm zuweilen auf seine Episteln und Noudeaux eine
Autwort in dichterischer Form; zuweilen entspinnt sich zwischen beiden ein scherz¬
hafter poetischer Briefwechsel, Einmal verlor der Dichter, welcher sich nicht
allzu selten in Geldverlegenheiten befand, eine Wette gegen eine von Marga¬
rethens Hofdamen und mußte sich mit einem Gedicht auslösen. Das Epigramm,
das er überreichte, schloß mit dem Wunsche, daß er alle seine Schulden in dieser
Münze berichtigen dürfte, Margarethe entgegnete für ihre Hofdame, wenn seine
Gläubiger ihn so gut kennten wie sie, würden sie sich gern auf gleiche Weise
bezahlen lassen, Silber lasse sich nach dem Gewicht abschätzen, aber Marvts
Kunst sei unschätzbar. Ein weiteres Epigramm Marots erzählt, er habe der
Königin Gedicht den Wucherern gezeigt, und Meister Michel sowie Meister
Bonaventura hätten sich daraufhin bereit erklärt, nicht allein noch länger zu
warten, sondern auch noch mehr zu geben, und er, Marot, habe gelobt, das
Geld der beiden anzunehmen.

Margarethens Ehe war nicht besonders glücklich, wenigstens nicht in den
spätern Jahren; ihr Gemahl, ein echter Becirner, war zwar ein tüchtiger Regent
und umsichtiger Verwalter seines Besitztums, doch ohne Neigung zu deu schönen
Künsten, romantischen Träumereien abhold, während sich seine Gemahlin, eine
Freundin der schonen Natur, uicht ungern ihrer schweifenden Phantasie über¬
ließ. Seine wenig verhehlten Liebschaften tränkten die Sittenstrenge Frau, welche
er bisweilen rauh, ja brutal behandelte.

Über Margarethens kirchliche Gesinnung ist viel gestritten worden, den
einen g«le sie als entschiedene Anhängen» des Protestantismus, andre erklärten
sich ihre deu kirchlichen Reformideen günstige Haltung als die Neugier einer
geistvollen, allem Wissen eifrig zugewandten Natur. Einig sind beide Parteien
darin, daß sie eine hervorragende Rolle in der Geschichte der französischen
Kirche gespielt hat. Entscheidend wurde für ihre kirchliche Richtung ihre Ver¬
bindung mit dem Bischof BricMnet vou Meaux, einem Manne von mystischer
Richtung, dem Protestantismus uicht ganz abhold, der aber nicht den Mut zu
entschiedenem Auftreten besaß. Auch die Schriften der deutschen Reformatoren
lernte die Königin vou Navarra kennen, Graf Sigismund Hohenlohe schickte
ihr von Straßburg Luthers Schriften in der Übersetzung. Margarethe war
bald für eine Reform der Kirche begeistert, auch ihr Bruder und ihre Mutter,
hoffte sie, würden sich zu dieser Idee günstig stellen. Nach Franzens Rückkehr
aus Spanien scheint sie in der That geglaubt zu haben, den König ganz für
die Reformation gewinnen zu können; freilich wie weit sie selbst in der Änderung
der kirchlichen Verhältnisse gehen wollte, bleibt fraglich. Des Königs sinnliche
Natur und die strenge Richtung der französischen Protestanten standen in
schroffem Widerspruche zu einander; viele Männer der Reform mochte er schätzen,
weil er in ihnen Gelehrte und Vertreter der aufblühenden Wissenschaften sah,
im großen und ganzen aber hat er die Reform nnr nach den politischen Vor-


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[0172] Margarethe von Navarra, Partei. Margarethe sandte ihm zuweilen auf seine Episteln und Noudeaux eine Autwort in dichterischer Form; zuweilen entspinnt sich zwischen beiden ein scherz¬ hafter poetischer Briefwechsel, Einmal verlor der Dichter, welcher sich nicht allzu selten in Geldverlegenheiten befand, eine Wette gegen eine von Marga¬ rethens Hofdamen und mußte sich mit einem Gedicht auslösen. Das Epigramm, das er überreichte, schloß mit dem Wunsche, daß er alle seine Schulden in dieser Münze berichtigen dürfte, Margarethe entgegnete für ihre Hofdame, wenn seine Gläubiger ihn so gut kennten wie sie, würden sie sich gern auf gleiche Weise bezahlen lassen, Silber lasse sich nach dem Gewicht abschätzen, aber Marvts Kunst sei unschätzbar. Ein weiteres Epigramm Marots erzählt, er habe der Königin Gedicht den Wucherern gezeigt, und Meister Michel sowie Meister Bonaventura hätten sich daraufhin bereit erklärt, nicht allein noch länger zu warten, sondern auch noch mehr zu geben, und er, Marot, habe gelobt, das Geld der beiden anzunehmen. Margarethens Ehe war nicht besonders glücklich, wenigstens nicht in den spätern Jahren; ihr Gemahl, ein echter Becirner, war zwar ein tüchtiger Regent und umsichtiger Verwalter seines Besitztums, doch ohne Neigung zu deu schönen Künsten, romantischen Träumereien abhold, während sich seine Gemahlin, eine Freundin der schonen Natur, uicht ungern ihrer schweifenden Phantasie über¬ ließ. Seine wenig verhehlten Liebschaften tränkten die Sittenstrenge Frau, welche er bisweilen rauh, ja brutal behandelte. Über Margarethens kirchliche Gesinnung ist viel gestritten worden, den einen g«le sie als entschiedene Anhängen» des Protestantismus, andre erklärten sich ihre deu kirchlichen Reformideen günstige Haltung als die Neugier einer geistvollen, allem Wissen eifrig zugewandten Natur. Einig sind beide Parteien darin, daß sie eine hervorragende Rolle in der Geschichte der französischen Kirche gespielt hat. Entscheidend wurde für ihre kirchliche Richtung ihre Ver¬ bindung mit dem Bischof BricMnet vou Meaux, einem Manne von mystischer Richtung, dem Protestantismus uicht ganz abhold, der aber nicht den Mut zu entschiedenem Auftreten besaß. Auch die Schriften der deutschen Reformatoren lernte die Königin vou Navarra kennen, Graf Sigismund Hohenlohe schickte ihr von Straßburg Luthers Schriften in der Übersetzung. Margarethe war bald für eine Reform der Kirche begeistert, auch ihr Bruder und ihre Mutter, hoffte sie, würden sich zu dieser Idee günstig stellen. Nach Franzens Rückkehr aus Spanien scheint sie in der That geglaubt zu haben, den König ganz für die Reformation gewinnen zu können; freilich wie weit sie selbst in der Änderung der kirchlichen Verhältnisse gehen wollte, bleibt fraglich. Des Königs sinnliche Natur und die strenge Richtung der französischen Protestanten standen in schroffem Widerspruche zu einander; viele Männer der Reform mochte er schätzen, weil er in ihnen Gelehrte und Vertreter der aufblühenden Wissenschaften sah, im großen und ganzen aber hat er die Reform nnr nach den politischen Vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/172>, abgerufen am 22.07.2024.